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Autor Dani Egger

Schicksale im Zweiten Weltkrieg: Dieser Ostschweizer hat ihnen ein ganzes Buch gewidmet

In seinem aktuellen Buch widmet sich der Ostschweizer Dani Egger den Landungen und Abstürzen von fremden Militärflugzeugen in der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs. So kam er auch in Kontakt mit Zeitzeugen, was zu emotionalen Begegnungen führte.

Marcel Baumgartner am 17. April 2024

Nachdem sich Dani Egger in seinem ersten Buch, das inzwischen ausverkauft ist, auf die Ostschweiz fokussiert hat, weitete er in seinem zweiten Werk den Blickwinkel auf die gesamte Schweiz aus. In seinem knapp 300 Seiten umfassenden Buch dokumentiert er mit Texten und zahlreichen Bildern jedes einzelne Militärflugzeug, das während den Kriegsjahren 1939 bis 1945 in der neutralen Schweiz abgestürzt oder gelandet ist.

Dani Egger, wie kommt man dazu, sich einem solchen Thema zu widmen? Ist es das Interesse an der Geschichte, an Flugzeugen oder gar am Krieg?

Es ist die Mischung aus Geschichte und Flugzeugen. Bei einem USA-Aufenthalt sah ich in einem Bücherregal ein Buch. Dieses zeigte auf der Titelseite Militärflugzeuge mit einem Schweizer Kreuz. Da bin ich zum ersten Mal auf die Ereignisse der amerikanischen Kriegsvögel (warbirds) in der Schweiz gestossen. Das Thema hat mich von Beginn weg interessiert. Ich merkte schnell, dass diese Ereignisse kaum jemanden bekannt waren. Und so begann ich mit den ersten Recherchen. Dabei geht es mir um die Geschichten von Menschen und Maschinen.

Ich stelle es mir relativ schwierig vor, hier für ein Buch an fundiertes Text- und Bildmaterial heranzukommen. Wo und wie haben Sie angefangen?

Nach meiner Rückkehr in die Schweiz lernte ich eine Person kennen, die sich seit mehreren Jahren mit dem Thema befasst. Durch diesen Kontakt lernte ich weitere Personen kennen, die sich für diesen Teil der Schweizergeschichte interessierten. Durch ihre «Vorarbeit» hatte ich schnell Zugriff auf Bildmaterial, Dokumente, Zeitungsausschnitte. Und so begann ich mit dem Aufbau einer Datenbank. Schnell war klar, dass ich die gesammelten Informationen weiteren Interessierten zur Verfügung stellen wollte. Und so begann ich mit dem Aufbau der Website warbird.ch. Die Produktion der beiden Bücher «Fremde Flugzeuge in der Ostschweiz» 2014 und «Fremde Flugzeuge in der Schweiz» 2018 waren dann meine weiteren Projekte. Dank des Internets recherchiere ich aktuell in verschiedensten Archiven sowie auf Websites. Der Austausch untereinander ist ebenfalls sehr informativ.

Hatten Sie auch Begegnungen mit Menschen, die gewisse Ereignisse noch selbst miterlebt haben?

Im Zuge der Recherche zum ersten Buch konnte ich einige Zeitzeugen persönlich treffen. Alle erzählten mit funkelnden Augen von ihren Erlebnissen. Sie waren zu jener Zeit Kinder und für sie war das ein grosses Abenteuer. Hier ein Beispiel: Nach einer Notlandung rannten die Kinder zum Flugzeug und deren Besatzung. Es hatte sich herumgesprochen, dass die Amis «Chewing gum» hätten. Diese verteilte die Mannschaft auch bereitwillig. Nur – die Kaugummis beinhalteten Aufputschmittel für den langen Flug. So schliefen die Kinder in der Nacht kaum – dafür am nächsten Tag im Schulunterricht.

Ebenfalls hatte ich Kontakt mit einem amerikanischen Piloten. Ihn plagten seit seiner Landung 1945 Gewissensbisse, ob er zu jenem Zeitpunkt richtig gehandelt hatte. Dank meiner Unterlagen (Bericht über den Zustand des Flugzeuges) erhielt er sechzig Jahre später die Bestätigung, dass er mit seiner Landung in der Schweiz der ganzen Besatzung das Leben gerettet hat. Er schrieb das Vorwort zu meinem ersten Buch.

Was bleibt Ihnen aus emotionaler Sicht am meisten in Erinnerung?

Die Liebesgeschichte einer Schweizerin und eines amerikanischen Piloten. Sie sahen sich zum ersten Mal in einem Café in Davos. Es war jedoch keine Verständigung möglich. Das zweite Mal trafen sie sich in einer Buchhandlung – beide kauften ein Wörterbuch Englisch/Deutsch, um eine Konversation zu ermöglichen. Auch nach der Rückkehr des Amerikaners in die Vereinigten Staaten blieben die beiden in Briefkontakt. Als die Schweizerin ihrer Mutter von ihren Ausreiseplänen erzählte, drohte ihr diese mit der Enterbung. Das verzögerte zuerst ihre Pläne, hinderte sie jedoch nicht lange; sie reiste in die Staaten und heiratete dort ihren Piloten. Als Paar kehrten die beiden immer wieder zurück in die Schweiz. Und der Amerikaner beschrieb dann so sein Glücksgefühl: Es gibt nichts Schöneres, als über den Bodensee zu schauen, eine Bratwurst und anschliessend eine Cremeschnitte zu essen.

Ihr erstes Buch mit Fokus auf die Ostschweiz ist inzwischen ausverkauft. Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet?

Nein – überhaupt nicht. Da die Ostschweiz jedoch näher am Kriegsgeschehen war und sich in diesem Gebiet einige Landungen, Notlandungen und Abstürze ereigneten, waren die Erinnerungen noch lebendig. So war das Interesse an diesem Thema für mich überraschend gross. Auch hatte ich eine breite mediale Präsenz, was natürlich bei der Bekanntmachung meines Werkes sehr geholfen hat.

Sie dürften ja mit beiden Werken eine eher kleine Zielgruppe ansprechen …

Es war von Beginn weg schwierig abzuschätzen, ob das Thema interessiert. Nur – es gibt natürlich die verschiedensten Gründe, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Auf der anderen Seite sind die Ereignisse beinahe unbekannt und geraten immer mehr in Vergessenheit. Auch heute noch gibt es viele Personen, die von diesen Geschichten keine Kenntnis haben. Da habe ich eine klitzekleine Lücke in der Geschichte unseres Landes gefunden, die eben doch viele Menschen interessiert und die mehr wissen wollen.

Können Sie beziffern, wie viel Zeit Sie für die Umsetzung investiert haben?

Das hat mich nie interessiert. Es war ja auch ein fliessender Übergang von der Freizeitbeschäftigung zum Projekt. Plus: Die beiden Buchprojekte habe ich während der Zeit umgesetzt, als ich auf Stellensuche war. Ebenfalls konnte ich meine Lebenspartnerin als Grafikerin für das Projekt gewinnen. Ohne ihre tatkräftige Unterstützung wäre die Umsetzung nie möglich gewesen.

Gab es auch Rückschläge, Momente, in denen Sie angestanden sind?

Bis die Idee als Projekt skizziert war, gab es Momente der Unsicherheit. Ich habe alle Situationen immer wieder im Team besprochen. So habe ich vorgängig verschiedenste Szenarien abgewogen, mit Aussenstehenden diskutiert und dann entschieden. Meine Berufserfahrung und meine positive Einstellung waren dabei ebenfalls sehr hilfreich.

Das Thema ist nun ja eigentlich «auserzählt». Schwirren bei Ihnen dennoch noch weitere Projektideen im Kopf herum?

Das Thema ist für mich (mindestens) im Moment abgeschlossen. Ich sammle weiterhin Unterlagen und stelle diese Informationen Interessierten zur Verfügung. Über neue, bisher unbekannte Geschichten freue ich mich nach wie vor. Eine vage Idee habe ich schon noch: Auf der Grundlage eines speziellen Ereignisses möchte ich die Geschichte eines Menschen und einer Maschine erzählen. Dabei kann ich mir sehr gut einen gezeichneten oder animierten Comic vorstellen.

Das Buch «Fremde Flugzeuge in der Schweiz, 1939 – 1945» kann hier bestellt werden.

«Die Ostschweiz» wird in den nächsten Wochen in einer Serie einige Auszüge aus dem Buch publizieren.

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Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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