Der St.Galler SVP-Stadtparlamentarier Christian Neff zieht sich aus der Politik zurück. In einem persönlichen Schreiben äussert er sich zu den Gründen.
Am 11. Januar hätte Christian Neff zum Parlamentspräsidenten gewählt werden sollen. Daraus wird nun nichts. Wie Neff heute Freitag per Medienmitteilung verkündet, zieht er einen harten Schnitt unter sämtliche politischen Aktivitäten.
Neff schreibt in seiner Stellungnahme:
«Wir leben in einer ausserordentlichen Situation, die uns alle fordert. Und weil wir alle gleichermassen gefordert sind, führt kein Weg daran vorbei, dass gerade in dieser herausfordernden Zeit die Parteifarben verblassen müssen und wir alle uns zusammentun. Wir müssen in dieser Zeit Leuchtturm sein für jede und für jeden. Die Politik, die jetzt mehr denn je nötig ist, ist Öffentlichkeitsarbeit. Und Öffentlichkeitsarbeit ist nicht möglich, wenn politische Gräben eine konstruktive Zusammenarbeit verunmöglichen und Stimmenmehrheiten im Parlament ideologische Entscheide forcieren.»
Die grösste Gegnerin der direkten Demokratie sei die Politikverdrossenheit. Viele Wählerinnen und Wähler würden ihre Stimme nicht mehr einwerfen. Sie würden nicht mehr an Veränderungen glauben. Sie seien müde von den immerwährenden, politischen Grabenkämpfen und Ränkespielen. «Sie verstehen nicht», so Neff weiter, «dass Verwaltung und Politik für Fehlentscheide keine Verantwortung tragen müssen. Die Politikverdrossenheit kann nur durch transparente und durch alle Schichten in Verwaltung und Politik getragene Öffentlichkeitsarbeit bekämpft werden.»
Weiter führt Neff dazu aus: «Und diese für St. Gallen derart wichtige Richtungsänderung in der Art und Weise, wie wir als Parlament Poltik ausüben und kommunizieren sollten, ist die Tätigkeit, für die ich als designierter Parlamentspräsident einstehen wollte. 100 % meines Schaffens hätte darauf abgezielt. Als Präsidentin oder Präsident des Stadtparlaments hat man die seltene Möglichkeit, auszustrahlen und Visionen zu formulieren, die gehört werden. Es geht nicht nur um das Führen des Parlaments oder den Stichentscheid bei Vorlagen. Es geht darum, zu zeigen: Wo will die Politik hin? Was ist die Vision? Wie können wir möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern dienen?»
Leider habe er erfahren müssen, dass die politische Vision für einige von untergeordneter Rolle sei. Viel wichtiger sei gewissen Personen die Teilnahme an Events. «Ich habe bekanntermassen eine dedizierte Meinung, wie wir in der andauernden Krise verfahren müssen. Ich kann nicht mit gutem Gewissen hinter Events stehen. Im Speziellen solche Events, bei denen es darum geht, als Präsident des Parlaments anwesend zu sein, nur damit man anwesend war», so Neff.
Er erklärt dazu: «Ich wurde damit konfrontiert, dass es Parlamentarierinnen und Parlamentarier gibt, die mich nicht als Präsident des Stadtparlaments bestätigen werden. Der Grund war, dass ich nicht an möglichst vielen Events teilnehmen würde, resp. infolge 2G-Regelung gar nicht teilnehmen könnte. Heute bin ich 2G. Das tut aber nichts (mehr) zur Sache.»
Es habe ihn enttäuscht, dass es Kolleginnen und Kollegen gibt, die die Fähigkeit, Präsident zu sein, daran festmachen würden, wie häufig man einer Einladung folge – mit keinem Wort aber hinterfragt werde, was denn die politische Vision sei, die der Stadt St. Gallen auch in den kommenden Jahren gut täte und aktiv vermarktet werden sollte.
«Selbstverständlich: Jede Parlamentarierin und jeder Parlamentier soll das Recht haben, für sich zu entscheiden, ob der designierte Präsident für sie wählbar ist oder nicht. Es aber an den Events festzumachen, an denen der designierte Präsident aus wohl überlegten Entscheiden in der aktuellen Krise nicht teilnimmt, ist ernüchternd. Nicht wählbar zu sein, alleine wegen einer anderen Einstellung zu Einladungen, ändert den Blick auf die Dinge abrupt und nachhaltig», fügt Neff an.
Auch der designierte Präsident habe das Recht, zu entscheiden, ob er alle Parlametarierinnen und Parlamentarier überhaupt repräsentieren könne und unter diesen Umständen möchte. «Nein, ich kann es nicht. Wer Eventteilnahmen über eine Vision von einer starken Öffentlichkeitsarbeit stellt, den kann ich nicht guten Gewissens vertreten», ist Neff überzeugt.
Und er zieht einen klaren Schluss aus seinen Ausführungen:
«In absoluter Konsequenz daraus teile ich hiermit meinen kompletten und sofortigen Rücktritt aus der städtischen Politik mit.»
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