In einem offenen Brief wird die Stadt Rorschach an den Pranger gestellt. Die Vorwürfe reichen von einem «Saustall», einer «versifften Hafenstadt» und «maroden Zuständen». Stadtpräsident Robert Raths kann darüber nur den Kopf schütteln.
«Es ist ein primitives Schreiben, und leider nicht der erste Brief dieser Art», fasst es Stadtpräsident Robert Rathts mit deutlichen Worten zusammen. Einwohner René M. Bitterli gelangte vorgängig mit einem offenen Brief an die Medien, in welchem er die Zustände der Stadt Rorschach scharf kritisierte. «Haben sie noch wirklich ein gutes Gewissen oder verdrängen Sie - wie in einflussreichen Kreisen vermehrt kolportiert wird - die bitteren Realitäten zum bedenklich maroden Zustand von Rorschach?», heisst es beispielsweise darin. Und weiter: «Vollmundig verkündeten Sie (Ihre schriftliche Behauptung liegt uns vor), dass Sie mit einer Top-Verwaltung arbeiten und die Entwicklung von Rorschach ‚positiv‘ verlaufen würde. Wenn Sie sich morgens (hoffentlich ausgenüchtert) im Spiegel anschauen, müssen Sie sich selbst eingestehen, dass diese Behauptungen nicht den allergeringsten Realitäten entsprechen und von lhnen aufgrund spürbar steigender Nervosität frei erfunden wurden.»
**Dreck? Abfall? **
Bitterli schreibt weiter über das vergangene Wochenende, welches er als «das schrecklichste bisherige» betitelt. Ein «Saustall» nennt er Rorschach, ganze Heerscharen hätten morgens um vier Uhr lautstark die Hafenmeile verlassen. Er frage sich, wer um diese Zeit überhaupt noch ausschenken würde. Kontrolliert werde dies sowieso niemals. Dem offenen Brief beigelegt sind zwei Fotos, die seinen Aussagen zufolge beim Hafen aufgenommen wurden – und liegengelassenen Abfall und -säcke zeigen. «Schrecklich dieser Dreck und während des ganzen Tages bis am Montagmorgen blieb dieser Abfall liegen. Eine Schlamperei wie aus dem Bilderbuch!» Er vergleicht die Situation mit Lindau oder Bregenz – in diesen Städten werde den ganzen Tag über sauber gemacht.
Vorwürfe, die der Stadtpräsident nicht unkommentiert lassen will. Denn sie entsprechen schlichtweg nicht der Wahrheit, sagt er. «Wir haben in Rorschach alles andere als marode Zustände. Die Stadt befindet sich in einer Entwicklung, die Zeit braucht. Der Briefschreiber ist der Einzige, der sich in solch einer primitiven Art darüber auslässt.» Das Bauamt, die Stadtgärtnerei und auch er persönlich seien sieben Tage die Woche in der Stadt unterwegs. Von frühmorgens bis abends werde sauber gemacht und aufgeräumt. Dass hier und da Abfall liegen gelassen werde, könne bei dem grossen Zulauf, welcher Rorschach gerade in den Sommermonaten verzeichnet, nicht ganz verhindert werden. «Unser gesamtes Team ist jedoch topmotiviert – und gerade bei der geschmückten Seemeile erhalten wir häufig Komplimente», so Raths weiter. Rorschach sei eine sehr lebendige Stadt, in welcher täglich etwas los sei. Dies nun mit einer «Schlamperei» zu vergleichen, wurmt den Politiker.
Leidige Autoposer
Im Brief kommt der Schreibende auch auf die Autoposer zu sprechen. Ein Thema, welches die Politik seit längerem beschäftigt. Gerade in den warmen Monaten sei das Problem verstärkt. Die zusätzlichen Polizeikontrollen bringen zwar eine leichte Verbesserung. Aber, so Raths, könnten sie nicht die einzige Lösung sein. «Das Problem muss auf der Gesetzesebene angegangen werden. Die Polizei hat verständlicherweise gar nicht die nötige Kapazität, sich nur den Autoposern zu widmen.» Im Budget 2023 der Stadt sei ein grösserer Betrag veranschlagt, um evaluieren zu können, welche Massnahmen etwas bringen würden. Bis Ende Jahr wird die Kantonshauptstrasse fertig saniert sein – ein Flüsterbelag wird eingebaut. Bis ins Jahr 2025 wird versuchsweise das Tempo 30 eingeführt. «Auch wenn es Kritiker gibt, die finden, das bringe nichts – das Verkehrsaufkommen hat nicht nur mit dem Stau zu tun, sondern die Autoposer wollen am See sehen und gesehen werden. Das ist leider Fakt», so Raths weiter.
Für den Schreibenden sind diese Massnahmen ohnehin sinnlos, wie er im Brief festhält. «Poser, Lärm, Dreck und Gestank entwickeln sich grenzenlos und die sichtlich miss-gemanagte Stadt Rorschach schaut mit ihrer ‚Top-Verwaltung‘ (Eigenwerbung Raths) tatenlos und wie gelähmt zu. Bisher blieb schon jahrelang alles bei leeren Worten. Warum ist es notwendig, den Kabisplatz umzugestalten, wenn eine solch grässliche, schmuddelige Hafenmeile bestehen bleibt?» Immerhin muss er den «Kabisplatz» und die «versiffte Stadt» bald nicht mehr ertragen. Wie er ganz zum Schluss festhält, hätte er «kürzlich ein schönes Objekt in einer besser geführten Nachbargemeinde erworben». Und Reisende sollte man schliesslich nicht aufhalten.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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