Seit Juni 2016 gehört Marc Mächler der St.Galler Regierung an und steht seit 2020 dem Finanzdepartment vor. Anfang Juni 2021 übernahm er für ein Jahr das Präsidium der Regierung. In Corona-Zeiten muss der FDP-Politiker tief in die Sparkasse greifen.
Dies ist ein Auszug aus dem Gespräch mit Regierungsrat Marc Mächler. Das vollständige Interview ist in der Printausgabe «Die Ostschweiz» (03/2021) erschienen.
Marc Mächler, auf Ihrem Schreibtisch steht ein Sparschwein. Eines von vielen, dass Sie als Finanzchef mittlerweile als Präsent erhalten haben?
Bisher ist es das einzige. Ich habe es von der FDP-Fraktion bekommen, als ich in der Aprilsession zum Regierungspräsidenten 2021/22 gewählt wurde. Für einen Finanzchef natürlich ein passendes Geschenk.
Mit Ihnen kann, ja muss man etwas tun, was Schweizer eigentlich nicht gerne machen: Über Geld reden. Sie sind Vater von drei Kindern. Welche Werte vermitteln Sie diesen in Bezug auf Geld?
Auch bei meinen Kindern vertrete ich den Grundsatz, dass man nur so viel ausgeben soll, wie man einnimmt. Das einzuhalten ist gerade bei Kindern immer wieder eine Herausforderung. Die Lust nach einem höheren Konsum ist auch hier vorhanden. Ich bin aber der Meinung, dass es sehr wichtig ist, zu vermitteln, dass man nicht dauerhaft über die eigenen Verhältnisse leben kann – auch wenn es hin und wieder schön wäre. Nachhaltig ist es nicht. Das will ich meinen Kindern vermitteln. Denn letztlich prägt das für das ganze Leben.
Sind dies dieselben Aspekte, die Sie selbst schon von Ihren Eltern gehört haben?
Im Grundsatz, ja. Auch sie lehrten mich das. Und auch, dass man für jene Zeiten etwas auf die Seite legen sollte, die schlechter sind.
Damit sind wir beim Thema. Die schlechten Zeiten haben wir erlebt. Wie gross ist das finanzielle Polster noch? Wie gut geht es dem Kanton finanziell?
Finanziell geht es ihm im Jahr 2021 nicht gut – gerade auch im Vergleich zu anderen Jahresrechnungen. Wir haben aber den Vorteil, über relativ hohe Reserven zu verfügen. Eine kluge und nachhaltige Finanzpolitik in der Vergangenheit – getreu dem Motto «Spare in der Zeit, so hast du in der Not» – verschafft uns eine gute Ausgangslage. Wir verfügen über rund 1,3 Milliarden Franken, die es uns erlauben, die doch sehr anspruchsvolle Zeit finanziell zu meistern und «Corona-bedingt» Mehrausgaben zu tätigen. Mittel- und langfristig müssen wir das strukturelle Defizit aber wieder eliminieren. Wir müssen den Haushalt wieder ins Gleichgewicht bringen.
Welches zeitliche Ziel hat man sich hierfür gesteckt?
Das Gleichgewicht soll etappenweise in der Zeitspanne von 2022 bis 2024 erreicht werden. Alle Ökonomen gehen grundsätzlich davon aus, dass dies wirtschaftlich gesehen sehr gute Jahre sein werden.
Allerdings wurden in den vergangenen Monaten einige Begehrlichkeiten geweckt. Nicht wenige sehen im Staat die grosse Erlösung, wollen an der Nähe festhalten. Wie lange wird es dauern, bis das alles wieder entflechtet ist?
Das wird leider noch einige Jahre dauern. Gewisse Branchen – der Tourismus beispielsweise – verdeutlichen schon jetzt, dass die Corona-Nachwehen noch lange anhalten werden. Man will bereits den roten Teppich für künftige Finanzspritzen ausrollen. Mit solchen Forderungen müssen wir vorsichtig umgehen. Der Topf des Staates ist nicht für dauerhafte Hilfe an Unternehmungen da. Aufgabe des Staates ist es, während einer Krisenzeit Impulse zu geben, um kurzfristig das Überleben zu sichern. Und das ist im grossen Stil geschehen. Anschliessend aber muss die Wirtschaft wieder auf eigenen Beinen stehen.
Wie häufig mussten Sie in den vergangenen Monaten Ihr liberales Gedankengut in eine Schublade stecken und für einen Moment vergessen?
Was – gerade auch finanziell gesehen – während der Corona-Situation abgelaufen ist, würde ein liberaler Bürger in normalen Zeiten heftig bekämpfen. Ich habe aber vollstes Verständnis, dass man in einer Krisenzeit ausserordentliche Massnahmen ergreifen muss. Aber nochmals: Für mich ist zentral – gerade auch mit einem liberalen Verständnis –, dass es zeitnah wieder eine Rückkehr zur Normalität geben muss. Und das ist einfacher gesagt als getan. Ich mache mir nichts vor: Die Bedürfnisse und Begehrlichkeiten verschwinden nicht von heute auf morgen.
Hätten wir im Kanton St.Gallen eine andere Situation, würde Ihre Position nicht von einem Freisinnigen, sondern von einem Linken besetzt sein?
Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Und letztlich hängt es wohl auch kaum von einer Einzelperson ab. In unserem politischen System entscheidet sehr oft die Gesamtregierung respektive der Kantonsrat. Sicherlich ist es so, dass ich mit der vom Kantonsrat vorgegebenen Stossrichtung der Haushaltssanierung einfacher leben kann, als dies möglicherweise bei einem linken Vertreter der Fall wäre.
Es ist die alte Leier: Die Linken möchten tendenziell mehr ausgeben, die Bürgerlichen die Sparschraube anziehen. Sind das im Grundsatz einfach zwei verschiedene Weltanschauungen bzw. wirtschaftliche Ansätze? Kann man hier überhaupt von Recht oder Unrecht sprechen?
In «richtig» oder «falsch» kann man das nicht einteilen. Es stecken entsprechende Visionen, Modelle und Ideologien dahinter. Wenn man die Ideologie vertritt, der Staat solle möglichst breit aufgestellt sein, dann ist es für mich auch nachvollziehbar, dass man nicht sparen will. Auf der «Gegenseite» nun das Bild einer liberalen Gesellschaft, in welcher Private möglichst viel erwirtschaften sollen und der Staat nur punktuell engagiert ist. Das sind zwei Weltbilder. Weder das eine noch das andere ist besser oder schlechter. Allerdings fuhren wir in der Vergangenheit mit dem System der sozialen Marktwirtschaft deutlich erfolgreicher als mit einem kommunistischen-sozialistischen System.
Mit Blick auf China muss man jedoch auch einwerfen, dass die durch eine gelenkte Autokratie betriebene Wirtschaftspolitik zumindest ökonomisch keine schlechten Ergebnisse erzielt. Wie nachhaltig sie ist, wird sich aber noch zeigen.
Rückblickend ist man immer gescheiter. Wie sieht dies in Bezug auf die Gesamtregierung des Kantons St.Gallen aus? Hat sie in den vergangenen Monaten auch Fehler gemacht?
Da muss man realistisch sein: Dass in diesen Monaten mit so vielen Begehrlichkeiten und Veränderungen auch Fehler gemacht wurden, ist nur selbstverständlich. Ganz wichtig ist, dass man daraus lernt und rasch Massnahmen ergreift. Aus dieser Warte betrachtet bin ich der Meinung, dass wir die Krise in einer Gesamtbetrachtung bisher gut gemeistert haben. Natürlich würde man rückblickend das eine oder andere Themenfeld anders angehen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Nein, darauf will ich bewusst verzichten.
Die Herausforderungen waren und sind unbestritten gross. Brannte im Büro Ihres Kollegen Bruno Dammann, Vorsteher des Gesundheitsdepartements, in den vergangenen Monaten das Licht am Abend jeweils am längsten?
Die kantonalen Gesundheitschefs waren in dieser Krise in der Tat enorm gefordert. Aber auch die Gesamtregierungen aller Kantone wurden mit dieser komplett neuen Situation sehr stark belastet. In St.Gallen wurden wir zusätzlich von der Tatsache gefordert, dass wir ab Juni 2020 eine neu zusammengesetzte Regierung hatten. Wir dürfen aber festhalten, dass wir rasch eine offene Dialogkultur erreicht haben, die zu einer konstruktiven und lösungsorientierten Zusammenarbeit führte. Deshalb konnten wir in gewissen Themen auch schnell Akzente setzen.
Haben Sie in dieser Zeit mitunter die Türe geschlossen, das Telefon ignoriert, um einfach einmal tief durchzuatmen?
Das war nicht nötig. Als Finanzchef bin ich in der Regel in Kombination mit einem anderen Departement gefordert – entsprechend wird vieles in Teamarbeit gelöst. Man unterstützt sich, hilft gegenseitig aus.
Haben Sie grundsätzlich eine dankbare Aufgabe?
Es ist eine spannende Aufgabe. Weil ich ein klassisches Querschnitt-Departement führen darf. All meine Kolleginnen und Kollegen brauchen letztlich Geld. Entsprechend ist es mein Privileg, mich überall einmischen zu dürfen. Ja es gehört zu meinen Aufgaben, mich aktiv einzubringen.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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