Das Ausmass des bundesrätlichen Covid-Notrechts konnte kaum jemand exakt vorhersehen. Wer aber schon ante Corona zur Einsicht gelangt war, dass es der Staat nicht immer gut mit einem meint, war letztlich gleichwohl weniger überrascht. Ein Rückblick – und analytischer Erlebnisbericht.
Im Herbstsemester 2019 – und damit wenige Monate vor Ausbruch der Covid-Massenpsychose im März 2020 – schloss ich mein Jus-Studium an der Universität Zürich ab. Damals war ich bereits ausserhalb des anwaltlichen Monopolbereichs beratend und prozessierend tätig, denn neben dem Studium hatte ich eine teilzeitliche Einzelfirma aufgebaut, womit ich zu einer statistischen Minderheit gehören mag. Auch politisch hatte ich mich während meines Studiums engagiert. So zum einen bei der leider abgelehnten NoBillag-Initiative. Zum anderen bei der Volksinitiative für ein E-Voting-Moratorium, deren Unterschriftensammlung schliesslich eingestellt werden konnte, nachdem der im Herbst 2019 neu gewählte Nationalrat von sich aus E-Voting zumindest vorerst beerdigt hatte. Während linke und staatsgläubige Studierende – oft ohne (privatwirtschaftlichen) Nebenjob, da aus einem Zürcher Goldküstenhaushalt stammend – sich also schon häufig um ca. 16 Uhr im „Bequem“ auf der Uni/ETH-Terrasse ihr Feierabendbier gönnten, waren mir Freiheit und Eigenverantwortung – und das Eine geht ohne das Andere nicht – bereits während dem Studium wichtig. Ebenso die rechtsphilosophische Erkenntnis (gerade als Jurist), dass der Staat nicht all unsere Probleme lösen kann. Einzig ein Nachtwächterstaat – Gewaltmonopol zur Vermeidung allseitiger Selbstjustiz und basale Infrastruktur – hat eine ethische Existenzberechtigung im Dienste der BürgerInnen. Diese liberal-libertären Grundsätze, die sich an angeborenen Naturrechten jedes Menschen orientieren, solange er diese nicht durch Fehlverhalten oder Selbstverschulden verwirkt, waren für mich schon ante Covid zentral.
Am 10. März 2020, weniger als eine Woche vor offiziellem Beschluss des ersten Lockdowns, reichte ich für einen Klienten eine Beschwerde ans Bundesgericht ein, welche sich gegen das Kantonszürcher Gesetz über den Personentransport mit Taxis und Limousinen (PTLG/ZH) richtete. Dieses unterwirft nämlich Uber-Fahrer und private Luxuslimousinenchauffeure neu denselben Regulierungen wie Taxi-Fahrer. Einmal mehr ein staatlicher Erlass, der sich gegen die Wirtschaftsfreiheit richtet und vom Grundgedanken getragen ist, der Konsument sei nicht fähig, eigenständig und ohne staatliche Hilfestellung mündige Entscheide zu treffen. Wie dem auch sei: Ich erinnere mich gut daran, wie mein Klient, ein privater Limousinenunternehmer, beim Kaffee an einem sonnigen Märztag nach Einreichung der Beschwerdeschrift gemeint hat, vermutlich sei das neue Zürcher Gesetz noch das kleinste Problem. Der Flughafen Zürich sei bereits fast leer und die bundesrätlichen Massnahmen hätten das Potential, sein Unternehmen zu vernichten; er persönlich habe mehr Angst vor den staatlichen Vorgaben als dem Virus, denn Business Men and Women mit Limousinenbedarf kämen aktuell keine mehr nach Zürich. Auch ich hatte keine Angst vor dem Virus, war doch von Beginn weg bekannt, dass Personen unter 70 Jahren kaum je an Covid sterben. Und so fragte ich mich bereits am 16. März 2020, wie es denn vernünftig begründet werden kann, dass man die ganze Wirtschaft lahmlegt, wenn die Angehörigen der Risikogruppe mit wenigen Ausnahmen alle bereits im AHV-Alter sind. Klar: Es gab ein Virus und betagte Menschen waren vermehrt gefährdet. Wie man aber bei dieser Ausgangslage maximale Restriktionen gegen die Gesamtbevölkerung verhängen konnte, war für mich von Beginn weg irrational.
Trotzdem: Der erste Lockdown war eine Zeit der allgemeinen Schockstarre. Leute, denen man am Bahnhof über den Weg lief, sprangen bisweilen förmlich zur Seite; das Gegenüber könnte ja eine Virenschleuder sein. Und auch am beruflichen Alltag ging jene Schockstarre keineswegs spurlos vorbei. Nach Abschluss meines Jus-Studiums suchte ich nämlich eine Teilzeitanstellung an einem Gericht oder in einer Anwaltskanzlei – dies als Ergänzung zu meiner teilzeitlichen Einzelfirma, denn ein Praxisjahr in Judikatur oder Advokatur bildet mithin Voraussetzung, um dereinst zur Anwaltsprüfung zugelassen zu werden. Ein Schritt, welcher mir noch bevorsteht. In normalen Zeiten wäre es beim juristischen Stellenmarkt selbst mit einem mittelmässigen Studienabschluss kein allzu grosses Problem, solch eine Stelle zu finden. Doch der erste Lockdown überrollte eben die gesamte Schweiz und nicht nur die zwangsgeschlossenen Gastrolokale. Folglich wurden in fast jedem Betrieb alle nicht absolut dringlichen Projekte auf Eis gelegt – was natürlich auch auf die Auftragslage im Juristensektor Auswirkungen hatte. Mit meiner Einzelfirma erzielte ich in zwei Monaten nur je ca. CHF 500 Umsatz (nicht: Gewinn). So genoss ich also im Frühling/Sommer 2020 meine Zwangsferien in Zürich und Region und freute mich darüber, dass immerhin mein privates Umfeld freiheitsliebend genug war, womit es sich grossmehrheitlich von Beginn weg nicht vom Panikmodus zu Bundesbern beeindrucken liess. Ein guter Freund von mir twitterte bereits im April 2020 bezugnehmend auf Benjamin Franklin, einen der zentralen Mitautoren der Delaration of Independence wie auch der US-Verfassung, dass wer Freiheit zugunsten ein wenig mehr Sicherheit aufgebe, letztlich beides nicht verdient habe. Ein Satz, der von einer stark verinnerlichten rechtsphilosophischen Grundeinstellung zeugt, welche auch in Zeiten angeblicher oder tatsächlicher Pandemien nicht über Bord geworfen werden darf. Denn absolute Sicherheit gibt es nie.
Ein Jahr später. Sommer 2021. Die erste Covid-Referendumsabstimmung und die massiven Einschränkungen des freien Demonstrationsrechts im Vorfeld, die ihrerseits auch rechtlichen Beratungs- und Prozessbedarf mit sich gebracht haben, waren vorüber. Ebenso hatte ich zwischenzeitlich meine Teilzeitanstellung gefunden, durch eine Reihe glücklicher Zufälle sogar bei einer Gleichgesinnten, nämlich der jungen Anwältin Silja Meyer mit Kanzleistandort im Zürcher Seefeld, die sich Ende August 2020 selbstständig gemacht hatte und hernach bereits anno 2021 ihren ersten Teilzeitmitarbeiter benötigte. Dies verwundert nicht, denn nach der ersten Schockstarre von Anfang 2020 ging der Alltag wieder weiter, bloss für einige Leute mit geänderten Vorzeichen. Restrukturierungen führten zu vermehrten Kündigungen am Arbeitsplatz, covidbedingte Differenzen in Partnerschaft und Kindererziehung (inkl. Impffragen!) zu einer Häufung von Eheschutz- und Scheidungsverfahren – oder häuslicher Gewalt. All dies Faktoren, die einen erhöhten Juristenbedarf bewirken, wobei eine statistische Zunahme jener negativen Begleiterscheinungen im Zuge der Covid-Restriktionen kaum negiert werden kann.
Da meine Vorgesetzte ihre Meinung keineswegs verbarg, sondern die beiden landesweiten Juristenaufrufe gegen 3G und 2G ebenso unterzeichnete und sich mithin auch in diesem Medium gegen den menschenverachtenden Covid-Massnahmenunsinn äusserte, hatte ich ab Mitte 2021 sehr oft mit covidbezogenen Rechtsfällen zu tun. Im Rahmen meiner Einzelfirma vornehmlich im öffentlichen Recht (schon ante Corona eines meiner zentralen Tätigkeitsgebiete), im Rahmen meiner Anstellung demgegenüber hauptsächlich im Privat- und Strafrecht. Insbesondere mit Einführung der Zertifikatspflicht per 13. September 2021 nahm der Beratungs- und Prozessbedarf im Zusammenhang mit dem Einsatz des Covid-Zertifikats und Testpflichten für ungeimpfte Angestellte am Arbeitsplatz massiv zu. Gerade Angestellte des Gesundheitswesens und Lehrpersonen gehörten oft zu den Rechtssuchenden, teils im Sinne einer präventiven Beratung, teils infolge ordentlicher oder gar fristloser Kündigungen. Neben unzähligen Beratungen leiteten wir aufgrund Kündigungen im Zusammenhang mit Covid-Weisungen am Arbeitsplatz rund 15 Schlichtungsverfahren ein, wobei es in den meisten Fällen zu einer Einigung kam (den meisten Arbeitgebern war eine fristlose Kündigung im Nachhinein dann doch zu riskant und zahlte man immerhin freiwillig den Lohn für die ordentliche Kündigungsfrist) und nur wenige Fälle ins Klageverfahren übergegangen sind. Fälle, die weiterhin vor Gericht hängig sind und dereinst Präjudizwirkung haben könnten. Doch auch bei Strafverfahren stellen sich immer wieder interessante Fragen. Was gilt eigentlich, wenn 10 Polizisten private Gewerberäumlichkeiten betreten, um die Einhaltung von Covid-Vorschriften zu überprüfen, und dabei per Zufall auf angeblich illegale Glücksspiele stossen? Auch in einer Strafuntersuchung wegen Verletzung des Geldspielgesetzes können also covid-bezogene Aspekte relevant sein und bin ich im Nachhinein sehr froh, habe ich mich nicht in einer stromlinienförmigen 0815-Kanzlei anstellen lassen, sondern an einem Ort, wo ich an Mandaten mitarbeiten darf, hinter denen ich auch aus tiefer ideeller Überzeugung stehen kann. Nur so lässt sich nämlich die notwendige Wochenendarbeit als positiver Stress sehen.
Doch neben all den geschilderten persönlichen Erfahrungen: Wie beurteile ich den Zustand der Justiz in den letzten zwei Jahren? Kurz: Es kommt darauf an. Typische Juristenantwort, welche dem Streben nach Einzelfallgerechtigkeit geschuldet ist. Aber Spass beiseite. Es lässt sich ein klares Muster erkennen. Wo immer es schwergewichtig um Rechtsfragen geht, kann man als Betroffener durchaus einen covidbezogenen Rechtsfall gewinnen: z.B. Missachtung formeller Vorgaben im Kündigungsverfahren, 15-Personen-Grenzen bei Demonstrationen (da bei dieser Personenzahl definitionsgemäss kaum noch von einer Demonstration gesprochen werden kann), gänzlicher Ausschluss von Rechtsmitteln gegen abschlägige Finanzhilfeentscheide, Datenschutz von Arbeitnehmenden oder Unschuldsvermutung im Strafverfahren. Sobald es jedoch um sachverhaltsbezogene Aspekte oder Fragen der Verhältnismässigkeit geht (insbesondere Gefährlichkeit von Covid), haben die Gerichte in den letzten zwei Jahren weitgehend versagt, indem die offiziellen Verlautbarungen des Bundesrats oder BAG mehr oder weniger blind übernommen wurden, ohne dass man sich die Mühe gemacht hätte, ausländische und ebenso seriöse wissenschaftliche Studien zu konsultieren. Gewiss: Wie schon ante Covid haben einige RichterInnen einen Hang zu Etatismus und Präventionsstaat, was die Freiheit des Einzelnen natürlich schwächt. Darüber hinaus sind es aber nicht rechtliche Inkompetenz, sondern übertriebene Expertengläubigkeit, der wir das Schlamassel zu verdanken haben, wobei immerhin angemerkt sei, dass noch immer diverse Covid-Rechtsfälle in diversen Rechtsgebieten hängig sind und angesichts immer mehr Erkenntnissen das offizielle Narrativ von 2020 und 2021 langsam aber sicher bröckelt, was denn (hoffentlich) auch Auswirkungen auf gerichtliche Entscheide im Sinne einer nachträglichen Aufarbeitung haben dürfte. Der Umstand, dass an der Pressekonferenz zur Strafanzeige gegen Swissmedic-Verantwortliche und einzelne impfende Ärzte mit Jürg Vollenweider auch ein pensionierter Leitender Staatsanwalt zu den Referenten gehörte, legt jedenfalls nahe, dass die pauschale Etikettierung Andersdenkender als „Schwurbler“ auf absehbare Zeit nicht aufrechterhalten werden kann.
Ein langfristiger Ausweg aus dem Notrechtsdenken bedingt – insbesondere mit Blick darauf, dass nach Covid unmittelbar Ukraine und Energie als neue Vorwände für einen starken Bundesrat vorgeschoben werden – indes eine solide Rückbesinnung auf die angeborenen Naturrechte jedes Einzelnen. Denn Notrecht kann, wie aktuell (erneut) sichtbar wird, unter verschiedenen Deckmänteln angewandt werden. Meist aber basiert es auf der irrationalen Annahme, dass der Staat unsere Probleme besser lösen kann als wir selber. Und so sind neben dem Kampf für Grundrechte und Gewaltenteilung vor den Schranken der Gerichte auch politisches Engagement sowie innere Grundüberzeugungen elementar, denn ohne Ausrichtung an den Rechten jedes Individuums – statt irgendeines diffusen Kollektivs – verkommt auch das geschriebene Recht irgendwann zur leeren Worthülse. Weil nun aber Medien stark an der Meinungsbildung beteiligt sind (informativ und manipulativ), ist es zentral, dass jene in möglichst geringer Abhängigkeit zum Staat stehen. Und diesbezüglich haben just die „Ostschweiz“ – oder auch die Konsumenteninfo AG mit dem stets kritisch gebliebenen K-Tipp – einen wichtigen Beitrag in der Covid-Phase geleistet. Nicht nur durch Hinterfragen vieler staatlicher Restriktionen, sondern auch dem gewichtigen Beitrag an das Zustandekommen des Referendums gegen das zum Glück abgelehnte staatliche Medienförderungspaket.
MLaw Artur Terekhov ist selbstständiger Rechtsvertreter in Oberengstringen ZH.
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