Bei der Besetzung von VR-Mandaten kommen einige Aufgaben auf die Verantwortlichen zu. Denn zusätzlich zu den Herausforderungen aufgrund der aktuellen Krise sowie der Digitalisierung haben die Gremien mit einem bekannten Problem zu kämpfen: Überalterung und Frauenmangel.
Der typische Verwaltungsrat in der Schweiz ist dem Informationsportal VR-Wissen zufolge in kleineren Gesellschaften zu etwa 80 Prozent männlich und älter als 50 Jahre, in kotierten Gesellschaften zu 87 Prozent männlich und 59 Jahre alt. Zwar haben in diesem Jahr nach Angaben der Handelszeitung 38 neue Verwaltungsrätinnen ein Mandat bei grossen Schweizer Firmen übernommen. Jedoch beträgt die Frauenquote im Durchschnitt lediglich 23,2 Prozent, wie die Wirtschaftsauskunftei CRIF im Februar ermittelte. Damit stieg der Anteil in den vergangenen zehn Jahren um 3,1 Prozent. Dies bedeutet: Bei Beibehaltung dieses Tempos dürfte es für manches Unternehmen schwierig werden, bis 2026 den geforderten Richtwert von 30 Prozent Frauen im Verwaltungsrat zu erreichen. Für sie wird eine systematische, professionelle Rekrutierungsstrategie zunehmend unerlässlich.
Die Notwendigkeit eines solchen Fahrplans ergibt sich zudem aus den Aufgaben und den damit verbundenen Anforderungen, die sich nach einem Bericht des WEKA-Verlags im Laufe der vergangenen Jahre verändert haben. Der Verwaltungsrat muss als oberstes Aufsichts- und Gestaltungsorgan der Aktiengesellschaft in der Schweiz die im Obligationenrecht definierten Punkte erfüllen. Wie das KMU-Portal für kleine und mittlere Unternehmen der Schweizerischen Eidgenossenschaft aufzählt, handelt es sich hierbei um die Geschäftsführung oder deren Übertragung an Dritte. Das Gremium erteilt die dafür nötigen Weisungen, legt die Organisation der Gesellschaft fest, ist verantwortlich für die Ausgestaltung des Rechnungswesens sowie der Finanzkontrolle und der Finanzplanung. Zudem obliegt ihm die Ernennung und Abberufung der Geschäftsleitung und der Vertretungsberechtigten. Der Verwaltungsrat hat die Oberaufsicht über die Geschäftsleitung, ist verantwortlich für die Erstellung des Geschäftsberichtes sowie die Vorbereitung der Generalversammlung und die Ausführung ihrer Beschlüsse. Bei Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft hat er den Richter zu benachrichtigen. Neben seiner Rolle als Kapitän im Unternehmen nimmt der Verwaltungsrat oft vielfältige Funktionen als Netzwerker, Coach, Türöffner, Krisenmanager sowie Berater wahr, so das Portal VR-Wissen.
Anforderungen steigen
Benötigten die Verwaltungsräte früher vor allem Erfahrung und Branchenkenntnisse, genügt dies aktuell gemäss WEKA-Verlag nicht mehr: „Heute sollte das Gremium auch über ein ausgewiesenes Netzwerk, branchenübergreifende Expertise, vertieftes Finanzwissen und weitere Spezialkenntnisse etwa in Vergütungsfragen verfügen… Die Anforderungen an einen modernen Verwaltungsrat steigen zunehmend. Immer mehr Kenntnisse zu Markt, Produkten, Finanzen und Wirtschaft werden vorausgesetzt.“ An erster Stelle stehen die Persönlichkeit, welche Loyalität einschliesst, und Unabhängigkeit. Letztere etwa sei Voraussetzung, um die Geschäftstätigkeit auch kritisch hinterfragen zu können. An zweiter Stelle komme die Fachkompetenz eines Verwaltungsrats auf verschiedenen Ebenen zum Tragen. So sollten die Mitglieder des Gremiums über ein Grundverständnis für die Kenngrössen sowie Prozesse im Finanz- und Rechnungswesen verfügen und mindestens in einem Teilgebiet der Unternehmenstätigkeit spezifische Fachkompetenz mitbringen.
In der Praxis erweise sich vor allem die Mischung der Kompetenzen als Erfolgsfaktor. „Im Idealfall bündelt der Verwaltungsrat als kollektives Gremium die individuellen Kompetenzen ausgerichtet auf die definierte Unternehmensstrategie so, dass das Unternehmen seine langfristigen operativen Ziele reibungslos verfolgen kann und bei Unklarheiten stets ein kompetentes Expertenteam hinter sich weiss“, formulierte der WEKA-Verlag. Dabei können externe Verwaltungsräte Chancen eröffnen. Denn sie verfügen über eine Aussensicht, welche es ermöglicht, vor Entscheidungen verschiedene Aspekte aus einem weiteren Blickwinkel zu betrachten. Zudem vermögen sie als Sparringspartner zusätzliches Expertenwissen einzubringen, sodass etwa strategische Themen objektiver angegangen werden können.
Warum KMU aufholen müssen
Insbesondere mittlere und kleinere Unternehmen haben in Bezug auf die Zusammensetzung ihrer Verwaltungsräte einiges aufzuholen. Das zeigt das aktuelle Verwaltungsratsranking des Magazins Finanz und Wirtschaft. Dieses untersuchte die Organisation und die Zusammensetzung, die Unabhängigkeit der Mitglieder, die Beachtung der rechtlichen Vorschriften, die Informationspolitik sowie die Entschädigungs- und Beteiligungsmodelle der Verwaltungsräte von 171 Gesellschaften. Das Ergebnis: „Wie in den Vorjahren schneiden grössere Unternehmen besser ab.“
Warum das der Fall ist, hat das Institut für Qualitätsmanagement und Betriebswirtschaft der OST – Ostschweizer Fachhochschule in einer Studie eruiert. Ihr zufolge spielen die beruflichen Netzwerke und die Selektion von spezialisierten Rekrutierungsunternehmen eine entscheidende Rolle. Professionelle Headhunter beziehungsweise Executive-Search-Unternehmen werden in den untersuchten mittelgrossen Unternehmen bisher kaum hinzugezogen. Verwaltungsratsmandate werden selten öffentlich ausgeschrieben, sondern meist über eigene Kontakte vergeben. Dabei kommen die persönlichen Netzwerke zum Tragen. Diese seien meist männlich geprägt und mächtig. Frauen spielen darin kaum eine Rolle. Reine Frauennetzwerke haben im Besetzungsprozess eher mittelbare Relevanz, da Frauen ihre Netzwerke weniger ausgeprägt als Männer nutzen.
Ergo bauen in der Schweiz noch immer viele Führungskarrieren auf Militärkarrieren auf, wodurch Männern mehr und weitreichendere Führungskompetenzen zugebilligt werden. In der Folge ziehen viel Unternehmen zu wenig Möglichketen in Betracht. Insbesonders unter Zeitdruck besteht die Gefahr, dass den Anforderungen nicht genügend Rechnung getragen wird und Risiken wie Interessenkonflikte übersehen werden.
Bewusstsein nutzen
Dessen sind sich viele Verantwortliche bewusst. Denn die Studie der Ostschweizer Fachhochschule zeigt auch, dass die Befragten die Suche nach neuen Verwaltungsratsmitgliedern durch spezialisierte Beratungsunternehmen als professionelle Vorgehensweise betrachten. Immerhin haben erfahrene Executive-Search-Spezialisten nicht nur Kontakte zu vielen Persönlichkeiten, sondern wissen auch, wie Evaluationsprozesse strukturiert werden müssen. Ihre Arbeit beginnt beim Erfassen der Ausgangslage und Hintergründe, führt über eine geeignete Suchstrategie und reicht bis hin zu einer Begleitung über das Onboarding hinaus, wie Sie unserer Beschreibung entnehmen können. Jetzt gilt es nur noch, diese Kompetenzen zu nutzen – ein gutes Vorhaben zum neuen Jahr. Gern unterstützen wir Sie, dieses zu realisieren.
Jetzt VR-Mandat professionell besetzen!
Autor: Jasmine Grabher
Nellen & Partner ist Ihr Partner für Executive Search in Zürich und St.Gallen. Nellen & Partner ist im Bereich Personalberatung, Kadervermittlung, Human Resource Management und Headhunting tätig und unterstützt Sie bei der Suche nach Führungskräften, Verwaltungs- und Stiftungsräten sowie Fachspezialisten.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.