Im August 2015 brennen mehrere Hallen auf dem Raduner-Areal in Horn nieder. Der Verdacht der Brandstiftung wurde schnell laut. Seither aber blieb es leise. Und einige mögliche Zeugen wundern sich, dass sie in den über drei Jahren nie nach ihren Beobachtungen gefragt wurden.
Der Auslöser war eigentlich ein ganz anderer. Nach dem Artikel in «Die Ostschweiz» über eine Rechtsverschleppung durch die Staatsanwaltschaft Bischofszell meldeten sich mehrere Personen, die glauben, ähnliches zu erleben - mit derselben Behörde, aber in völlig anderem Zusammenhang.
Es geht um den Grossbrand in Horn im August 2015, dem mehrere Hallen auf dem Raduner-Areal zum Opfer fielen. Die Sache machte Schlagzeilen, es war zumindest optisch ein regelrechtes Inferno. Verschiedene Hallenmieter gehörten zu den Opfern - und zwar auf existenzbedrohende Weise. Sie wollten begreiflicherweise schnell wissen, wie das geschehen konnte, nur schon gegenüber der Versicherung. Zumindest in den Fällen, in denen das Hab und Gut versichert war.
Wenige Monate später wurde einer der Mieter, der selbst Flächen untervermietet hatte, in Untersuchungshaft genommen. Gegen Ernst M. wurde wegen Brandstiftung und Betrug ermittelt. Ein ziemlich schneller scheinbarer Ermittlungserfolg. Nur ist seither zumindest gegen aussen kaum mehr etwas geschehen.
Ermittelt wurde durchaus. Einer der Mieter legte «Die Ostschweiz» die Vorladungen in diesem Strafverfahren vor, die er erhalten hatte. Ende 2015 und dann wieder im Herbst 2016 musste er antraben, einmal bei der Staatsanwaltschaft Bischofszell und dann auf dem Polizeikommando Frauenfeld.
Damit war er nicht alleine. Entscheidender ist allerdings, wer alles nicht vorgeladen wurde. Darunter befinden sich Personen, die in der Nähe der Brandstelle wohnen und allenfalls wertvolle Hinweise geben könnten.
Eine Drohnenaufnahme vom Brand.
Zu ihnen gehört A.W., dessen Liegenschaft sich nur gerade rund 200 Meter von den abgebrannten Hallen befindet. Der Brand ereignete sich in der Nacht von Sonntag auf Montag, 3. August 2015. Am bewussten Sonntag habe er merkwürdige Geräusche gehört, so A.W. gegenüber «Die Ostschweiz». Und zwar solche, welche die Distanz zu seinem Haus inklusive einer Strasse dazwischen überwinden konnten.
«Es klang, wie wenn Holzbretter aneinander klatschen, wenn sie aufgeschichtet werden», schildert er aus der Erinnerung. Er sei kein neugieriger Typ und sei der Sache deshalb nicht auf den Grund gegangen.
Eine durchaus interessante Feststellung, vor allem, weil sie zeitlich eingegrenzt und mit Alibis abgeglichen werden kann.
Von sich aus gemeldet habe er das Ganze aber nicht. «Ich habe nie einen Aufruf oder dergleichen gesehen und bin davon ausgegangen, dass sich die Behörden von sich aus bei den Nachbarn melden irgendwann», so A.W. Zumal er während des Brandes als Zuschauer neben einem Verwaltungsangestellten der Gemeinde Horn gestanden sei und diesem von seiner Wahrnehmung erzählt habe. «Auch meine Nachbarn wurden nie angefragt.»
Für ihn sei klar, dass es zwischen den Holzgeräuschen und dem späteren Brand einen Zusammenhang geben. «Es ist doch sehr merkwürdig, dass an einem Sonntag mit Holz gearbeitet wird - und kurz darauf brennt es.»
Ein anderer Direktbetroffener, der vorgeladen worden war, betont, Polizei und Staatsanwaltschaft müssten Kenntnis vom Zeugen A.W. haben, dessen Name sei den Behörden mehrfach genannt worden.
Ernst M., der durch einen Selbstmordversuch Tage nach dem Brand den Verdacht auf sich gezogen hatte, wurde später aus der Untersuchungshaft entlassen. Wie üblich hiess es, dadurch sei der Tatverdacht nicht entkräftet, die Voraussetzungen für die U-Haft seien einfach nicht mehr gegeben.
Was den Fall so besonders macht: Indirekt «löste» der Brand einige Probleme. Das bestens gelegene Areal bietet gute Möglichkeiten für eine andere - lukrativere - Nutzung. Aber Rechtsverfahren standen solchen Plänen im Weg. Das Inferno bot die Chance, die Belastung des Geländes durch Chemikalien aus der Vergangenheit zu beseitigen und «frisch» zu machen für andere Pläne - quasi von Stand Null aus.
In einem Interview mit FM1today liess sich der Horner Gemeindepräsident Thomas Fehr zur Bemerkung hinreissen: «Das Areal war ein Schandfleck in unserer Gemeinde. Nun wird es endlich aufgeräumt.»
Der Grossbrand jährt sich im August zum vierten Mal. Das Areal wird irgendwann mit einer anderen Nutzung assoziiert werden, die früheren Mieter haben sich neu orientiert - und sitzen zum Teil auf einem Schuldenberg. Wer verantwortlich war, bleibt offen. Und das nun doch schon seit einer stolzen Zeit. A.W. seinerseits erwartet nicht, dass bei ihm noch jemand erfahren will, was er an jenem Sonntag gehört hat.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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