Umgeben von Mehrfamilienhäusern steht im Herzen Rorschachs ein kleiner Familiengarten. Es ist eine der letzten grünen Flächen in der sonst so dicht besiedelten Stadt. Sie wird bald weichen müssen.
Im Vorbeigehen trifft man oft auf Damen, die mit ihren Enkelkindern im Garten sitzen oder Herren, die ihr erstes Bier bereits vor dem Mittagessen geniessen. Doch bald wird hier der letzte Rosenkohl gepflückt werden, denn Besitzer dieser grünen Oase ist die evangelische Kirche – und die hat ein Problem.
Sie kämpft, wie auch die grossen Landeskirchen, mit sinkenden Mitgliederzahlen und mit den Mitgliedern gehen auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer. Die Krise spitzt sich zu – und zwar in einem Ausmass, dass sich die Kirche vor die Frage gestellt sieht, wie sie sich künftig finanzieren soll. Auch kommende Generationen sollen schliesslich das Wort Gottes erfahren. Die Antwort auf diese Frage lautet in Rorschach: Mit einem Parkplatz.
Dieser soll einerseits genügend Platz bieten um den sonntäglichen Gang in die Kirche zu erleichtern und andererseits die Kirchenkasse aufbessern. Die eierlegende Wollmilchsau ist damit gefunden und das Gotteshaus kann aufatmen. Allerdings bleiben Fragen. Kann man auf diese Weise auch ein jüngeres Publikum ansprechen? Welches den Glauben eher kritisch betrachtet, bei dem Klimawandel und Artensterben dafür Spitzenplätze auf dem Sorgenbarometer einnehmen?
Des Weiteren stellt sich auch die Frage der Notwenigkeit, da direkt neben der Kirche eine neue Überbauung realisiert wird, die öffentliche Tiefgaragenplätze bereitstellt. Gleichwohl haben sich die Stimmbürger für einen Parkplatz ausgesprochen und somit die Kirche fit gemacht fürs 21. Jahrhundert – zum Leidwesen der Gärtner und Gärtnerinnen.
Für sie bleibt die Hoffnung, dass sich beim nächsten Mal die Bewahrung der Schöpfung, der sich die evangelische Landeskirche verschrieben hat, gegen die ökonomischen Interessen durchsetzt. Es wäre schön, wenn die Kinder, die am Mittwochnachmittag mit ihren Grosseltern im Familiengarten spielen in Zukunft mit ihren Enkeln dieselbe Möglichkeit haben.
Noam Leiser, geboren 1994 in Horn, absolvierte eine Ausbildung als Metallbauer. Derzeit ist er Student in Politikwissenschaft und Philosophie an der Universität Zürich. Ausserdem ist er Sektionspräsident der SP Rorschach und Vizepräsident der Kantonalpartei.
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