Jahr für Jahr werden in der Schweiz tausende von Rehkitzen vermäht und sterben jämmerlich. Dieses enorme Tierleid ist in den letzten Jahren vermehrt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt.
Dies vor allem, weil neue technische Hilfsmittel, vor allem mit Wärmebildkameras ausgerüstete Drohnen, die Chancen für eine Rehkitzrettung enorm verbessert haben. Im Kanton St.Gallen wurden vor allem dank der neuen Technik im laufenden Jahr über 700 Rehkitze gerettet. Diese Erfolgsmeldung ist aber auch einem riesigen, ehrenamtlichen Engagement der St.Galler Jägerinnen und Jäger zu verdanken, die im Frühjahr 2023 über 5'400 Stunden, meist früh morgens, im Feld im Einsatz waren.
Da Rehkitze in den ersten Lebenstagen keinen Fluchtinstinkt haben, ducken sie sich bei Gefahr und hoffen, nicht erkannt zu werden. Eine Taktik, die über Jahrhunderte funktioniert hat, aber angesichts der immer stärkeren Mechanisierung der Landwirtschaft nicht mehr hilft. Um so wichtiger ist es, die Rehkitze mit neuer Technologie im hohen Gras zu finden, mit einem Harass abzudecken und den Standort so zu markieren, damit diese von den immer grösseren und schnelleren Traktoren aus auch erkannt werden. Nach dem Mähen werden die Harasse durch die Jägerschaft wieder entfernt, so dass die Rehgeiss ihr Junges gesund wieder in ihre Obhut nehmen kann.
Drohnen und Wärmebildkameras im Einsatz
Um im hohen Gras die Rehkitze zu finden, setzen die Jägerinnen und Jäger Drohnen mit Wärmebildkameras ein. Da die notwendige Temperaturdifferenz nur in den frühen Morgenstunden genügend gross ist, finden die Suchaktionen in der Regel zwischen 04.00 und 08.00 Uhr statt.
Die St.Galler Jägerinnen und Jäger, welche die Rehkitzrettung im Kanton St.Gallen gewährleisten, haben im Jahr 2023 über 6'000 Hektaren Wiesland abgeflogen und kontrolliert. Dabei wurden bei einer Einsatzzeit von über 5'400 Stunden 607 Kitze mit Drohnen und 138 durch konventionelle Verblendung gerettet. Da der Drohneneinsatz, nicht zuletzt auf Grund hoher finanzieller Kosten, noch nicht flächendeckend im ganzen Kanton gewährleistet werden kann, ist das Potenzial noch gross, ebenso aber auch die Dunkelziffer. Die Rehkitzrettung bleibt also noch eine grosse Herausforderung im Kampf gegen Tierleid.
Jagdgesellschaften müssen koordinieren
Es ist erfreulich, dass sich zunehmend auch nicht jagdliche Kreise für die Rehkitzrettung interessieren. So bildet die Stiftung Rehkitzrettung Schweiz fleissig Drohnenpiloten aus, was sehr erfreulich ist. Doch ausgebildete Drohnenpiloten allein sind nicht einsatzfähig, da sie weder die betroffenen Landwirte kennen, noch ein Unterstützungsteam haben, das die Sicherung und Freilassung der Rehkitze fachgerecht sicherstellt. Es ist daher zentral, dass sich Drohnenpiloten und freiwillige Helfer mit der örtlichen Jagdgesellschaft frühzeitig in Verbindung setzen, welche die Aktionen koordiniert und Gewähr für einen fachgerechten Umgang mit den kleinen Wildtieren bietet. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass erfolgreiche Rehkitzrettung nur unter der Führung der örtlichen Jagdgesellschaften, in Zusammenarbeit mit den Landwirten vor Ort, funktioniert.
Mitverantwortung der Landwirtschaft ungenügend
Wie bereits erwähnt, stellt der weitere Ausbau der Rehkitzrettung im Kanton St.Gallen die Jagd vor grosse finanzielle Herausforderungen. Zum einen sind zusätzliche Drohnen anzuschaffen und zum andern sind die ersten Drohnen bereits am Ende ihrer Einsatzzeit und müssen ersetzt werden.
Da letztlich die Verhinderung von Tierleid Pflicht des möglichen Verursachers ist, liegt die Verantwortung für die Rehkitzrettung grundsätzlich bei der Landwirtschaft. Die Jägerschaft bedankt sich an dieser Stelle bei den vielen Landwirten, die sich aktiv in die Rehkitzrettung einbringen. Um so unverständlicher ist es, dass seitens des St. Gallischen Bauernverbandes bis heute auf zahlreiche Anfragen bezüglich finanzieller Unterstützung nur Absagen erfolgten. Vor dem Hintergrund der bäuerlichen Imagekampagnen unter dem Titel «Tierwohl» absolut unverständlich. Zwei drei TV-Spots weniger, und der Tatbeweis im Kampf gegen Tierleid und damit für das reklamierte «Tierwohl» wäre erbracht.
Zudem wäre ein solches Engagement auch eine längst verdiente Anerkennung des riesigen Einsatzes, den die Jägerschaft Jahr für Jahr für die Rehkitzrettung und damit auch für die Landwirtschaft erbringt.
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