Ausblick von Federers Grundstück auf den See. (Bild: Michel Bossart)
In der Kemprater Bucht in Rapperswil-Jona gibt es sie: Grundstücke mit Seeanstoss. Eines hat sich Roger Federer unter den Nagel gerissen. Aber wie ist das mit dem öffentlichen Zugang zum See, auf den alle ein Anrecht haben? Es gibt einen solchen in der Bucht, aber er verdient den Namen kaum.
Roger Federer wird vielleicht bis wahrscheinlich St. Galler. Seine Baupläne für ein Luxusanwesen in der Kemprater Bucht sorgten kürzlich national für Aufsehen. Auf einem 16'000 Quadratmeter grossen Stück grüner Wiese mit direktem Seezugang wollen die Federers ein feudales Anwesen für ihre Grossfamilie bauen. Den Steuervogt (und mit ihm die Bewohner von Rapperswil-Jona) freut’s und der Tourismusdirektor frohlockt und träumt in der «Linth-Zeitung» bereits von einem Grand-Slam-Turnier in Rapperswil-Jona.
Doch halt! Wie ist das jetzt schon wieder mit den Besitzverhältnissen der Schweizer Seen und deren Ufer? Artikel 664 des Zivilgesetzbuches (ZGB) ist deutlich: «An den öffentlichen Gewässern sowie an dem der Kultur nicht fähigen Lande, wie Felsen und Schutthalden, Firnen und Gletschern, und den daraus entspringenden Quellen besteht unter Vorbehalt anderweitigen Nachweises kein Privateigentum.»
Ausblick von Federers Grundstück auf den See. (Bild: Michel Bossart)
Dazu sagt Elisabeth Beer von der UGS Rapperswil-Jona (Unabhängig, Grün, Sozial): «Die Rechtsprechung des Bundesgerichts vom 15. März 2001 sagt aus, dass Eintragungen im Grundbuchamt und gültige Baubewilligungen keinen Beweis für Eigentumsbedarf an einem Schweizer Seeufer ergeben. Roger Federer weiss demnach, dass auch seine Überbauung einen öffentlichen Seeuferzugang zulassen muss, was Neugierige und Gaffer mit sich bringen dürfte.»
Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass in der Kemprater Bucht überhaupt jemals ein neuer Seeuferzugang oder ein durchgehender Seeuferweg gebaut wird, verschwindend klein. Vom Seebad Rapperswil bis an die Kantonsgrenze ist praktisch das ganze Ufer in Privatbesitz (und be- und verbaut).
Verrichtungsbox zum See
Doch dem Stadtrat komplette Untätigkeit in der Angelegenheit «Seezugang» vorzuwerfen, ginge zu weit. Denn letztes Jahr wurde unweit Federers Grundstück ein öffentlicher Seezugang realisiert. Beer erzählt: «Die UGS setzten sich vor allem für die Renaturierung des Paradiesbaches ein, der öffentliche Zugang kam als Zugabe dazu. Das Begehren der Grünen wurde an der Bürgerversammlung angenommen. Wie die Stadt es dann umsetzte, ist für uns nicht befriedigend.»
Dieses Tor versperrt nachts den Zugang zum öffentlichen Seezugang. (Bild: Michel Bossart)
Ein Augenschein vor Ort hilft zu verstehen, was Beer meint: Der Seezugang ist ein zirka zehn Meter breiter Streifen, der von der Zürcherstrasse etwa 40 Meter zum Ufer runterführt. Ein dunkles, sichtdichtes Tor versperrt den Eingang, denn die Anlage ist nur von 8 bis 22 Uhr geöffnet. Das waren Konzessionen an die Nachbarn, die dann freundlicherweise ein Trampolin ganz in die Nähe der Ruhebänklein gestellt haben.
Eine Verhaltenstafel am Eingang hilft, sich an die guten Manieren zu erinnern und auch an das hier geltende Badeverbot. Ein Plätzlein, an dem man sich nicht wirklich willkommen fühlt und das aufgrund seiner Enge und Einfriedung eher an eine Verrichtungsbox für Erholungssuchende denn an einen freien Seezugang erinnert.
Der nicht sehr wirtliche öffentliche Platz am See, der mehr an eine Verrichtungsbox erinnert. (Bild: Michel Bossart)
Genügend Seezugang
Nachgefragt auf der Stadtverwaltung bestätigt der Stadtschreiber Hansjörg Goldener, dass in der Kemprater Bucht keine weiteren Projekte für mehr Seezugänge oder gar einen durchgehenden Seeuferweg geplant sind: «Doch vom Seebad in die andere Richtung ist beinahe das gesamte Ufer bis nach Schmerikon öffentlich zugänglich.»
Das stimmt wohl, doch ob das auch ein gültiges Argument für die Aushebelung von Artikel 664 ZGB in der Kemprater Bucht ist, sei mal dahingestellt. «Die Behörden kuschen vor den Reichen», titelte der «Blick» am 3. September 2018 und meinte das, was auch Beer zum Thema sagt: «Wer ein Grundstück am See besitzt, wehrt sich mit Händen, Füssen, Einfluss und Geld gegen das öffentliche Recht des Zugangs zum See. Die Stadt will mit Steuersenkungen Reiche anziehen, dies auf Kosten der Allgemeinheit.»
Andreas Bisig von der GLP meint zum Thema: «Uns sind drei Dinge wichtig: Erstens der Naturschutz und Renaturierung von verbauten Uferabschnitten, zweitens ein Naturerlebnis für die Bevölkerung ermöglichen und sicherstellen und drittens Eigentum schützen. Deshalb sind für uns wenige, aber qualitativ hochwertige und über das Gemeindegebiet verteilte Seezugänge prioritär zu ermöglichen. Einen durchgängigen Weg halte ich im Sinne des Naturschutzes und der Achtung von privatem Eigentum als nicht zielführend.»
Die Frage, ob man heute noch Grundstücke mit Seeufer rechtmässig erwerben können sollte und überhaupt darf, ist eigentlich mit Artikel 664 ZGB und dem Bundesgerichtsurteil klar beantwortet. Doch solange man sich dergestalt die Hände reibt, wenn ein (weiterer) Multimillionär sich anschickt, sich in der Gemeinde niederzulassen und den Seezugang zu verbauen, solange wird sich daran wohl auch nichts ändern.
Klare Regeln: Die Tafel, die das gewünschte Verhalten beim kleinen Seezugang definiert. (Bild: Michel Bossart)
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.