Unterstützungen durch Verbände sind positive Signale für Wahlkandidaten. Sie werben gerne damit, dass andere sie empfehlen. Was aber, wenn ein Kandidat von ganz unterschiedlichen Polen unterstützt wird? Wie können ein Wirtschaftsverband und eine Gewerkschaft hinter demselben Mann stehen?
«Der Ostschweizer Ständeratskandidat Beni Würth verspricht die richtigen Themen aufzugreifen und in Bern kraftvoll zu vertreten.»
Ein freundlicher Einstieg in eine Stellungnahme für den amtierenden St.Galler Regierungsrat. Kommt sie von seiner Partei, der CVP? Oder von einem regionalen Gewerbeverband?
Weder noch. Es handelt sich um eine gemeinsame Stellungnahme von der Gewerkschafts-Dachorganisation«Travail Suisse» und der Gewerkschaft SYNA Ostschweiz.
Mitte Februar hatten die beiden Organisation Würth zu einem Gespräch eingeladen. Und in diesem hat der Mann aus Rapperswil-Jona offenbar die richtigen Antworten gegeben.
Zwar hatte der Ständeratskandidat in der Runde zugegeben, «nicht immer auf gleicher Linie wie die Gewerkschaften» zu sein. Aber der Instinktpolitiker packte seine Haltung in Sätze, die den Arbeitnehmervertretern runter gingen wie Öl.
Man müsse die Arbeitsplätze im digitalen Wandel sichern. Es dürfe nicht sein, dass die Gesundheitskosten stärker steigen als die Löhne. Man müsse die flankierenden Massnahmen als Schutz vor Lohndumping durchsetzen. Ein kooperatives Verhältnis zu den Sozialpartnern sei wichtig.
Das Treffen endete mit einer Empfehlung für Würth bei der Wahl in den Ständerat durch die beiden Gewerkschafts-Organisationen.
Dasselbe Resultat hatte bekanntlich eine Vorstellung bei der Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell. Auch sie stellt sich hinter Benedikt Würth. Inwieweit dort eine alte Vorgeschichte mit Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP) mitgespielt hat, ist unklar.
Klar ist hingegen: Die IHK und die SYNA bilden den denkbar grössten Gegensatz. Hier der konsequente Einsatz für die Unternehmer und Unternehmen, dort das bedingungslose Engagement für die Arbeitnehmer.
Dass nun beide Organisationen denselben Kandidaten empfehlen, kann zwei Dinge heissen. Entweder hat Würth Lösungen in der Tasche, die für beide Seiten funktionieren. Oder er hat seine Antworten jeweils so verpackt, dass sie beim Ansprechpartner gut ankamen.
Dass Würth ein hervorragender Politiker ist, sprechen ihm selbst die wenigsten Gegner ab. Dass er darüber hinaus auch ein guter Verkäufer seiner Sache ist: Darüber sind sich eigentlich alle einig.
Doch es ist nicht nur die erstaunliche Brücke zwischen IHK und Gewerkschaften.
Denn dazu kommen einzelne Stimmen wie die von Martin Zimmermann, der seit buchstäblich Jahrzehnten das Gesicht des Naturschutzverbandes WWF in der Ostschweiz prägt. Er hat einen Leserbrief zugunsten von Würth geschrieben. Der Verband selbst gibt keine Wahlempfehlungen aus. Aber das Wort von Zimmermann ist für viele Mitglieder das Wort des WWF, er ist dort eine regelrechte Legende, und es ist anzunehmen, dass Zimmermann das weiss und ihm die Wirkung seiner Worte klar ist - auch wenn er im «Tagblatt» betont, es sei seine persönliche Meinung gewesen.
Als Regierungsrat muss Würth genau das tun: Brücken zwischen links und rechts bauen, vermitteln, den Kompromiss suchen. Als Ständerat, nach dem allfälligen Wechsel in die Legislative, sieht es ein bisschen anders aus. Dort ist neben der Arbeit in Kommissionen und der Eingabe von Vorstössen letztlich vor allem eines entscheidend: Sein Stimmverhalten.
Dass IHK und SYNA und offenbar Teile des WWF glauben, ein Ständerat Benedikt Würth werde sich dereinst mit seiner Stimme für sie alle stark machen, ist zumindest bemerkenswert. Am Ende der Kette steht eine Abstimmung über einen Gesetzesentwurf, der in aller Regel mindestens eine der Seiten nicht befriedigt.
Die Frage ist daher: In welche Richtung schlägt das Pendel, wenn es beispielsweise um einen Vorstoss geht, der die Situation von Arbeitnehmenden auf Kosten der Arbeitgeber verbessert? Bei der SYNA scheint man überzeugt, dass man dann mit der Stimme von Würth rechnen kann. Und die IHK ist sich sicher, dass er sich dann für ihre Interessen einsetzt.
Ein Ding der Unmöglichkeit.
Die Empfehlung einer Gewerkschaft und aus den Reihen der Umweltschutzorganisationen haben in Teilen der bürgerlichen Front keine Zufriedenheit ausgelöst. «Wir werden bei einer Wahl von Würth zwei linke Ständeräte haben», sagt ein St.Galler Bundesparlamentarier, der nicht genannt werden will, gegenüber «Die Ostschweiz».
Dass man Würth dereinst gleich als «Linken» wahrnehmen wird, ist zwar kaum anzunehmen. Dennoch bleibt die Frage im Raum, wie man als CVP-Mann angesichts mindestens einer klar linken Kandidatur, dem Grünen Patrick Ziltener, es schafft, prägende linke Stimmen für sich zu gewinnen.
Profiteur der seltsamen Allianzen könnte Vincenz-Stauffacher sein. Es gibt Vertreter ihrer Partei, der FDP, die sich eher Würth zugeneigt fühlen, weil das Profil der Kandidatin in gewissen Teilen ebenfalls eine Tendenz Richtung links der Mitte hat. Nun aber zeigt sich: Einen Ruf als lupenreiner Wirtschaftsvertreter hat auch Würth nicht.
Ein weiterer möglicher Nutzniesser ist Mike Egger. Denn bei ihm ist denkbar klar, wo er steht, und eine Empfehlung durch die SYNA oder «Travail Suisse» für seine Person wäre gewissermassen Schnee Ende Juli.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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