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Der Traum von den Bodenseeleichen

Theater sei das Gegenteil von Netflix, findet Oliver Kühn

Das Theater Jetzt ist ein Theater ohne Theater. Oliver Kühn erarbeitet mit dem Ensemble die Stücke vor Ort irgendwo und bringt die Stühle und das Licht auch gleich selbst mit. Wie das geht, verrät er im Gespräch mit «Die Ostschweiz».

Michel Bossart am 24. Juli 2023

Herr Kühn, Hand aufs Herz: Was spricht in Zeiten von Netflix, ChatGPT und Social Media noch für einen klassischen Theaterbesuch?

Sie gehen selbst nicht oft ins Theater?

Wieso?

Sonst würden Sie den Unterschied ja kennen, selbst erlebt haben. Theater ist live. Nicht millionenfach vervielfältigbar. Sehr exklusiv. Exakt für die Leute, die jetzt im Moment live dabei mit sind. Genau das Gegenteil davon, was die eingangs beschriebenen Formate können.

Ihr «Theater Jetzt» gibt es schon seit fast 30 Jahren. Wie hat sich die Theaterwelt verändert?

Es tummeln sich heute wahnsinnig viele Schauspielerinnen und Schauspieler auf dem Markt. Ex-Missen, die irgendwo eine Schnellbleiche gemacht haben und jetzt «Schauspielerin» sind. Es gibt bedeutend weniger Namen, die mit Talent und einer inneren Haltung diese Kunstgattung pflegen und in Verbindung gebracht werden. Nennen Sie mir einen bekannten Schweizer Schauspieler, eine bekannte Schweizer Schauspielerin. Also nicht irgendwelche Commedy-Leute. Schauspieler!

Das «Theater Jetzt» hat kein eigenes Theater. Was heisst das genau? Wie funktioniert das Konzept.

Theater Jetzt bringt die Infrastruktur mit. Von den Stühlen, übers Licht, bis hin zu Bühne. Falls wir überhaupt eine Bühne brauchen. Oft recherchieren wir monatelang zu einem Thema und erarbeiten im Ensemble ein Stück dazu. 2024 etwa zum bekannten Schweizer Maler Adolf Dietrich. Am Ort, wo er sein ganzes Leben gelebt hat – in Berlingen am Untersee.

Auf welche Produktion(en) sind sie rückblickend besonders stolz?

Stolz ist nicht das richtige Wort. Aber «Grand Hotel Patina» in Horgen war magisch. «Doppelmord Herrmann» in Hemberg ebenso. Jede Produktion - oft auch die mit Kindern – hatte so einen Moment, wo sie sich verselbständigt und dann etwas Schwebendes bekam.

Wie finanzieren Sie Ihre Produktionen?

Anfangs mit einem überdurchschnittlich hohen Eigenfinanzierungsgrad und Kommunikationskursen bei Banken. Heute wesentlich: Die öffentliche Hand, Private, Stiftungen, Firmen.

Was spricht Ihrer Meinung nach für und was gegen die staatliche Subvention von (Theater-)Kultur?

Es spricht nichts dagegen. Solange auf Seiten von uns Kultis nicht eine satte «Wir bekommen es ja eh»- Haltung resultiert. Ich habe mich mit Theater Jetzt nie um wiederkehrende Beiträge bemüht. Weil ich fürchte, dass eine Trägheit daraus erwachsen würde. Zu sichere, wiederkehrende, zweckgebundene, stattliche Subvention kann auch träg machen. Ideenlos. Das ist bei uns Kultis nicht anders. Es gibt Beispiele dafür.

Sommer ist ja nicht unbedingt Theaterzeit: Wie und wann beginnt die Theater-Jetzt-Saison?

Sommer und Weihnacht sind Hochsaisons fürs Theater! Im Sommer an einem See draussen Freilichttheater machen ist grad in der Folge von Corona eine perfekte Sache. Um Weihnachten herum rote Plüschbühnen aufbauen ebenso.

Welchen unrealisierten Theatertraum träumen Sie noch?

Einer davon: Vor Romanshorn wird ja gerade dieses Schiff geborgen. Ich würde darauf gerne eine lustige Revue machen mit all den Bodenseeleichen, die im See verschollen sind. Es gibt ein ganzes Buch darüber. Die Geschichten sind unglaublich. Unglaublich! Der Cast müsste aus Leuten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz bestehen. Das Schiff legt ab, fährt über die tiefste Stelle auf dem See – und hopp de Bäse.

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Autor/in
Michel Bossart

Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).

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