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Freitags-Glosse

Waldmeyers Albtraum von 2028: Warum die Schweiz den Dollar einführte

Es war wieder einer dieser Albträume, der Waldmeyer schweissgebadet aufwachen liess. Immerhin handelte es sich dieses Mal um einen sehr prospektiven Traum, der deutlich über die Prognosen gescheiter Ökonomen hinausging – auch über die Visionen von Warren Buffet hinaus, beispielsweise.

Roland V. Weber am 15. April 2022

Bisher dachte Max Waldmeyer immer, dass man sich einfach an Warren Buffet halten sollte. Der US-Anlegerguru bekam in der Retrospektive, was die künftige Entwicklung der Märkte betraf, nämlich meistens recht. Schon damals, 2000, bei der Dotcom-Blase. Auch heute, immer noch im Nach-Corona-Modus und unter dem Eindruck des Ukrainekrieges, hält Buffet ganz einfach cash – und macht vorab so viel wie nichts. Waldmeyers Albtraum ging nun aber über diese clevere Strategie hinaus, es war ein kristallklarer Blick in die Zukunft – und deshalb umso wertvoller.

Das Jahr 2028, so Waldmeyers fürchterlicher Traum, war nun plötzlich von einer geld- und währungsmässigen Zeitenwende gezeichnet. Doch erst zurück in dieser wirren Chronik. Es kam so: Die Europäische Zentralbank EZB hatte in den Jahren ab 2020 unablässig gigantische Summen an Geld und Schulden produziert. Italien lag deshalb bereits 2024 wieder auf dem monetären Operationstisch, im Koma quasi, mit einer letzten Operation am offenen Herzen. Waldmeyer machte sich – im Traum, wohl verstanden - sofort Sorgen betreffend Nachschub seines Lieblingsweins (Terre Brune, Sardinien).

Der Bankrott Italiens auf jeden Fall war nicht mehr aufzuhalten: Die Reformen griffen nicht, Investoren zogen sich alle zurück, das Bankensystem kollabierte, der Schuldenstand lag bei 255% des BIP, und Geld war nur noch via die unzähligen Eurorettungsschirme zu erhalten. Die EZB warf nicht Milliarden, sondern Billionen auf. Somit war Waldmeyers Albtraum nur eine natürliche Rückkoppelung von all den geld- und finanzpolitischen Übeltaten der Vorjahre. 2026 kam der Kollaps von Spanien hinzu, 2027 meldete Griechenland die Zahlungsunfähigkeit an. Schon wieder.

Schon vorher, 2026, setzte die galoppierende Inflation ein – und sogar massiv. Die Lieferketten-bedingte und durch die Ukraine verursachte Energie-bedingte Inflation ab 2022 war Geschichte. Nun kam, und zwar mit Wucht, die Retourkutsche für die irre Vermehrung der europäischen Geldmenge. Die Inflation war deutlich zweistellig; aus Frankreich wurden 33% gemeldet. Immerhin, die Immobilien hielten sich gut, europaweit. Aber die Bankguthaben sublimierten sich quasi, auch die Pensionen der europäischen Bürger. Geld war nichts mehr wert. Alle Euro-Länder waren davon betroffen. Bruno Spirig, Waldmeyers Cousin, triumphierte: Seine Villa auf El Hierro gewann dank Hyperinflation täglich an Wert, gemessen zumindest in diesem schwindsüchtigen Euro (pro memoria: Spirig hatte sich im Frühjahr 2020 mit vier erschlichenen Schweizer Corona-Krediten auf die Kanaren abgesetzt). Und Waldmeyer selbst musste am Telefon täglich Chinesen abwehren, die ihm seine Villa in Meisterschwanden abkaufen wollten.

Obschon tief im Rem-Schlaf, spürte Waldmeyer so etwas wie Genugtuung. Albträume haben es an sich, dass man durchaus reflektieren kann. Er hatte also doch recht bekommen. Trotzdem lief es ihm, schlafenderweise, kalt den Rücken hinunter, als kurz ein Fetzen eines Charts aufflackerte, der den Eurokurs bei 59 Rappen zeigte. Waldmeyer versuchte sich krampfhaft an den Stand seines Eurokontos bei der UBS zu erinnern. Er schaffte es nicht.

Die Börse crashte bereits Monate zuvor. Waldmeyer triumphierte im Schlaf: Er hatte es doch gewusst! Die gehandelten Werte hatten sich zuvor in absurder Weise vermehrt und lagen weit weg von jeglicher Realität. Die Notenbanken kauften zwar noch lange und ungehemmt Papiere an der Börse auf – zumindest bis zum Regierungswechsel in den USA 2025 und zur abrupten Abwahl an der EZB-Spitze anfangs 2026. Aber irgendwann war Schluss, das Fuder war überladen. Der Crash kam rasch und heftig, die Indizes fielen um 70% und rissen global alle Börsen in den Abgrund. Das Konterfei von Waldmeyers früherem Banker, Pierin Caduff, schwebte kurz vorbei, dieser riet ihm dringend zum Nachkaufen. Er könnte doch seinen Goldbestand – inzwischen verdreifacht im Wert – in Aktien investieren. Caduff verschwand jedoch vor dem geistigen Albtraum-Auge so rasch, wie er gekommen war. Nun überstürzten sich die Ereignisse draussen in der Wirtschaft endgültig:

Es geschah über Nacht, am 23. November 2028. Der Euro wurde de facto abgeschafft. Nein, die Länder kehrten nicht zu ihren ursprünglichen Währungen zurück, es gab nicht wieder Peseten, Kronen oder Francs. Es gab auch keinen Eurosplit, nämlich einen potenten „Nordeuro“ und einen lendenlahmen „Südeuro“, wie noch kurz zuvor prophezeit wurde. Es kam ganz anders: Die nördlichen Eurostaaten „schenkten“ den faulen Euro einfach den Südstaaten, schafften aber gleichzeitig eine eigene neue Währung, nämlich den Allamann. Ein Allamann entsprach 100 Merkel. Nebst Deutschland und allen nördlichen Euroländern machten auch die Nicht-Euromitglieder Dänemark, Island und alle östlichen Staaten sofort mit. Norwegen führte – als Nicht-EU-Land – den Allamann geschickt zum fixen Wechselkurs als Zweitwährung zu ihrer Krone ein. Belgien entschied sich, nach kurzem Ringen, ebenso für den Allamann und nicht für den Alteuro, denn die tüchtigen Flamen setzten sich erwartungsgemäss gegen den inzwischen moslemisch dominierten frankofonen Teil des Landes durch. Alles geschah über Nacht.

Die Südstaaten wurden mit ihrer kaputten Währung nun spottbillig, konnten sich vor der fortschreitenden Hyperinflation jedoch nicht wehren. Der taumelnde Euro wurde noch kurzfristig in „Lagard“ umbenannt. Ein Lagard entsprach übrigens hundert Draghis, was wohl als Hommage an den früheren wundersamen Geldvermehrer gedacht war. Aber es nützte nichts, denn auch der Lagard setzte seinen Weg Richtung Süden fort. Waldmeyers Frau Charlotte tauchte kurz auf im Traum, mit roten Augen und ziemlich verstört. Sie wedelte mit ihrer I-Pad-Folie (die gab es allerdings nur bis 2026, aus Taiwan, bis das Land von China annektiert wurde), darauf erschien ein Urlaubsangebot für Griechenland. Es wurde ein negativer Preis angeboten. Ohne Flug zwar, aber man erhielt, pro Übernachtung, gratis obendrein ein Kilo Euronoten. Ein negativer Preis in Euro …? Das war nicht unbedingt schockierend, Waldmeyer hatte ja bereits 2020 erwogen, zu einem negativen Preis seinen Öltank zu füllen.

Aber zurück auf die Traumschiene: Schon vorher war der Schweizer Franken explodiert. Der Auftrieb liess sich leider auch durch die Allamann-Einführung nicht stoppen, und am 1. Januar 2029, um 00:00 wurde der Schweizer Franken aufgegeben. Die Eidgenossen führten den US-Dollar ein. Sie hatten keine Wahl mehr. Den Allamann wollte man nicht, das wäre den eurokritischen Bürgern nicht zumutbar gewesen. So wurde 1 CHF zu 1.58 USD konvertiert. Ein Drama für die Exportnation, aber zumindest hatte man nun Ruhe.

Soweit zum Waldmeyers Albtraum. Am nächsten Morgen am Frühstückstisch war Max noch etwas angeschlagen. Er war gerade mit der dringenden online Weinbestellung für den Nachschub an Terre Brune beschäftigt, als Charlotte ihn fragte, warum er sie – mitten in der Nacht - nach dem Stand des Eurokontos fragen wollte.

„Stimmt. Wir sollten die Euros schnellstmöglich ausgeben. Der Wechsel in Allamann ist zu kompliziert.“

Charlotte schaute entgeistert zurück und entschied, nicht weiter nachzufragen. Sie blätterte weiter in den Ferienprospekten. Als Waldmeyer zu ihr rüber blickte, erschrak er und verschüttete seinen Kaffee: Es waren Unterlagen für Griechenland.

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Autor/in
Roland V. Weber

Roland V. Weber (*1957) verbrachte einige Zeit seines Lebens mit ausgedehnten Reisen. Aufgewachsen in der Schweiz, studierte er Betriebswirtschaft in St. Gallen und bekleidete erst verschiedene Führungspositionen, bevor er unabhängiger Unternehmensberater und Unternehmer wurde. Er lebt in den Emiraten, in Spanien und in der Schweiz. Seit Jahren beobachtet er alle Länder der Welt, deren Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Er bezeichnet sich selbst als «sesshafter digitaler Nomade», als News Junkie, Rankaholic und als Hobby-Profiler.

Roland Weber schreibt übrigens nur, was er auch gerne selbst lesen würde – insbesondere, wenn Sachverhalte messerscharf zerlegt und sarkastisch oder ironisch auf den Punkt gebracht werden.

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