Sie stehen im Rampenlicht, werden erkannt, gepusht, verehrt: Fussballer sind im Fokus. Doch was, wenn die Karriere zu Ende geht? Wie gelingt der Sprung ins «normale» Berufsleben?
Fakt ist: Wohl den Wenigsten fällt es einfach, seine Sporen plötzlich irgendwo abverdienen zu müssen, sagt der ehemalige FC St.Gallen Spieler Philippe Montandon. Er musste seine Karriere 2015 aufgrund gesundheitlicher Probleme beenden.
Das Gefühl, einen gefährlichen Schuss abgewendet zu haben. Die Zugehörigkeit der Mannschaft. Der Fangesang, wenn man ins Stadion läuft. – All das sind Momente, die Philippe Montandon vermisst. Auch heute noch, sechs Jahre nach seinem Karriereende beim FC St.Gallen. «Es sind Emotionen, die du danach so nicht mehr erlebst. Und dass du das überhaupt machen durftest, ist ein riesiges Privileg», hält er fest.
Er erinnert sich an den Moment vor über sechs Jahren, als sein Körper ihn zwang, seine Fussballschuhe an den Nagel zu hängen. Die achte Hirnerschütterung war definitiv zu viel – dennoch probierte er, weiterzumachen. Nach der Winterpause waren die Beschwerden aber immer noch da. «Da lag es schliesslich auf der Hand, dass es nicht mehr geht.» Heute kann er es zwar auch mit Humor nehmen («Ich habe also für alles eine Entschuldigung!»), doch die Entscheidung, die Reissleine zu ziehen, war zu diesem Zeitpunkt alles andere als einfach. «Du lebst für den Fussball, ein Leben lang gibst du alles für deine Leidenschaft. Und dann ist plötzlich Schluss.» Was dann?
Ein neuer Lebensabschnitt musste eingeläutet werden. Dabei half es Montandon ungemein, dass er genau zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal Vater wurde. «Es wurde mir bewusst, dass es ein Schnitt ist und nun etwas Neues kommt», fasst er seine Gedanken zusammen. Er war sich darüber im Klaren, dass er ganz von vorne anfangen musste – wenn andere mit 18 Jahren die ersten Erfahrungen im Berufsleben sammeln, tat Montandon das mit über 30. Für ihn war es demnach umso wichtiger, gleich im Anschluss im Beruf anzukommen. Es kam ihm zugute, dass er bereits während seiner aktiven Zeit ein Fernstudium absolviert hatte und somit später in die Immobilienwelt erste Einblicke erhielt. Als Praktikant. Plötzlich waren da acht-Stunden-Tage oder mehr, ständiges Sitzen, Woche für Woche. Aber: Was er da sah, gefiel ihm. «Die Umstellung ist natürlich dennoch hart. Jeder, der etwas anderes behauptet, der ist nicht ehrlich», so Montandon. Einerseits war da plötzlich der völlig neue Rhythmus, andererseits der finanzielle Druck, der auf dem Familienvater lastete.
Auch die körperlichen Unterschiede machten sich bald bemerkbar. Den natürlichen Bewegungsdrang konnte Montandon nicht mehr ausleben. «In den Anfangszeiten vertrat ich mir jede halbe Stunde die Beine. Das lange Sitzen war ich natürlich nicht gewöhnt.» Dennoch suchte er den Ausgleich nicht in anderen Sportarten – und genoss statt dessen das komplette Herunterfahren. Erst seit etwa einem Jahr joggt er regelmässig oder fährt mit seinem Bike. Auch auf dem Fussballplatz ist er wieder vermehrt hobbymässig anzutreffen. «Das geniesse ich sehr – ich darf jetzt, muss aber nicht.» Hin und wieder an seine körperlichen Grenzen zu stossen, das sei eine gute Erfahrung. Auch wenn eine ganz andere als damals in seiner aktiven Zeit. Der Druck ist es auch, den er überhaupt nicht vermisst. «Wenn du mal eine schlechte Phase hattest, hat dich das enorme Kraft gekostet. Ständig wirst du verglichen, musst abliefern. Da bin ich froh, kein Profi mehr zu sein.»
Seit etwa einem Jahr spüre er, angekommen zu sein. Angekommen in seinem neuen Leben: in der Privatwirtschaft, als Familienvater, als Hobbysportler. Vorher spielten zu viele Emotionen mit, als dass er das wirklich von sich behaupten konnte. Er stehe gern morgens auf, um arbeiten zu gehen. Aber es sei ein Prozess gewesen, bis er an diesen Punkt gekommen sei. Würde er rückblickend also etwas anders machen? «Vielleicht wäre die Umstellung einfacher, wenn man bereits während seiner aktiven Zeit einen Fuss im Arbeitsleben behält», so Montandon. Das fordere natürlich eine hohe Flexibilität seitens des Arbeitgebers oder auch des Spielers. Diesen Weitblick habe er jetzt, doch fehlt dieser bei fast allen aktiven Sportlern. Dennoch, so ist Montandon überzeugt, wäre dann die Umstellung nicht so krass. Gleichzeitig ist er aber um den endgültigen Schnitt mit der Fussballwelt froh. Viele ehemalige Fussballer bleiben dem Verein in verschiedenen Ämtern erhalten. Etwas, was er für sich nicht vorstellen konnte. «Ich habe zwei Versuche genommen, nach der aktiven Zeit in der Fussballwelt zu bleiben. Für mich hat es aber nicht gepasst. Es war Zeit für etwas Neues.» Was bleibt, sind die Erinnerungen, die Kontakte, die Bilder im Kopf. Und die Erzählungen, welchen seine Kinder lauschen. Und wenn sie irgendwann mit dem Wunsch kommen würden, Profispieler werden zu wollen? «Ich denke nicht, dass sie dafür Ambitionen haben», lacht Montandon. «Doch wenn es so wäre, hätten sie natürlich meine Unterstützung – egal, welchen Weg sie einschlagen wollen.»
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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