Dieses Wochenende stand bei Waldmeyer weniger Lustiges an: Er musste allerlei privaten Büro- und Infrastrukturkram erledigen – was heute in der Regel bedeutet, sich auf einen hoffnungslosen Zweikampf mit Logins, kryptischen Passwörtern und anderen gemeinen digitalen Stolpersteinen einzulassen.
Und alles von Waldmeyer gibt es hier.
Stundenlang. Leider oft ohne Erfolg. Hier das Script eines Black Sundays.
Waldmeyer amüsierte sich nochmals über seine Erlebnisse vom letzten Sonntag in Sachen Smart Home (oder Smart Hotel) im Trois Couronnes: Diesen „IT“ musste er doch tatsächlich dreimal rufen, bis nur schon die Basics im Hotelzimmer funktionierten. Bzw. für ihn verständlich waren.
Wie erwähnt nun also wieder zuhause, gestaltete sich dieser Sonntag für Waldmeyer weniger amüsant. Es war schon eher zum Verzweifeln. Wobei am Anfang noch alles recht gut lief.
Bei Amazon beispielsweise kam Waldmeyer easy rein. „Charlotte, wie heisst unser Passwort schon wieder?“ Und schon konnte er ordern.
Die neue SRG Sat-Access-Karte fürs Ferienhaus war schon eher tricky. Er schaffte die Aktivierung nicht und beschloss, die blöde Karte einfach unauffällig mit allen Login-Fresszetteln auf Charlottes Arbeitstisch hinzulegen.
Das Online-Banking wiederum lief besser. Das heisst, das Inland-Banking. Aber dann später, mit der ausländischen Bank, war es komplexer: Dreimal hatte er schon alle Details eingegeben, und beim Abschicken dann immer «error». Waldmeyer traf einen Management-Entscheid: Das konnte bis Montag warten.
Waldmeyer machte weiter. Mit Schwung hantierte er mit QR-Codes, OT-Passwörtern und anderen kryptischen Codes. Das Abo für den Tennisclub wurde erneuert, die Rotary-Einladung für Dienstag bestätigt. Die neue Nespresso-Maschine online registriert, mit allerlei persönlichen Daten (denn nur so konnte man die Gratiskapseln bestellen).
Auch das Login mittels QR-Code und die Registrierung des neuen Dusch-WCs spulte Waldmeyer ziemlich elegant ab. Nun waren künftige Garantieleistungen bei Geberit sichergestellt. Fäkalien werden also auch digitalisiert. Sei’s drum.
Es lief ganz gut. Bis zum Schraubbohrer von Bosch. Die Garantie musste nämlich, auch mittels QR-Code, jedoch mit einer Geheimzahl angereichert, eingegeben werden – auch hier mit allerlei persönlichen Daten, für welche selbstredend die Datenschutzerklärung, welche die Daten dann nicht schützt, akzeptiert werden musste. Doch bei der Postleitzahl scheiterte Waldmeyer. Es lief nichts mehr. Und bei jedem Versuch musste er alles wieder neu eingeben. Aber wie meistens hatte Charlotte auch hier eine Lösung: „Bosch ist deutsch. Also häng doch einfach eine Zahl ran, ist fünfstellig, weisch!“ Es funktionierte: Meisterschwanden hatte ab sofort die PLZ 56160.
Es war ein wunderschöner Herbsttag, aber inzwischen senkte sich die Sonne langsam. Also noch schnell upc. Seit Monaten stimmten die Abrechnungen nicht. Waldmeyer drückte sich behände durch das roboterisierte Telefonprogramm, zog ein paar Schleifen, wartete (lange), begann nochmals, dann, endlich, gelangte er an den richtigen Ort, musste allerdings nochmals warten. Waldmeyer erinnerte sich an seine Multitasking-Fähigkeiten als früherer CEO und überbrückte die Wartezeit elegant, indem er zwei subjektiv ziemlich wichtige Emails erledigte, gleichzeitig an den Aperitif dachte und noch kurz aufs Klo schlich – in der Hoffnung natürlich, dass sich upc noch nicht meldet. Aber noch auf dem stillen Örtchen kam die Erlösung: „Unsere Bürozeiten….“. Nun gut, es war Sonntag. Aber warum konnte die Robo-Tante das nicht früher mitteilen? Waldmeyer blieb nachsichtig und verspürte so etwas wie Mitleid für die Sprecherin. Also auch verschieben auf Montag.
Dann wollte Waldmeyer noch schnell die Fahrkarte bei der SBB buchen. Es war ein Primeur, denn Waldmeyer fuhr eigentlich nie mit der Bahn. Aber die VR-Sitzung morgen Abend sollte etwas länger dauern, denn Hansruedi wollte noch die neuen Weine zur Degustation mitbringen. Also besser die Bahn. Bucht man zum ersten Mal online bei der SBB, braucht es mindestens einen Bachelor in IT. Waldmeyer hatte sogar einen Master – aber eben nicht in IT. Er schaffte es nicht. Die Frage der Streckenführung (über Orte, die Waldmeyer gar nicht kannte) war nicht klar, und überhaupt. Entnervt beschloss er, morgen doch besser den Porsche Cayenne zu nehmen (schwarz, innen auch).
„Diese Scheiss-Logins“, fluchte Waldmeyer und stürzte hinaus zu Charlotte auf die Terrasse. „Jetzt habe ich endgültig genug. Wann gibt es Aperitif…?“
Charlotte räkelte sich auf der Sonnenliege und flötete: „Hast du denn einen Login für den Aperitif?“ Waldmeyer rannte schreiend in den Garten hinaus. Am liebsten hätte er sich in den Hallwilersee gestürzt. Einzig die Aussicht auf den Aperitif hielt ihn davon ab. Und er verspürte so etwas wie ein digitales Nahtod-Erlebnis.
Roland V. Weber (*1957) verbrachte einige Zeit seines Lebens mit ausgedehnten Reisen. Aufgewachsen in der Schweiz, studierte er Betriebswirtschaft in St. Gallen und bekleidete erst verschiedene Führungspositionen, bevor er unabhängiger Unternehmensberater und Unternehmer wurde. Er lebt in den Emiraten, in Spanien und in der Schweiz. Seit Jahren beobachtet er alle Länder der Welt, deren Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Er bezeichnet sich selbst als «sesshafter digitaler Nomade», als News Junkie, Rankaholic und als Hobby-Profiler.
Roland Weber schreibt übrigens nur, was er auch gerne selbst lesen würde – insbesondere, wenn Sachverhalte messerscharf zerlegt und sarkastisch oder ironisch auf den Punkt gebracht werden.
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