Die Schweiz sitzt offenbar auf Millionen Impfdosen, die nicht verimpft werden können. Nun setzen erste Kantone auf eine fragwürdige Massnahme: den Gruppendruck.
Die «SonntagsZeitung» warnt in ihrem Artikel «Impfmüdigkeit gefährdet den Herbst» mit klaren Worten: «Lässt sich die Impfquote nicht steigern, droht wegen der Delta-Variante eine weitere starke Corona-Welle.»
Unser Land – kürzlich noch als Impfmeister gepriesen – spiele nur noch in der Amateurliga. Das Ziel des Bundes, 75 Prozent der Bevölkerung zu impfen, sei in weite Ferne gerückt. Und das habe im Zusammenhang mit der neuen Delta-Variante gravierende Folgen. 85 Prozent der Bevölkerung – so werden Experten zitiert – müssten «geschützt» also geimpft sein, um die Verbreitung im Zaum zu halten.
Immerhin: Dass eine Überlastung des Gesundheitswesens droht, sollten die 85 Prozent nicht erreicht werden, glauben laut Artikel der «SonntagsZeitung» nur noch wenige Epidemiologen.
Die Kantone aber stehen quasi in der Pflicht, die Quote zu erreichen. Während einige nach den Sommerferien wohl mit viel Geld neue «Werbekampagnen» starten werden, setzen andere auf eher fragwürdige Massnahmen. Massnahmen, die auf den ersten Blick gut tönen, aber bei genauerer Betrachtung durchaus als hinterhältig bezeichnet werden können.
Am weitesten gehen die Kantone Zug und Aargau. Dazu im Bericht der «SonntagsZeitung»: «Der Innerschweizer Kanton will Unternehmen und Vereinen die Möglichkeit geben, eine Impfspur am Impfzentrum zu reservieren, sodass sich impfwillige Personen aus diesen Firmen oder Vereinen gemeinsam impfen lassen können. Und der Aargau plant gar, mit mobilen Equipen Impfaktionen an Schulen durchzuführen. Zudem wollen viele Kantone Ausländergruppen, die als eher impfskeptisch gelten, direkt ansprechen.»
Man stelle sich also vor: Eine Firma oder ein Verein reserviert für sich zu einem gewissen Zeitpunkt die besagte «Impfspur» am Impfzentrum. Höflich werden nun also sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. Mitglieder in einem offiziellen Schreiben auf die Möglichkeit hingewiesen, sich zusammen mit den Kollegen einzureihen. Wer hier ausschert, steht unweigerlich im Rampenlicht. Und dürfte das mitunter sanft bis heftig zu spüren bekommen.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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