Schnell haben sich salonfähige Bezeichnungen wie Covidiot und Schwurbler als Oberbegriff für all jene etabliert, die die Sinnhaftigkeit einiger Massnahmen anzweifeln und sich mit dem Thema Impfung schwer tun. Machen wir doch den Vergleich mit einer Schafherde. Ein Gastkommentar von Marc Hürbin.
Sind Sie schon vollständig geimpft? Dieser Frage werden sich Herr und Frau Schweizer demnächst wohl vermehrt stellen müssen, egal ob sie im Kino den neuesten Blockbuster geniessen, im Restaurant gemütlich zu Abend essen oder bei einem Rock-Festival endlich wieder mal ein ordentliches Fass aufmachen wollen. Und obwohl die Impfkampagne trotz „niedrigschwelliger Angebote“ derzeit ins Stocken gerät, wird schon jetzt die Mehrheit der Bevölkerung stolz ihren Impfausweis hervorholen, und manch einer krempelt vielleicht seinen Ärmel hoch, reisst sich mit zusammengekniffenen Augen das Pflaster von seinem haarigen Oberarm ab und präsentiert in heroischer Pose die liebgewonnene Einstichstelle.
Ja, ich gehöre dazu. Ja, ich habe mich freiwillig impfen lassen.
Oder wie Arnold Schwarzenegger in einem Akt gelebter Solidarität und in steirisch angehauchtem Englisch vor Kurzem treffend formulierte: Put that needle down! Nun, wenn sogar der Terminator meint, dass er sich gegen Corona schützen muss, was soll dann die ganze Diskussion? Da passt es ja eigentlich ganz gut, dass derzeit keine echte Diskussion geführt wird. Sondern ein Monolog der „Erleuchteten“, der keine Gesprächspartner billigt und keinen Meinungsaustausch zulässt.
Wie die aktuellen Zahlen belegen, gibt es aber noch viele, die nicht zum erlauchten Kreis der Vakzinierten gehören. Die Gründe für oder gegen eine Impfung mögen noch so vielfältig sein, doch bei der Differenzierung machen es sich viele erstaunlich einfach: Entweder man ist dafür oder dagegen. Eindringlich wird deshalb bereits vor einer Spaltung in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft gewarnt.
Dabei bleibt leider völlig unbeachtet, dass es eigentlich drei Lager sind: Die Impfwilligen, die Impfverweigerer, und die Impfskeptiker. Während die Geimpften und alle, die sich ganz klar gegen eine Impfung aussprechen, ihre Entscheidung bereits getroffen haben, wird die grosse Masse an Impfskeptikern gänzlich ausgeblendet. Das mag daran liegen, dass es in dieser speziellen Situation einfacher und vor allem zweckmässig scheint, alle Kritiker gemeinsam in den gleichen Topf zu schmeissen.
Schnell haben sich salonfähige Bezeichnungen wie Covidiot und Schwurbler als Oberbegriff für all jene etabliert, die die Sinnhaftigkeit einiger Massnahmen anzweifeln und sich mit dem Thema Impfung schwer tun. Die unablässigen Versuche, die Unentschlossenen nach allen Regeln der Kunst zu beeinflussen, gipfeln zuweilen in einer Fülle von lächerlich anmutenden, fragwürdigen Impf-Angeboten. Doch um die Skeptiker unter uns zu erreichen, müsste man sie zuallererst einmal ernst nehmen und versuchen ihren Standpunkt zu verstehen. Und sich mit der Definition „Skeptiker“ eingehender befassen. Was genau ist denn ein Skeptiker? Lassen Sie mich hier einen profanen aber dennoch zutreffenden Vergleich zu einer Schafherde ziehen.
Der Schäfer sagt: Spring!
Das Herden-Schaf fragt: Wie hoch?
Das Skeptiker-Schaf fragt: Warum?
Das Verweigerer-Schaf macht einen Sitzstreik.
Die Herden-Schafe werden dem Schäfer jederzeit bereitwillig folgen, egal wie hoch und wohin sie springen oder laufen müssen. Die Verweigerer-Schafe springen und laufen nirgendwo hin, deshalb werden sie derzeit des öfteren unter erheblichem Aufwand von emsigen Herden-Bewachern in den Stall getragen. Aber was ist mit den Skeptiker-Schafen? Die bleiben vorerst auf der Weide stehen und warten darauf von einem Schäfer abgeholt zu werden, dem sie vertrauen können.
Gleich verhält es sich mit unserer Gesellschaft. Skeptiker sind nicht Menschen, die aus Prinzip gegen den Strom schwimmen. Wir sind nicht aus Überzeugung gegen etwas (mal abgesehen von der Bereitschaft, alles einfach für bare Münze zu nehmen ohne zu hinterfragen). Skeptiker wollen Antworten. Nun, an Antworten mangelt es derzeit nicht. Wir werden täglich geradezu überschüttet mit neuen Auswertungen, Hochrechnungen und Erkenntnissen, die ungefiltert und ohne Überprüfung in die weite Welt hinausgetragen werden. Viele Antworten, die eigentlich keine sind, auf Fragen, die wir nicht stellen dürfen. Erkennen Sie das Dilemma?
Die einzige Frage, die derzeit noch von Belang und erlaubt zu sein scheint, ist, wie man möglichst viele Menschen von einer Impfung überzeugen kann. Und hier versagen Wissenschaftler wie auch Politiker gleichermassen. Statt sich den Vorbehalten vieler Mitbürger ehrlich zu stellen, dabei auch kritische Stimmen zuzulassen, um durch eine glaubhafte Argumentation allfällige Bedenken vielleicht aus dem Weg zu räumen, werden Impf-Unschlüssige schon seit Beginn der Kampagne mit breit angelegter Impf-Werbung und der Aussicht auf Impf-Privilegien aus der Reserve gelockt.
Wie beispielsweise die Aussicht auf ungehindertes Reisen in ferne Länder, die anfänglich zu den hauptsächlichen Argumenten gehörte, warum sich jemand impfen lassen sollte, die sich bei nüchterner Betrachtungsweise jedoch als leeres Versprechen entpuppt. Gleiches gilt für die ehemals prognostizierte Wahrscheinlichkeit, der Pandemie mit einer flächendeckenden Impfung den Garaus zu machen. Wie neuerdings bekannt wird, können sich Geimpfte weiterhin infizieren, dabei hochansteckend sein, und unter gegebenen Umständen – besser bekannt als Impfdurchbruch – immer noch einer Erkrankung erliegen, die mit Covid-19 „in Verbindung gebracht werden kann.“ Doch obwohl nun nicht alles ganz so toll ist, wie man uns anfänglich weiss machen wollte, wird uns die Impfung weiterhin als der „erlösende Pieks“ verkauft, dessen „offensichtliche“ Vorteile die möglichen Nachteile auf jeden Fall überwiegen. Ob das auch noch für die 4. und 5. Impfung gilt? Oder für einen 20jährigen Sportler, der vielleicht völlig unbemerkt bereits eine Infektion durchgemacht hat und nun über eine auf natürlichem Wege entstandene Immunabwehr verfügt? Antworten darauf werden uns die Verantwortlichen schuldig bleiben, weil die Fragen dazu nicht gestellt werden.
Fragen gehört sich einfach nicht in diesen Zeiten. Stattdessen sollen noch vorhandene Hemmschwellen und Zweifel durch einen „vereinfachten Zugang“ zu Impfstoffen abgebaut und die Impfkampagne durch „attraktive Impfangebote“ angekurbelt werden. Impf-Disco am Freitagabend, Impf-Lotto bei Roger Schawinski, eine kostenlose Bratwurst mit Senf für Impfwillige aus der Nachbarschaft oder – der neueste Gag aus unserem Nachbarland - ein kostenloser Vergnügungspark für Nürnberger Impflinge ab zwölf Jahren. Mit Blick auf ihre Impfziele scheuen Regierungen offenbar nicht davor zurück, die bislang so eifrig propagierte Ernsthaftigkeit dieser Pandemie nun mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu untergraben. Das Corona-Volksfest für die „geladenen“ Gäste ist eröffnet, mit Freibier und Autoscooter auf Staatskosten! Mancher Skeptiker fühlt sich dabei an frühere Zeiten erinnert, als noch das Prinzip von Brot und Peitsche galt. Heute sind es Wurstsemmel und Spritze. Ein Unterschied ist dabei für einige von uns kaum noch auszumachen.
In diesem Sinne: Versuchen Sie gesund zu bleiben, egal wie Sie das anstellen. Und rennen Sie nicht gleich zum nächsten Impfzentrum falls Sie Hunger haben. Dagegen hilft auch ein Stück Brot.
Marc Hürbin (*1974) aus Zuzgen ist Unternehmer. Seine Firma hat sich auf auf kundenspezifische Maschinenbauteile spezialisiert.
Bei uns publizieren Autorinnen und Autoren mit Expertise und Erfahrung zu bestimmten Themen Gastbeiträge. Diese müssen nicht zwingend mit der Meinung oder Haltung der Redaktion übereinstimmen.
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