Es waren vor allem Krisenüberlegungen, welche Waldmeyer darin bestärkten, immer einen gewissen Stock an Bargeld zu halten. Zum Beispiel für den Fall eines Tsunamis, wie 2004. Für einmal eine wahre Waldmeyer-Geschichte – eine Weihnachtsgeschichte.
Waldmeyer war schon immer ein grosser Anhänger von Bargeld. Mit Bedauern stellt er heute fest, dass die Notenzirkulation immer bescheidener wird, dass sich elektronische Bezahlmethoden durchsetzen, und – weit schlimmer – er befürchtet, dass uns vielleicht einmal die Abschaffung des Bargeldes droht. Die Schweden sind ja bald so weit.
Bargeld, so Waldmeyers Analyse, bringt allerdings nur einen guten Nutzen, wenn es in relativ kleinen Noten gehortet wird. In der Krise wechselt ja niemand gerne, und man müsste dann, zum Beispiel, für fünf Liter Benzin einen ganzen 200-er hergeben, weil niemand rausgeben kann. Auch etwas Gold ist empfehlenswert, natürlich auch nur in kleinen Einheiten. Schon Waldmeyers Grossvater erklärte jeweils plakativ, dass man beim Bauern im Notfall immer eine Salami gegen ein Gold-Vreneli eintauschen könnte.
Möchte man sich also intelligent für grosse Krisen vorbereiten, ist das Halten von einem gesunden Stock an Cash absolute Pflicht - und zwar zuhause oder sonst in einem raffinierten Versteck. Denn während der wahren Krise schliessen bekanntlich die Banken, auch die Tresorräume, und man kommt an die Nötli gar nicht mehr ran.
Für Ausland-Aufenthalte indessen hält sich Waldmeyer an eine andere Regel: Er hat immer Noten in US-Dollar dabei. Spätestens seit Dezember 2004 hält er diese Regel eisern ein. Das Schicksal wollte es nämlich, dass er sich just zu jenem Zeitpunkt auf den Malediven befand, als dieser ärgerliche Tsunami weite Teil der Welt – und eben auch die schönen Malediven - heimsuchte. Waldmeyer war ein paar Tage zuvor auf einer dieser eher langweilen Barfuss-Inseln gelandet. Am 26. Dezember 2004 musste er, unverhofft und mit einer gewissen Dringlichkeit, den geschmackvollen, aber bereits wasserumspülten Bungalow mitsamt Charlotte und den beiden kleinen Kindern verlassen. Er fand Zuflucht auf dem höchsten Gebäude der Insel. Der leider sehr flachen Insel.
Waldmeyer hätte anschliessend, zusammen mit einer illustren internationalen Reisegruppe, mit der Schwimmweste auf diesem Flachdach einfach warten können, bis irgendein Rettungstrupp Hilfe gebracht hätte. Waldmeyer wäre jedoch nicht Waldmeyer, wenn er nicht selbst die Initiative ergriffen hätte: Es war ihm nämlich nicht entgangen, dass sich am andern Ende der Insel ein Speedboat befand, das einzige auf der Insel. Also bahnte er sich einen Weg durch die überschwemmten Überbleibsel des schönen Eilandes. Er wurde mit dem Bootsführer, nennen wir ihn Baskaran, rasch handelseinig, denn Waldmeyer zauberte elegant zwei 100-Dollar-Noten aus seinem Portemonnaie. Baskaran zögerte nicht lange und navigierte, vorerst allein, seinen Kahn hochmotiviert und geschickt um die Insel zum Bungalow der Waldmeyers, praktischerweise (aufgrund des Wasserstandes) gleich vors Fenster. Waldmeyer hatte inzwischen seine Familie bereits zurück zum Bungalow gescheucht, und alle konnten, samt Gepäck, in rund 20 Minuten den Flughafen in Malé auf der Hauptinsel erreichen. Ein überfüllter Flieger mit einem Care-Team an Bord brachte die Gestrandeten direkt nach Zürich.
An Bord im engen Gestühl sassen viele der Passagiere mehr oder weniger noch in den Badehosen – was das böse Überraschungsmoment des Tsunamis nochmals verdeutlichte. Die aufmerksame Crew verteilte deshalb sehr schöne schwarze Trainingsanzüge. Gratis. Die Erwähnung dieses Details ist wichtig: Gratis, weil es in der Tat Passagiere gab, die weder Pass noch Geld bei sich hatten. Was Waldmeyer wiederum zur Erkenntnis brachte, dass Bargeld nur hinfällig wird, wenn etwas gratis ist – was sehr selten vorkommt. (Bis heute ärgert sich Waldmeyer allerdings, dass er sich nicht einen dieser Gratis-Trainingsanzüge geschnappt hatte; Charlotte hatte damals protestiert, als er sich einen ergattern wollte.)
Zurück in Meisterschwanden im Wintergarten – es war inzwischen Neujahr im selben Jahr – reflektierte Waldmeyer nochmals alles und fühlte sich sehr relaxed: Das richtige Bargeld hatte ihn gerettet. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn er nur Schweizer Franken dabeigehabt hätte. Ob die anderen auf der Insel wohl immer noch auf dem Flachdach hockten …? Waldmeyer merkte sich: Money does not make you rich. Oder: Geld ist nicht alles. Aber Bargeld ist immer besser.
Roland V. Weber (*1957) verbrachte einige Zeit seines Lebens mit ausgedehnten Reisen. Aufgewachsen in der Schweiz, studierte er Betriebswirtschaft in St. Gallen und bekleidete erst verschiedene Führungspositionen, bevor er unabhängiger Unternehmensberater und Unternehmer wurde. Er lebt in den Emiraten, in Spanien und in der Schweiz. Seit Jahren beobachtet er alle Länder der Welt, deren Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Er bezeichnet sich selbst als «sesshafter digitaler Nomade», als News Junkie, Rankaholic und als Hobby-Profiler.
Roland Weber schreibt übrigens nur, was er auch gerne selbst lesen würde – insbesondere, wenn Sachverhalte messerscharf zerlegt und sarkastisch oder ironisch auf den Punkt gebracht werden.
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