Manchmal geht es um jede Stimme. Eine Stellvertreterlösung im Parlament wäre deshalb eine prüfenswerte Option.
Da unsere Parlamentarier in der Regel «Milizparlamentarier» sind, kommt es vor, dass sie bei wichtigen Beratungen und Beschlüssen auch einmal fehlen. Das wird zwar nicht gern gesehen, ist aber zulässig und legitim.
Liechtenstein als Vorbild
Das müsste nicht sein. Das Fürstentum Liechtenstein kennt für den Landtag eine spezielle Stellvertreterregelung. Gewählte, stellvertretende Abgeordnete übernehmen dort vorübergehend den Sitz ihres verhinderten oder erkrankten Kollegen. Dies aus gutem Grund, ging es doch lange Zeit darum, dass im 25-köpfigen Landtag die Mehrheit wegen einer Abwesenheit nicht plötzlich kippte.
Stellvertretende Gesetzgeber
Für den Nationalrat wie auch für kantonale und städtische Parlamente wäre eine Stellvertreterreglung ein durchaus prüfenswertes Modell. Gerade in Zeiten permanenten Wahlkampfs ist die Geschlossenheit einer Partei beim Stimmverhalten heute wichtiger denn je. Dies insbesondere, wenn es um jede Stimme geht. Auch umstrittene Stichentscheidungen von Präsidenten, wie jüngst wieder im Thurgauer Grossen Rat, könnten mit einer Stellvertreterregelung anders ausfallen.
«Geprüfte» Parlamentarier
Für die gewählten Stellvertreterinnen und Stellvertreter wären die Einsätze wie kleine «Stages». Sie könnten parlamentarische Luft schnuppern und bei den nächsten Wahlen als «geprüfte», stellvertretende Parlamentarier mit «Bisherigenbonus» antreten.
Wechselnde Mehrheiten durch Vakanzen?
Für Regierungsmitglieder ist ein geeignetes Stellvertretersystem schwer vorstellbar. Ein vorübergehendes Nachrutschen eines Partei-Kollegen oder einer Partei-Kollegin ist schon wegen des Wahlsystems nicht möglich. Folglich müssen die Gewählten wohl weiterhin die Dossiers ihrer fehlenden Kolleginnen und Kollegen übernehmen. Je nachdem wer ausfällt, könnte dies aber parteipolitisch durchaus auch einmal ein Vorteil sein.
Sven Bradke (*1964) ist Dr. rer. publ. HSG und Geschäftsführer der Mediapolis AG für Wirtschaft und Kommunikation in St.Gallen
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.