Beim «Nebelspalter» bleibt kein Stein auf dem andern. Nach dem Besitzerwechsel kommt es nun auch in der Redaktion zu Veränderungen. Der langjährige Redaktionsleiter Marco Ratschiller geht. Sein Nachfolger wird der St.Galler Ralph Weibel, bisher Produzent beim Satireblatt.
Es klang zu schön, um wahr zu sein. Nachdem der Zürcher Journalist Markus Somm mit seiner Klarsicht AG den «Nebelspalter» vom Thurgauer Verlag Engeli & Partner im letzten Dezember übernommen hatte, schien es vorgezeichnet, dass das nicht ohne weitere Einschnitte verläuft. Somm will die Marke als Onlinemedium um- und ausbauen, während das gedruckte Satiremagazin in alter Form weitererscheinen soll. Ein veritabler Spagat, da die digitale Version vermutlich eine andere Marschrichtung haben wird als der «Nebi» bisher.
Nun geht laut einer Mitteilung der Nebelspalter-Chefredaktor Marco Ratschiller, der 16 Jahre lang im Amt war. Er tue das auf eigenen Wunsch, «um sich verstärkt anderen Projekten auch ausserhalb der Zeitschrift widmen zu können», wie es heisst. Er bleibe der Zeitschrift aber als regelmässiger Satiriker und Karikaturist erhalten.
Die Übernahme durch Somms Klarsicht AG ist laut offizieller Leseart lediglich «der ideale Zeitpunkt, um mich selbst auf neue Projekte und lange zurückgestellte Ideen zu konzentrieren und die Weiterentwicklung der Traditionsmarke künftig interessiert aus unabhängiger Warte mitzuverfolgen», wie sich Ratschiller zitieren lässt. Ob dem allenfalls auch inhaltliche Debatten mit unterschiedlichen Positionen zwischen ihm und Somm vorausgegangen sind, ist offen, aber durchaus möglich.
Neuer Redaktionsleiter der gedruckten Ausgabe wird Ralph Weibel. Der 53-jährige St. Galle ust Journalist und Satiriker, Bühnenautor und Slam Poet. Er ist seit März 2018 als Produzent für den «Nebelspalter» tätig. Und vor allem: Er hat offenbar Somms Segen. Denn dieser sagt in der Mitteilung: «Ralph Weibel ist für mich eine Bestbesetzung: Mit seiner Erfahrung und seinen exzellenten Kontakten in der schweizerischen Comedy-Szene wird er den Nebelspalter kreativ und kompetent in die nächsten hundert Jahre führen.» Gleichzeitig bedankt sich Somm bei Marco Ratschiller für dessen «grandioses Engagement für den Nebelspalter.»
Unter welcher Führung auch immer: Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich die Traditionsmarke neu aus einem Printmagazin und einer Onlinezeitung mit neuen und hohen Ansprüchen entwickeln wird. Aus Ostschweizer Sicht ist Weibels Berufung an die Redaktionsspitze sicher erfreulich. Wenn der Nebelspalter schon nicht mehr richtig zum Thurgau «gehört», so ist nun doch weiter ein Ostschweizer am Drücker. Die Zürcher haben für einmal nicht kurzerhand übernommen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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