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Die Glosse

Waldmeyer und die Shitcoins

Bereits früher hatte Max Waldmeyer überlegt, ob er nicht seine eigene digitale Währung schaffen sollte. Allerdings sind noch einige Fragen offen. Waldmeyer versucht, erst mal eine Auslegeordnung zu erstellen.

Roland V. Weber am 09. Juni 2023

Charlotte war letztes Jahr schon ein bisschen beeindruckt, als Max die Rechnung im Tre Fratelli mit «Waldmeyer» bezahlte – seiner eigenen Währung. Luigi kritzelte dafür lediglich etwas auf einen kleinen Zettel. Nun, das war natürlich erst der Beginn der Idee einer digitalen Währung; Luigi hätte den Betrag auch in sein altes Nokia eingeben können, dann wäre der «Waldmeyer» wohl etwas digitaler hinterlegt worden.

Das Lustige an den digitalen Währungen (oder Kryptowährungen) ist, dass sie eigentlich jeder produzieren kann. Nebst ein bisschen Informatik brauchte es dazu offenbar nur ein gesundes Mass an Unverfrorenheit und genügend Überzeugungskraft. Die digitale Währung muss auch nicht mit irgendeiner Reservewährung hinterlegt oder abgesichert werden - man schafft sie einfach. Aus dem Nichts.

Befeuert wird dieser Hype durch die starken Kryptowährungen, die zum Teil durch die Decke gingen. Wie Bitcoin, Tether oder Ethereum. Im Umfeld Waldmeyers gab es plötzlich Leute, die damit unanständig viel Geld verdienten. Ungefähr die gleichen Leute verloren allerdings später ebenso viel Geld damit. Zur Erinnerung: Bitcoin startete einmal bei fast null, stieg dann 2021 bis auf über 60’000 US-Dollar, fiel dann 2022 wieder dramatisch, rappelte sich nun wieder etwas auf und dümpelt nun bei gut 20’000 dahin. Je nach Expertenmeinung wird es wieder steil nach oben gehen – oder auf null runter. «Da kannst du ja gleich ins Casino nach Baden gehen», meinte Charlotte. Stimmt. Aber trotzdem, das Thema sollte einmal richtig zerlegt werden.

Nun also zu Waldmeyers Auslegeordnung, die die Zukunft dieser Währungen doch etwas in Frage stellt:

  1. Kryptowährungen werden zu einem hohen Prozentsatz für kriminelle Zwecke verwendet. Sie weisen damit alle einen Seriositäts-Malus auf.

  2. Deren «Geldmenge» kann jederzeit manipuliert werden. Wird zu viel produziert, sinkt der Wert. Eine Kontrolle diesbezüglich besteht nicht.

  3. Digitale Währungen basieren in der Regel auf nichts. Auf keinem Eigenkapital, keiner Reservewährung, keinem Währungskorb, keinem Rohstoffbasket, auch nicht auf Gold.

  4. Die Entwicklung der digitalen Währungen gefällt den Notenbanken nicht, denn die systemischen Risiken sind augenfällig. Notenbanken könnten künftig Verbote in die Wege leiten. Nur schon, um alternativ eigene, digitale Währungen zu lancieren. China wartet nur darauf - in der Hoffnung, den US-Dollar als Leitwährung einmal ablösen zu können.

  5. Die Volatilität der digitalen Währungen ist sehr hoch. Deren Werte befinden sich seit Jahren auf einer Achterbahn. Starke Währungen sind indessen stabil. So musste auch Elon Musk das Projekt aufgeben, seine Elektroschlitten mit Bitcoins kaufen zu lassen. Auch die Globus Delicatessa, so Waldmeyers Überlegung, würde sich davor hüten, sein Tunatatar mit Bitcoins bezahlen zu lassen. Zu unsicher.

  6. Jede fünfte digitale Währung streckte bereits die Waffen. Die Wahrscheinlichkeit von Totalverlusten ist nicht unerheblich.

  7. Es besteht einfach zu wenig Vertrauen in die Währungen. Selbst bei Bitcoin weiss man nicht, wer tatsächlich dahintersteckt. Während Waldmeyers Konto bei der ZKB (früher bei CS) dauernd durchleuchtet wird, hat man keine Ahnung, wer bei Bitcoin das Sagen hat. Ob man etwa mal irgendwo irgendjemanden anrufen könnte?

Es wird kolportiert, dass zwei clevere Österreicher hinter Bitcoin stecken. Sie klopfen sich wohl täglich auf die Schenkel.

  1. Falls es sich um «echte» Kryptowährungen handelt, mit end-to-end Verschlüsselung und auf der Blockchain-Technologie basierend, verbrauchen deren Transaktionssysteme heute bereits so viel Elektrizität wie ganz Spanien. Eine weltweite Ausweitung dieser Währungen (zur Kompensation bisheriger Währungen) wird damit zum Scheitern verurteilt sein.

Und nun das Fazit Waldmeyers: Eigentlich handelt es sich bei den Digitalwährungen um «Shitcoins».

Zusammenfassend: Die Kryptowährungen – oder die digitalen Währungen generell – sind ihm nicht geheuer. Und sicher sind sie so oder so auch nicht.

Aber trotzdem, eine eigene digitale Währung zu lancieren, ist etwas anderes, das hat durchaus seinen Reiz. Denn dann sind die Risiken ausgelagert. Also was soll das Lamentieren über digitale Währungen, wenn man – proaktiv – selbst eine schaffen und von der Gier oder der etwas vernebelten Zukunftsvision Dritter profitieren könnte!

Waldmeyer beschloss, das Projekt nun nicht nur auf dem Stand einer lustigen Idee zu belassen, sondern tatsächlich eine eigene digitale Währung zu lancieren. Kein Shitcoin, sondern etwas Beständiges: Den «Waldmeyer».

Zu Beginn sollte ein «Waldmeyer» einem Franken entsprechen. Nachher würde er natürlich viel teurer werden. Und einen «Waldmeyer» würde er in Hundert «Rohnerli» unterteilen. Ein «Rohnerli» ist also nicht viel wert. Dies quasi als Hommage an den früheren CS-Präsidenten, welcher in seinem Unvermögen und seiner Ignoranz den Wert der CS-Aktie über Jahre quasi vernichtet hatte.

«Und wer soll denn «Waldmeyer» kaufen?», fragte Charlotte.

«Nun, jeder, der rasch viel Geld verdienen möchte», antwortete Waldmeyer. «Zum Beispiel ganz normale Leute, die eben auch ins Casino in Baden gehen. Es sind wohl einfach Spieler.»

«Oder komische Leute, die CS-Aktien gekauft hatten», warf Charlotte ein. Etwas betreten senkte Waldmeyer den Blick und antwortete nicht.

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Autor/in
Roland V. Weber

Roland V. Weber (*1957) verbrachte einige Zeit seines Lebens mit ausgedehnten Reisen. Aufgewachsen in der Schweiz, studierte er Betriebswirtschaft in St. Gallen und bekleidete erst verschiedene Führungspositionen, bevor er unabhängiger Unternehmensberater und Unternehmer wurde. Er lebt in den Emiraten, in Spanien und in der Schweiz. Seit Jahren beobachtet er alle Länder der Welt, deren Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Er bezeichnet sich selbst als «sesshafter digitaler Nomade», als News Junkie, Rankaholic und als Hobby-Profiler.

Roland Weber schreibt übrigens nur, was er auch gerne selbst lesen würde – insbesondere, wenn Sachverhalte messerscharf zerlegt und sarkastisch oder ironisch auf den Punkt gebracht werden.

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