Am 26. November 2023 stimmen die Ausserrhoder Stimmberechtigten über die künftige Gemeindestruktur im Kanton ab. Es wird seit der Abschaffung der Landsgemeinde eine der prägendsten Abstimmungen in der Geschichte von Appenzell Ausserrhoden. Wir erklären, weshalb.
Am 26. November 2023 stimmen die Ausserrhoder Stimmberechtigten über die künftige Gemeindestruktur im Kanton ab. Es wird seit der Abschaffung der Landsgemeinde eine der prägendsten Abstimmungen in der Geschichte von Appenzell Ausserrhoden sein.
Doch worum geht es? Was ist an dieser Abstimmung so prägend?
Am 26. November 2023 stehen zwei Varianten über die künftige Entwicklung der Gemeindestruktur in Appenzell Ausserrhoden zur Auswahl: einerseits der vom Regierungsrat bevorzugte Gegenvorschlag und andererseits die sogenannte Eventualvorlage. Beide Vorlagen haben zum Ziel, die Gemeindestrukturen zu erneuern - unterscheiden sich aber im Weg, der dahin führt. Auslöser für den Gegenvorschlag war eine eingereichte Volksinitiative, die später zurückgezogen wurde, da die Eventualvorlage die Anliegen der Initiantinnen und Initianten aufnimmt.
Beim Gegenvorschlag entwickeln Gemeinden und Kanton gemeinsam und unter kantonaler Federführung neue Gemeindestrukturen. Ziel ist, aus den heute 20 Gemeinden drei bis fünf Einheiten zu schaffen und Kräfte zu bündeln.
Bei der Eventualvorlage werden gesetzliche Voraussetzungen geschaffen, damit Gemeinden fusionieren können – ohne konkreten Auftrag. Die Initiative für Fusionen müsste von den Gemeinden selber kommen.
Werden beide Vorlagen abgelehnt, bleibt vorderhand alles beim Alten.
Was erhofft sich der Regierungsrat vom Gegenvorschlag?
Eine Analyse habe gezeigt, dass eine Struktur mit drei bis fünf Gemeinden zu sinnvollen und nachvollziehbaren Gemeinwesen führe. Dies unter verschiedenen Gesichtspunkten wie Bevölkerungszahl, funktionale Räume, Topografie oder bestehende Strukturen der Zusammenarbeit. «Ab einer Zahl von sechs Gemeinden wird es schwierig, zweckmässige Zusammenschlüsse zu bilden», ist der Regierungsrat überzeugt.
Uneinigkeit bei den Parteien
Bei den Parteien zeigt sich bei der Parolenfassung ein klares Links-Rechts-Bild. Sie können sich wohl für beide Varianten – Gegenvorschlag und Eventualvorlage – erwärmen, haben aber unterschiedliche Favoriten.
Während SP und Mitte die Variante der Regierung bevorzugen, ist es bei der FDP und der SVP die Eventualvorlage. Das unbefriedigendste Szenario wäre für die Parteien ein Nein zu beiden Vorlagen und damit der «Status quo».
Pro Eventualvorlage
Die Befürworter der Eventualvorlage bei der FDP weisen unter anderem darauf hin, dass der Fusionswille von den Gemeinden selbst kommen müsse. Die Basis hierfür lege das Fusionsgesetz, das nach einer Annahme der Verfassungsänderung ausgearbeitet und sinnvolle Rahmenbedingungen setze sowie finanzielle Ungleichgewichte ausmerzen und den administrativen Mehraufwand reduzieren würde.
Für die SVP führt der Gegenvorschlag der Regierung zu Zwangsfusionen, während bei der Eventualvorlage «Fusionen durch Gemeinden freiwillig angestossen» werden könnten. «Die Gemeinden behalten mit der Eventualvorlage die grösstmögliche Autonomie und entscheiden selbst, ob und wie Fusionen aus dem Volk angestossen werden», ist die SVP überzeugt.
Pro Gegenvorschlag
Die SP spricht sich hingegen für den Gegenvorschlag aus: «Weil es nicht um eine einzelne Gemeinde, sondern um den ganzen Kanton geht.» Sie fordert den Regierungsrat allerdings auch dazu auf, bei einer Annahme des Gegenvorschlags alle Varianten nochmals kritisch zu hinterfragen und zu entscheiden, ob drei, vier oder fünf Gemeinden den Ansprüchen am ehesten entsprechen.
Dass die Ausserrhoder Gemeindestrukturen überdacht und weiterentwickelt werden müssen, ist auch für die Mitglieder der Mitte Appenzell Ausserrhoden unbestritten. Sie haben sich in einer Mitgliederbefragung deshalb mit rund 80 Prozent deutlich für den Gegenvorschlag und ebenfalls für den Eventualantrag ausgesprochen.
Bevorzugt wird aber der Gegenvorschlag, der «eben nicht nur die unter Druck stehenden, sondern alle Gemeinden in die Pflicht nimmt». Mit dem Eventualantrag würden unattraktive Gemeinden noch mehr ins Abseits geraten, obschon die Aufgabenfülle der Gemeinden nur gewinnbringend bewältigt werden könne, wenn keine Gemeinde von zielführenden Fusionen ausgenommen werde.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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