Katastrophen haben es nun einmal an sich, dass sie sich selten ankündigen. Sie sind etwa mit der gleichen Genauigkeit vorauszusehen, wie Bankanalytiker den Verlauf der CS Aktie prognostizieren. Waldmeyer hat deshalb eine persönliche Katastrophen-Checkliste ausgearbeitet.
Den grossen Strauss von möglichen Katastrophen vor Augen führt zum logischen Schluss, bestmöglich Vorsichtsmassnahmen zu treffen. Von einem Katastrophenfall könnte man auch, beispielsweise, während einer Italienreise erfasst werden. Frei nach Murphys Law könnte, auch nur beispielsweise, der Vesuv genau dann ausbrechen, wenn sich Waldmeyer in Neapel befindet. Das Vesuv-Risiko wird übrigens stark unterschätzt: Ein Ausbruch ist erstens nicht unwahrscheinlich, und zweitens könnte er verheerend für ganz Europa sein. Die Aschewolke würde den halben Kontinent in einen mehrmonatigen dunklen Winter versetzen – mitsamt unseren schönen Sonnenkollektoren.
Wenn wir uns nur etwas weiter von zu Hause entfernen, laufen wir ohnehin Gefahr, wenn nicht von Katastrophen, so doch zumindest von Infrastrukturdefiziten heimgesucht zu werden. Wir müssen uns also vorsehen – ob im Ausland oder zuhause. Waldmeyer hat dafür eine Checkliste ausgearbeitet, welche fairerweise nichts mit Paranoia, sondern einzig mit intelligenter Umsicht zu tun hat.
Seit dem 8. Januar 2021 wissen wir, wie nahe wir an einem Blackout vorbeigeschrammt sind (vgl. Waldmeyer in Die Ostschweiz vom 29.07.2022). Der Bundesrat hatte schon vor Jahren definiert, welche möglichen Krisen die höchsten Wahrscheinlichkeiten aufweisen. An erster Stelle steht dabei gerade eine Strommangellage. An zweiter Stelle eine Pandemie. Hohe Wahrscheinlichkeiten weisen beispielsweise auch Cyberattacken auf. Andererseits fehlen auf dieser Krisenliste des Bundes klassische militärische Kriegsszenarien – so etwa die Gefahr, dass die Russen den Rhein überschreiten. Waldmeyer weiss, dass der Bund jetzt, im Rahmen des Ukrainekrieges, die Krisenliste wieder neu bearbeitet. Die Vorbereitung auf eine Krise ist dann eine andere Sache: Der Bundesrat kann das jeweils elegant an die Kantone delegieren. Oder fällige Entscheide generell auf die lange Bank schieben (so wie der Ersatz unserer veralteten Kampfjets).
Waldmeyer ist überzeugt, dass wir auch auf eine Strommangellage nicht vorbereitet wären. Der Bundesrat würde dann wieder vor die Presse treten und wahrscheinlich erneut lügen. So wie bei den Masken. Er würde erklären, dass es Strom gar nicht braucht. Strom würde generell überschätzt, und der Bundesrat würde die Lage ausserdem studieren. Vermutlich würde man auf Bundesrat Bersets bewährte Formulierungen zurückgreifen: „Wir müssen jetzt einfach schauen, dass wir gut studieren können, wie wir dann entscheiden sollen …“ Oder ähnlich. Leider würde es im Falle eines Blackouts beispielsweise, einfach departementbedingt, insbesondere Simonetta Sommaruga treffen; sie wird als ausgebildete Pianistin vielleicht keine Traumbesetzung für die oberste Infrastruktur-Krisenchefin sein, aber sie wird bestimmt wieder dazu beitragen, dass ein Ruck durch die Bevölkerung geht. Oder es erfolgt eben die Delegation des Krisen-Managements an die Kantone. Nur: Damit wird das Licht nicht wieder angehen.
Genau deshalb meint Waldmeyer: „Selbst ist der Mann“ und hat dafür die 12 Waldmeyer’schen Theoreme entworfen. Im Wissen darum, dass die meisten künftigen Krisen wohl strombedingt sein werden.
Um den Leser nicht zu langweilen: Die WM-Theoreme Nummer 1 bis 11 betreffen intelligente Vorsichtsmassnahmen betreffend Halten von Wasser- und Lebensmittelvorräten sowie Bargeld, das Vermeiden von Smart-Home-Lösungen und digitalen Schliesssystemen, das Bereithalten von aufgetankten Fluchtfahrzeugen, etc.
Entscheidend ist das 12. WM-Theorem: „Der moderne Mensch hält sich einen Generator.“ Dies als Alternative jüngster Strom-Protagonisten, sich jetzt Brennholz und Kerzen zuzulegen. Bei jeder unabhängigen und/oder grösseren Immobilie gehört ein Generator zur zwingenden Grundausstattung. Diese Regel gilt gerade jetzt im Rahmen der ziemlich sicher bevorstehenden Stromknappheit. Ein Stromunterbruch über mehrere Stunden oder Tage zerstört nicht nur den kostbaren Inhalt des Kühlschrankes oder des Weinkellers, er kappt den Menschen ganz einfach von seiner Aussenwelt. Sogar die Klospülung könnte so lahmgelegt werden, da die Wasserpumpe nicht mehr funktioniert. Und Mobiltelefone und Laptops müssen selbstverständlich immer aufgeladen werden können. Ein paar Kanister Treibstoff gehören ebenso zur Grundausrüstung. Bei der Wahl des Generators gelten zwei Regeln: erstens eher etwas stärker und zweitens das Modell so auswählen, dass der Treibstoff kompatibel mit dem Fluchtfahrzeug ist (also entweder Benzin oder Diesel).
Das 12. Theorem betrachtet Waldmeyer als fast das wichtigste, auch wenn er damit in der Nachbarschaft in Meisterschwanden nur Spott erntet. Waldmeyer lächelte und dachte dabei an seine Nachbarin Bettina Honegger (die mit den Verschwörungstheorien), wie sie im Dunkeln angekrochen käme und um zehn Minuten Aufladezeit für ihr Handy betteln würde. Waldmeyer würde die Hilfe vielleicht verweigern und sie daran erinnern, dass so eine Auszeit doch auch der Gesundheit zuträglich sein könnte. Waldmeyer würde Bettina auch daran erinnern, dass es doch die 5G-Antennen waren, die (mithilfe Bill Gates) die Pandemie ausgelöst hatten!
Zu seinen 12 Theoremen meint Waldmeyer generell: kleine Vorsichtsmassnahme, grosse Wirkung. Er orientierte Charlotte mit einer abschliessenden Konklusion: „Diese Denke gilt einfach als Vorbeugung für den Blackout, welcher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kommen wird.“
Wieder einmal unterbrach Charlotte dieses singuläre Brainstorming Waldmeyers und erinnerte ihn an die Ferienplanung: „Was ist jetzt mit Italien im September, Schatz?“ Waldmeyer blickte entgeistert zurück: „Aber nicht bis Neapel runter, ja!“
Roland V. Weber (*1957) verbrachte einige Zeit seines Lebens mit ausgedehnten Reisen. Aufgewachsen in der Schweiz, studierte er Betriebswirtschaft in St. Gallen und bekleidete erst verschiedene Führungspositionen, bevor er unabhängiger Unternehmensberater und Unternehmer wurde. Er lebt in den Emiraten, in Spanien und in der Schweiz. Seit Jahren beobachtet er alle Länder der Welt, deren Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Er bezeichnet sich selbst als «sesshafter digitaler Nomade», als News Junkie, Rankaholic und als Hobby-Profiler.
Roland Weber schreibt übrigens nur, was er auch gerne selbst lesen würde – insbesondere, wenn Sachverhalte messerscharf zerlegt und sarkastisch oder ironisch auf den Punkt gebracht werden.
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