Ein Hersteller von Insektengift erhält einen Umweltpreis, und das dank den St.Galler Konzeptkünstlern Frank und Patrik Riklin. Es geht um das Projekt «Insect Respect», eine vermeintlich absurde Kunstaktion, die seit 2012 einiges ausgelöst hat - und das jetzt belohnt wird.
Was 2012 als Idee noch verrückt schien, ist heute normal. Der weltweite Umweltpreis «Energy Globe Award» geht in der Schweiz am 12. September 2019 an den Insektenbekämpfungsmittelhersteller Reckhaus für sein Projekt Insect Respect. Ausgelöst durch die Konfrontation und Zusammenarbeit mit den Schweizer Konzeptkünstlern Frank und Patrik Riklin und ihrer vermeintlich absurden Kunstaktion «Fliegen retten in Deppendorf» wandelt Reckhaus seit 2012 mit Insect Respect sein Geschäftsmodell.
Umkehr durch Konzeptkünstler
Der Biozidhersteller Reckhaus hat die Dringlichkeit des Insektensterbens und den Wert der Sechsbeiner erkannt und strebt daher einen neuen Umgang mit Insekten an. Auslöser für den Unternehmenswandel und das weltweit einzigartige Ausgleichsmodell war der Dialog und die mehrmonatige Zusammenarbeit mit den Schweizer Konzeptkünstlern Frank und Patrik Riklin. Sie konfrontierten Dr. Hans-Dietrich Reckhaus 2011 mit der Frage: «Wie viel Wert hat eine Fliege für dich als Insektenkiller?»
Ihre Forderung: Retten statt töten. Die daraus entstandene Gegenstrategie mündete in einen Transformationsprozess und in die Entwicklung von «Insect Respect». Den Höhepunkt bildete die gemeinsame Kunstaktion «Fliegen retten in Deppendorf» (2012), die ein ganzes Dorf mobilisierte und eine Stubenfliege mit dem weltweit ersten Flugticket für ein Insekt in den Wellness-Urlaub ins Schloss Elmau führte.
Transformation der eigenen Branche
Seit Reckhaus mit den Riklin-Brüdern kooperiert, legt er seine Reputation als Unternehmer in die Waagschale: Reckhaus gilt als verrückt, als «Nestbeschmutzer» der eigenen Branche. Doch seit eine wissenschaftliche Studie 2017 auf das Insektensterben aufmerksam machte, beurteilte man die vermeintlich absurde Kunstaktion und den Unternehmenswandel plötzlich ganz anders. Heute agiert Reckhaus an vorderster Front der Insekten-Lobby, schreibt Bücher, schult seine Mitarbeiter zu Landschaftsgärtnern um und transformiert eine ganze Branche.
Performativer Appell an die Wirtschaft
Reckhaus und die Riklins fordern grundsätzlich ein radikales Umdenken in der Wirtschaft. Deshalb ruft er in Komplizenschaft mit der riklinschen Artonomie und der Business Innovation Week mittels Megafon sein dringliches Plädoyer in den öffentlichen Zürcher Wirtschaftsraum hinaus. Die Ausrufung findet am Donnerstag, 12. September um 1o Uhr auf dem Parkhausdeck des Parkhaus Pfingstweid statt. Reckhaus und die Riklins fordern ab sofort ein unübliches Denken und Handeln in der Wirtschaft. Die Riklin-Brüder träumen gar von einer staatlich-verordneten Steuererleichterung für Unternehmen, die Massnahmen im Sinne von Sinnorientierung vor Profitorientierung im Geschäftsalltag verhandeln.
Jede Fliege zählt – Tag der Insekten Schweiz
In seinem Buch «Warum jede Fliege zählt» zeigt Reckhaus das ambivalente Verhältnis von Menschen und Insekten: Die Tiere sind wichtig als Nützlinge, aber auch bekannt als Schädlinge. Weltweit gehen ihre Zahl und Vielfalt stark zurück.
Am 19. September 2019 veranstaltet «Insect Respect» deshalb mit BirdLife Schweiz den 2. Tag der der Insekten Schweiz. Mit ca. 300 Gästen aus Forschung, Umweltorganisationen, Unternehmen, Politik und Zivilgesellschaft kommt dort die «Lobby für Insekten» zum zusammen, um Lösungen gegen das Insektensterben auszutauschen und zu fördern.
Was gestern schräg war, ist heute normal: Als die Riklin-Brüder im September 2012 gemeinsam mit Insektenkiller Reckhaus den Aufruf für «Fliegen retten» öffentlich machten, hielt man die Kunstaktion «Fliegen retten in Deppendorf» für einen zynischen Werbegag oder versteckte Kamera. 7 Jahre später nun die Anerkennung der weltweiten Umweltinitiative «Energy Globe Award».
Hintergrund
Die Firma Reckhaus ist seit über 60 Jahren auf Herstellung und Vertrieb von Insektenbekämpfungsmitteln im Innenraum spezialisiert. Mit dem Gütesiegel Insect Respect initiiert das Unternehmen einen grundsätzlichen Wandel im Markt.
Auslöser für den Unternehmenswandel und das weltweit einzigartige Ausgleichsmodell war der Dialog und die Zusammenarbeit mit den Schweizer Konzeptkünstlern Frank und Patrik Riklin. Sie initiierten die Gegenbewegung «retten statt töten» und setzten 2012 gemeinsam mit Hans-Dietrich Reckhaus die Aktion «Fliegen retten in Deppendorf» um. (www.fliegenretten.de). Das dahinterstehende Konzept wurde seither von Experten kontinuierlich weiterentwickelt und mit zahlreichen Aktivitäten in Forschung und Praxis angewandt.
Insect Respect ist das weltweit erste Gütezeichen für ein neues Verständnis im Umgang mit Insekten. Nach dem Prinzip «Insektenbekämpfung Reduzieren – Ökologisieren – Kompensieren» werden Gesellschaft und Wirtschaft für den Wert von Insekten sensibilisiert und insektenfreundliche Lebensräume geschaffen. Mit Insect Respect strebt der Familienunternehmer Dr. Hans-Dietrich Reckhaus eine nachhaltige Transformation der Biozid-Branche an und inspiriert Unternehmer anderer Branchen zur Förderung von Insekten und Biodiversität. 2014 erhielt er dafür den deutschen Vordenker-Preis, 2015 den Schweizer Ethikpreis, 2017 den Preis „Mein gutes Beispiel“ der Bertelsmann-Stiftung und 2019 den Preis der WirtschaftsWoche «Unternehmerisches Herz». www.insect-respect.org
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