Die Spitalstrategie der St.Galler Regierung unter dem Namen «4plus5» ist für die Gemeinde Flawil ein Modell «4plus0». Der direkte Austausch zwischen Regierung und Gemeinderat scheint letzteren nicht überzeugt zu haben: Er läuft weiter Sturm gegen die geplante neue Strategie.
Das Spital Flawil ist eines der fünf «Opfer» der neuen St.Galler Spitalstrategie. Während die vier Standorte Grabs, Uznach, Wil und St.Gallen weiter als Spitäler mit einem stationären Angebot geführt werden sollen, würden aus Flawil, Wattwil, Rorschach, Altstätten und Walenstadt sogenannte regionale Gesundheits- und Notfallzentren entstehen. Das griffige Kürzel für dieses Modell lautet «4plus5».
Der Gemeinderat Flawil schreibt nun in einer Stellungnahme aber von «4plus0». Man akzeptiere, dass es Veränderungen brauche in der Spitallanschaft. Flawil habe aber schon im Mai 2018, als das Grobkonzept des Verwaltungsrats der Spitalverbunde öffentlich wurde, gesagt, dass man Hand biete für diesen Veränderungsprozess. Zum Beispiel, indem man die medizinischen Angebote, Dienstleistungen und Kompetenzen auf den Prüfstand stellt - aber auf eine Schliessung verzichtet.
Darauf laufe aber die vorgesehene Strategie hinaus. Die Regierung spricht zwar von einer Umwandlung der Landspitäler, für Flawil entstehen so aber «Arztpraxen mit 24-Stunden-Betrieb» - was mit einem Spital nicht mehr viel zu tun hat. Die St.Galler Regierung mache es sich damit zu einfach, es brauche individuelle Lösungen für die fünf Standorte, um die es geht. «Wattwil hat als Zentrum des Toggenburgs ganz andere Bedürfnisse als Rorschach. Oder in Walenstadt sind die Versorgungsstrukturen nahe am Kanton Graubünden wiederum ganz anders als in Altstätten», schreibt der Gemeinderat. Auch für Flawil müsse eine passende Lösung gefunden werden. Und weiter heisst es in der Stellungnahme: «Es ist bezeichnend, dass die untaugliche Standardlösung der Regierung weder mit den Hausärzten der Region noch mit den Verantwortlichen des Wohn- und Pflegeheims abgesprochen ist.»
Der Flawiler Gemeinderat wehrt sich auch gegen die Darstellung, mit der Umwandlung - oder Schliessung - des Spitals Flawil werde das Spital Wil gestärkt. Das sei «ein fataler Irrtum». Dazu wird ein Vergleich herangezogen. Vor 15 Jahren wurde die Geburtenabteilung am Spital Flawil geschlossen in der Hoffnung, dass nun die Zahl der Geburten in Wil entsprechend zunehmen werde. Dem sei aber nicht so gewesen. Stattdessen profitieren die Spitäler in Herisau und St.Gallen von mehr Geburten aus Flawil. Für den Gemeinderat steht fest: «Die Patientinnen der Region Gossau–Flawil–Uzwil werden sich nach St.Gallen oder in Privatspitäler orientieren, aber kaum nach Wil.»
In Flawil kommt dazu, dass die Gespräche über eine Zusammenarbeit mit einer Privatklinikgruppe, der Swiss Medical Network, weit gediehen waren, bevor die neue Strategie vorgestellt wurde. Die Regierung hält nichts davon, der Gemeinderat spricht von einer «massgeschneiderten und zukunftsfähigen Lösung für das Spital Flawil.» Man habe bei der Erarbeitung des Konzepts auch Hausärzte der ganzen Region sowie die Verantwortlichen des Wohn- und Pflegeheims eingebunden.
Die Angst der Regierung, bei der Übernahme von Flawil durch einen privaten Anbieter könnte das Spital Wil konkurrenziert werden, teilt der Gemeinderat nicht. Die Spitalliegenschaft könnte laut ihm gewinnbringend verkauft werden und würde damit nicht jahrelang leer stehen. Und gleichzeitig könnte man beim Spital Wil auf einen Teil der baulichen Investitionen verzichten, die geplant sind. Der Gemeinderat weiter: «Und kaum zu glauben: Bei einem Verkauf des Spitals Flawil an SMN würde der Kanton gemäss seinen eigenen Berechnungen jedes Jahr vier Millionen Franken einsparen.»
Dass der Gemeinderat die Lösung mit der Privatklinikgruppe favorisiert, erstaunt nicht. Diese sieht vor, dass rund die Hälfte der heute knapp 80 Spitalbetten für die Akutpflege erhalten bleiben. Auch das Wohn- und Pflegeheim ist ins Konzept eingebunden, 20 Betten würden als Reha- beziehungsweise Geriatriebetten genutzt. Die Notfallstation wäre ebenfalls Bestandteil, dazu kommen Räume für spezialisierte Ärzte.
Alles in allem wird deutlich: In Flawil ergibt man sich nicht dem Schicksal. Und steht weiterhin hinter dem Angebot der Swiss Medical Network. Die St.Galler Regierung hat wiederum keinen Hehl daraus gemacht, dass ein solcher Verkauf an einen privaten Anbieter der gewählten Strategie zuwider laufen würde.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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