An Warnhinweise auf Zigarettenpackungen haben wir uns bereits gewöhnt. Sehen wir solche «Informationen» bald auch auf Bierdosen und Weinflaschen? Wir haben bei regionalen Produzenten und Lieferanten nachgefragt.
Irland führt sie 2026 ein, die EU prüft sie: Warnhinweise, die auf die Gefahren von Alkohol hinweisen. Angebracht werden sollen sie auf Flaschen und Dosen sowie hinter Bartresen.
Die Stiftung Sucht Schweiz würde gerne noch weitergehen und fordert unter anderem auch die Einführung eines nationalen Nachtverkaufsverbots für Alkohol sowie eine Erhöhung der Preise. Unterstützt wird sie vom BAG, das in der Einschränkung der Werbung für Alkohol einen weiteren Ansatz ins Feld führt.
Gemäss einem Bericht von «20 Minuten» unterstützen vor allem linke Politikerinnen und Politiker entsprechende Ideen. Gegenwehr gibt es unter anderem von FDP-Nationalrat Marcel Dobler, der in solchen Ansätzen eine Überbehütung und Bevormundung von Bürgern sieht. Er stellt auch die Wirkung in infrage.
Wie aber sehen es Bierproduzenten und Weinhändler? Müssen sich einen Einbruch ihres Geschäfts befürchten? Oder unterstützen sie gar solche Massnahmen? Und wie sehen sie es grundsätzlich mit den Gefahren des Alkohols?
Eine klare Meinung vertritt Jan Martel, Geschäftsführer der Weinhandlung Martel AG mit Sitz in St.Gallen: «Übermässiger Alkoholkonsum ist gefährlich. Martel steht für moderaten Weingenuss mit Leidenschaft und Interesse für Weinkultur. Darum geht es uns. Insofern halten wir einen Warnhinweis auf Weinflaschen für unangebracht.»
Kajo Vogelsanger, Inhaber und Geschäftsführer der Vogelsanger Weine AG, äussert sich ähnlich: «Als Weinhandlung steht für uns der Genuss und nicht der Konsum im Vordergrund. Ich persönlich begrüsse die Anstrengungen von Organisationen wie Stiftung Sucht Schweiz, dem BAG und Politikerinnen und Politikern, die sich für Gesundheit und Wohlbefinden von und Schweizerinnen und Schweizern einsetzen. Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass wir beim Thema Alkohol mit Information, Prävention und der Förderung von Selbstverantwortung mehr erreichen als durch Verbote. Beim Wein ist es wie bei jedem Genussmittel: Es soll und darf bewusst und massvoll konsumiert werden.»
Auf Anfrage von «Die Ostschweiz» verweist die Brauerei Schützengarten auf den Schweizer Brauerei-Verband. Direktor Marcel Kreber lehnt gewisse Vorgaben klar ab. Er sagt zwar: «Der Schweizer Brauerei-Verband und seine Mitglieder stehen für einen genussvollen und moderaten Konsum unserer Biere ein. Deswegen finden sich auf den Etiketten der Bierflaschen auch Hinweise wie: "verantwortungsvoll geniessen".»
Im Verhaltenskodex für Werbung und Kommunikation (https://bier.swiss/verband/verhaltenskodex/) sei zudem auch selbstverantwortlich von den Brauereien klar festgelegt: "Die Kommunikation darf weder einen übermässigen oder unvernünftigen Konsum fördern, noch Abstinenz oder massvollen Alkoholkonsum herabsetzen."
Aber für Kreber steht auch fest: «Massnahmen wie die angesprochenen Schockbilder, Nachtverkaufsverbote, Mindestpreise usw. lehnen wir klar ab.»
Von einer komplexen Fragestellung, die verschiedene Aspekte des individuellen Verhaltens, der gesellschaftlichen Verantwortung und der Rolle des Staates berührt, spricht Ernst Wanner von der Brauerei Locher AG in Appenzell.
Es sei wichtig, diese Aspekte sorgfältig abzuwägen, um angemessene Lösungen zu finden.
Die Frage nach der Eigenverantwortung und individuellen Freiheit stehe im Zentrum.
Wanner ist überzeugt: «Erwachsene sollten die Fähigkeit haben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, solange sie über ausreichende Informationen verfügen. Die Alkoholgesetzgebung betreffend Bier in der Schweiz umfasst verschiedene Bestimmungen, die den Verkauf, die Werbung, den Konsum und die Herstellung von Bier bereits umfassend regeln. Warnhinweise könnten als unnötige Einmischung des Staates angesehen werden und zu einer Überbehütung der Bürger führen.»
Die Wirksamkeit solcher Massnahmen ist auch für Ernst Wanner umstritten, da sie laut ihm eher nur begrenzte Auswirkungen auf das tatsächliche Konsumverhalten haben dürften.
«Grundsätzlich stellen wir uns auf den Standpunkt, dass die Mündigkeit der Bürger über Bildung gefördert werden soll. Es ist ja nicht so, dass Bier per se ungesund ist», so Wanner weiter. Auch die soziale Komponente sollte beachtet werden. «Durch die Förderung des geselligen Zusammenseins, sei es an der Bar, am Stammtisch oder zu Hause unter Freunden. In Zeiten zunehmender Individualisierung und Vereinsamung und den daraus resultierenden psychischen Krankheiten darf die integrierende Wirkung nicht vergessen werden», schliesst Wanner.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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