Ein Dozent der Fachhochschule St.Gallen äussert sich kritisch zur «Ehe für alle». Es folgt auf den sozialen Medien ein veritabler Shitstorm - bis hin zur Forderung nach seiner Entlassung. Nun will ein Nationalrat vom Bundesrat wissen, wie Leute in solchen Funktionen geschützt werden können.
Das Ganze begann harmlos. Auf Facebook brachte der Ausserrhoder Nationalrat David Zuberbühler (SVP) das vor kurzem aktuelle Thema der «Ehe für alle» auf. Hansruedi Tremp, Dozent an der Fachhochschule St.Gallen, kommentierte den Beitrag. Er sprach sich dort dagegen aus. Die «Ehe für alle» sei eine «Fehlentwicklung», meinte er unter anderem.
Die Äusserungen des FHSG-Dozenten machten die Runde in den sozialen Medien und ernteten massive Reaktionen. Gleich reihenweise wurde aus studentischen Kreisen unter anderem gefordert, die Fachhochschule solle den Mann in den Senkel stellen oder gar fristlos entlassen. Das geschah nicht, allerdings distanzierte sich die Arbeitgeberin von ihrem Dozenten beziehungsweise von seiner Haltung.
Mittlerweile scheint Gras über die Sache gewachsen zu sein. Zumindest direkt vor Ort. In Bern hingegen bleibt sie aktuell. Andreas Gafner, Nationalrat der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU), einer konservativ-christlich geprägten Kleinpartei, hat am 18. Juni 2020 eine Interpellation eingereicht. Der Titel: «Kontra-Position zur Ehe für alle als Karriererisiko akzeptieren?» Darin stellt er dem Bundesrat verschiedene Fragen. Er geht dabei nicht in erster Linie auf den Shitstorm durch Private ein, sondern auf die Tatsache, dass sich die FHSG von ihrem Dozenten distanziert und betont hat, er liege mit seinen Äusserungen nicht auf der Linie der Institution.
Unter anderem will Gafner wissen, wie die Landesregierung es beurteilt, «dass Dozenten, Lehrpersonen und Staatsangestellte im Allgemeinen offensichtlich damit rechnen müssen, dass sich ihr staatlicher Arbeitgeber von ihnen wegen einer legitimen privaten Meinungsäusserung distanziert?» Weiter fragt der EDU-Nationalrat, mit welchen Massnahmen, das Recht auf freie Meinungsäusserung verteidigt werden soll und wie wie man dafür sorgen könne, dass private Äusserungen keine beruflichen Nachteile nach sich ziehen.
Die Tatsache, dass die Fachhochschule St.Gallen offenbar interne Grundlagenpapiere mit definierten Haltungen zu solchen ethischen Fragen hat, kritisiert Andreas Gafner ebenfalls. Die FHSG berief sich bei ihrer Distanzierung auf Grundsätze zur Diversität, die sie verfolge. Darin sieht der Nationalrat einen möglichen Verstoss gegen die Meinungs- und Informationsfreiheit in der Bundesverfassung.
Die Interpellation wurde von drei anderen Nationalräten mitunterzeichnet, allesamt aus der SVP, unter ihnen auch der Ausserrhoder David Zuberbühler, auf dessen Facebookseite das Ganze seinen Lauf nahm.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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