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Zeyer zur Eingreiftruppe

Task Force: Kann weg

Sie fällt meistens mit unangenehmen Schlagzeilen auf. Nun gibt es auch noch für sie unangenehme Enthüllungen. Wann wird sie endlich aufgelöst?

«Die Ostschweiz» Archiv am 13. April 2021

Sie hat einen tollen wissenschaftlichen Namen. «Swiss National Covid-19 Science Task Force». Diese Eingreiftruppe gibt sich auf ihrer Webseite ganz bescheiden. Sie berate lediglich Behörden, fälle keine Entscheidungen.

Ihre Mitglieder seien ehrenamtlich tätig und hätten zudem alle möglichen Interessenskonflikte offengelegt. Aber wie oft stimmen Selbstdarstellung und Realität nicht ganz überein. So wie sich kahle Männer zwei verbliebene Haarsträhnen über das Haupt drapieren und sagen: geht doch, so lügt sich hier die Task Force kräftig in die Tasche.

Da Wissenschaftler fest davon überzeugt sind, dass nur sie Wissenschaft richtig verstehen und daher dafür prädestiniert sind, ihre Weisheit mit allen zu teilen, mischte sich die Task Force fröhlich und massiv in Entscheidungen von Verantwortungsträgern ein. Sie spielte sich immer mehr als Überwachungsgremium auf, das getroffene Massnahmen lobte (selten) oder sie kritisierte (häufig). Bis der ansonsten geduldige Bundesrat Berset darauf hinwies, dass die Entscheidungen schon noch von den Regierenden getroffen werden.

Das sorgte kurzfristig für Ruhe. Aber kann man sich ein Gremium von 76 Wissenschaftlern vorstellen, das lange Ruhe gibt? Vor allem, wenn viele Mitglieder wissen, dass sie zwar hier nichts verdienen, aber mit der so gewonnenen Bekanntheit anschliessend die Karriereleiter hinaufklettern können. Und vor allem an die grossen Töpfe der staatlichen Unterstützung herankommen.

Daher wird fröhlich eine Kakophonie aufgeführt; wer sich vernachlässigt fühlt, prescht einfach mit einer eigenen Stellungnahme vor, irgendein ausgehungertes Medium, das sich gerne mit «Das Mitglied der Task Force warnt, befürchtet, fordert» schmücken möchte, sorgt für den nötigen Resonanzkörper. Aber das ist nicht die einzige Krankheit, an der die Task Force leidet.

Das Konsumentenmagazin K-Tipp hat sich die Interessenbindungen der Mitglieder, insbesondere zu Impfstoffherstellern, genauer angeschaut. Die werden zwar inzwischen deklariert, dennoch lassen sich einzelne Mitglieder als «neutrale Impfstoff-Experten» zitieren. Ganz neutral ist allerdings zum Beispiel Daniel Speiser nicht. Er hat ein Beratungsmandat beim deutschen Impfstoffhersteller Curevac. Christian Münz ist Juror bei der Vergabe eines Forschungspreises von Pfizer. Und so weiter.

Damit soll ihnen keine Parteilichkeit unterstellt werden. Aber neutral und unabhängig ist anders. Das ist aber noch lange nicht das Ende der Merkwürdigkeiten. Die Task Force hat sich selbst konstituiert und mit ihren 76 Mitgliedern sozusagen die Oberherrschaft im Beratungswesen usurpiert. Schliesslich sei ihr Ansprechpartner der Bundesrat, und höher geht’s ja nicht, ausser, man glaubt an Gott.

Allerdings: Es gibt seit vielen Jahren die «Eidgenössische Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung». Der Bundesrat wählt jeweils die 14 Mitglieder der EKP. In ihr sind Praktiker, also Ärzte vertreten, aus allen Landesteilen. Noch besser: In der Liste ihrer Interessenbindungen gibt es nur einen Berater zweier Pharmafirmen und ein Mitglied der Direktion von Interpharma. Hier ist also sozusagen historisch gewachsenes Wissen vorhanden, hier wird auch der Schweizer Pandemieplan à jour gehalten.

Während also die EKP ein vom Bundesrat gewähltes Fachgremium ist, hat sich die Task Force selbst konstituiert und dann dem BR und der Öffentlichkeit aufgedrängt. Die Infektiologin und praktische Ärztin Anne Iten ist Präsidentin der EKP. Als sie vor einem Jahr, zu Beginn der Krise, beim BAG (Bundesamt für Gesundheit) anklopfte und Vorschläge zur Zusammenarbeit machte, wurde ihr geantwortet, dass man sich bei Bedarf melden werde.

Das hat das BAG seit einem Jahr unterlassen. Offensichtlich reicht ihm die öffentlichkeitswirksame Selbstdarstellung der Task Force. Wozu auf extra dafür gebildete Gremien zurückgreifen?

Ein ähnliches Trauerspiel fand am Anfang der der «Arbeitsgruppe Impfstoff Covid-19» statt. Sie versammelte sich zum ersten Mal am 19. März 2020 in Bern. Der kenntnisfreie und über Seilschaften zu diesem Posten gekommene BAG-Direktor Pascal Strupler hatte endlich dem Drängen seines Vorgängers Thomas Zeltner nachgegeben, dass man sich so schnell wie möglich mit der Beschaffung von Impfstoffen beschäftigen müsse.

Zeltner wird sicherheitshalber Mitglied dieser Arbeitsgruppe, auch die Abteilung «Impfen» der Task Force drängt sich auf und hinein. Dabei wäre eigentlich die «Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF)» dafür zuständig. Wie die NZZaS in einer Recherche über die vielen Pannen der Pandemiebekämpfung schreibt: «Doch deren Präsident Christoph Berger geht bei der BAG-Arbeitsgruppe vorerst vergessen. Zwar heisst es in der ersten Sitzung, man müsse die EKIF an Bord holen. Bis Berger richtig hinzustösst, wird es Mai.»

Berger, Infektiologe und seit 2015 Präsident der EKIF, stellt schnell fest, dass hier fantasielos nur klassische Impfstoffe evaluiert werden. Also die Injektion von Viruspartikeln, eigentlich harmlos, aber ausreichend für die Bildung von Antikörpern. So wie das seit 1796 Brauch ist. Der neuen mRNA-Technologie wird mit Misstrauen begegnet.

Viel Zeit wird auch mit der Frage einer Schweizer Lösung verschwendet. Der Immunologe Martin Bachmann behauptet, sein Serum sei Ende 2020 einsatzbereit. Berger macht einen Interessenkonflikt transparent: «Bachmann sei befreundet mit Mitgliedern der Untergruppe Impfen der wissenschaftlichen Task-Force, die bis dahin die Impfstoffkandidaten bewertet hat» hat die NZZaS recherchiert. Das war das Ende dieses Weges.

Die NZZaS zitiert den Zürcher Infektiologen Jan Fehr: «Seit über einem Jahr fahren wir einen steilen Slalom im dichten Nebel. Fortlaufend werden die Torstangen umgesetzt, und niemand konnte die Strecke vorab besichtigen.»

Berger holt dann ein Praktiker in das Gremium, Andrin Oswald, ehemals Novartis. Der bringt mit seinem Verhandlungsgeschick endlich Bewegung in die Sache. «Man hat entweder zu viel oder zu wenig, eine Punktlandung gibt es nie», lautet Oswalds Devise. Zu viel wäre besser. Aber er setzt sich nicht durch, bilanziert die NZZaS.

Von den im Gremium sitzenden Mitgliedern der Task Force ist hingegen nichts Nennenswertes überliefert. Wahrscheinlich waren auch sie zu sehr mit der Pflege ihres öffentlichen Images beschäftigt.

Bundesrat und BAG haben die übliche Quote von Fehlern begangen, die jede in die Zukunft gerichteten Entscheidung begleiten. Aber darüber hinaus noch eine ganze Menge von Fehlentscheidungen, die eigentlich vermeidbar gewesen wären. Die schnelle Abschaffung dieser Task Force wäre dringend geboten gewesen; das nicht zu tun, ist einer der gröberen Fehler. Denn so erteilt sie bis heute gefragt oder ungefragt ihre Ratschläge. Dass eigentlich beschlossen war, dass sie sich nur mit Einverständnis und in Absprache mit dem BAG an die Öffentlichkeit wenden darf: was soll’s, wie kann man so bekannt werden?

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