logo

«Regierung macht es sich zu einfach»

Spitäler: Flawil provoziert und spricht von «4plus0»

Die Spitalstrategie der St.Galler Regierung unter dem Namen «4plus5» ist für die Gemeinde Flawil ein Modell «4plus0». Der direkte Austausch zwischen Regierung und Gemeinderat scheint letzteren nicht überzeugt zu haben: Er läuft weiter Sturm gegen die geplante neue Strategie.

Stefan Millius am 30. Oktober 2019

Das Spital Flawil ist eines der fünf «Opfer» der neuen St.Galler Spitalstrategie. Während die vier Standorte Grabs, Uznach, Wil und St.Gallen weiter als Spitäler mit einem stationären Angebot geführt werden sollen, würden aus Flawil, Wattwil, Rorschach, Altstätten und Walenstadt sogenannte regionale Gesundheits- und Notfallzentren entstehen. Das griffige Kürzel für dieses Modell lautet «4plus5».

Der Gemeinderat Flawil schreibt nun in einer Stellungnahme aber von «4plus0». Man akzeptiere, dass es Veränderungen brauche in der Spitallanschaft. Flawil habe aber schon im Mai 2018, als das Grobkonzept des Verwaltungsrats der Spitalverbunde öffentlich wurde, gesagt, dass man Hand biete für diesen Veränderungsprozess. Zum Beispiel, indem man die medizinischen Angebote, Dienstleistungen und Kompetenzen auf den Prüfstand stellt - aber auf eine Schliessung verzichtet.

Darauf laufe aber die vorgesehene Strategie hinaus. Die Regierung spricht zwar von einer Umwandlung der Landspitäler, für Flawil entstehen so aber «Arztpraxen mit 24-Stunden-Betrieb» - was mit einem Spital nicht mehr viel zu tun hat. Die St.Galler Regierung mache es sich damit zu einfach, es brauche individuelle Lösungen für die fünf Standorte, um die es geht. «Wattwil hat als Zentrum des Toggenburgs ganz andere Bedürfnisse als Rorschach. Oder in Walenstadt sind die Versorgungsstrukturen nahe am Kanton Graubünden wiederum ganz anders als in Altstätten», schreibt der Gemeinderat. Auch für Flawil müsse eine passende Lösung gefunden werden. Und weiter heisst es in der Stellungnahme: «Es ist bezeichnend, dass die untaugliche Standardlösung der Regierung weder mit den Hausärzten der Region noch mit den Verantwortlichen des Wohn- und Pflegeheims abgesprochen ist.»

Der Flawiler Gemeinderat wehrt sich auch gegen die Darstellung, mit der Umwandlung - oder Schliessung - des Spitals Flawil werde das Spital Wil gestärkt. Das sei «ein fataler Irrtum». Dazu wird ein Vergleich herangezogen. Vor 15 Jahren wurde die Geburtenabteilung am Spital Flawil geschlossen in der Hoffnung, dass nun die Zahl der Geburten in Wil entsprechend zunehmen werde. Dem sei aber nicht so gewesen. Stattdessen profitieren die Spitäler in Herisau und St.Gallen von mehr Geburten aus Flawil. Für den Gemeinderat steht fest: «Die Patientinnen der Region Gossau–Flawil–Uzwil werden sich nach St.Gallen oder in Privatspitäler orientieren, aber kaum nach Wil.»

In Flawil kommt dazu, dass die Gespräche über eine Zusammenarbeit mit einer Privatklinikgruppe, der Swiss Medical Network, weit gediehen waren, bevor die neue Strategie vorgestellt wurde. Die Regierung hält nichts davon, der Gemeinderat spricht von einer «massgeschneiderten und zukunftsfähigen Lösung für das Spital Flawil.» Man habe bei der Erarbeitung des Konzepts auch Hausärzte der ganzen Region sowie die Verantwortlichen des Wohn- und Pflegeheims eingebunden.

Die Angst der Regierung, bei der Übernahme von Flawil durch einen privaten Anbieter könnte das Spital Wil konkurrenziert werden, teilt der Gemeinderat nicht. Die Spitalliegenschaft könnte laut ihm gewinnbringend verkauft werden und würde damit nicht jahrelang leer stehen. Und gleichzeitig könnte man beim Spital Wil auf einen Teil der baulichen Investitionen verzichten, die geplant sind. Der Gemeinderat weiter: «Und kaum zu glauben: Bei einem Verkauf des Spitals Flawil an SMN würde der Kanton gemäss seinen eigenen Berechnungen jedes Jahr vier Millionen Franken einsparen.»

Dass der Gemeinderat die Lösung mit der Privatklinikgruppe favorisiert, erstaunt nicht. Diese sieht vor, dass rund die Hälfte der heute knapp 80 Spitalbetten für die Akutpflege erhalten bleiben. Auch das Wohn- und Pflegeheim ist ins Konzept eingebunden, 20 Betten würden als Reha- beziehungsweise Geriatriebetten genutzt. Die Notfallstation wäre ebenfalls Bestandteil, dazu kommen Räume für spezialisierte Ärzte.

Alles in allem wird deutlich: In Flawil ergibt man sich nicht dem Schicksal. Und steht weiterhin hinter dem Angebot der Swiss Medical Network. Die St.Galler Regierung hat wiederum keinen Hehl daraus gemacht, dass ein solcher Verkauf an einen privaten Anbieter der gewählten Strategie zuwider laufen würde.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.