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Praxisdialog

Was kann man tun gegen den Fachkräftemangel?

Der Fachkräftemangel – oft thematisiert, viel diskutiert. Welche Rezepte Ostschweizer Unternehmen konkret dagegen anwenden, zeigte ein Erfahrungsaustausch im Beirat des WTT YOUNG LEADER AWARD. 

Pascal Tschamper am 02. Juli 2019

Dessen Organisatorin, die Wissenstransferstelle der Fachhochschule St.Gallen, fördert solche Dialoge an der Schnittstelle von Hochschule und Praxis. Gerade beim Fachkräftemangel zeigt sich: Es geht nur gemeinsam.

«Wir brauchen ganz neue Konzepte», fordert Klaus Brammertz, Chef der Bauwerk Boen Group in St. Margrethen. Der Beirat des WTT YOUNG LEADER AWARD diskutierte an seiner Juni-Sitzung den Fachkräftemangel in der Ostschweiz. Dieser Beirat besteht aus knapp dreissig Spitzenkräften aus der Ostschweizer Wirtschaft und tagt zweimal jährlich.

Praxis und Wissenschaft im Dialog

Peter Müller organisiert mit seiner Wissenstransferstelle WTT der Fachhochschule St.Gallen (FHS) nicht nur den WTT YOUNG LEADER AWARD und koordiniert Praxisprojekte in enger Zusammenarbeit mit Wirtschaftsvertretern: «Wir verstehen uns als Schnittstelle zwischen der Hochschule und der Praxis», erzählt der FHS-Professor. Der Beirat sei deshalb auch eine wichtige Plattform, um aktuelle Fragen aus der Praxis aufzunehmen, zu diskutieren und in die Hochschule hineinzutragen – «The Voice of Business World» nennt er den regelmässig stattfindenden Dialog mit Unternehmern und Top-Managern.

Tech-Stellen ausserhalb grosser Agglomerationen

Die Personalchefin von Huber+Suhner in Herisau, Corinne Wehrli, führte die Beiräte ins Thema ein, indem sie ihre aktuellen Herausforderungen beschrieb: «Technologiegetriebene Unternehmen, die abseits der grossen Zentren liegen, sind mehrfach vom Fachkräftemangel betroffen.» Selbst in der Schweiz gebe es in hochspezialisierten Bereichen – wie etwa der Fiberoptik – wenig Ausbildungen. Zudem sei das Lohnniveau in der Ostschweiz kaum hilfreich im Kampf um Talente. Die Beiräte waren aufgefordert, Corinne Wehrlis Fragen zu diskutieren: Wie lassen sich sogenannt weiche Faktoren – wie beispielsweise gelebte Unternehmenswerte – besser während der Rekrutierung thematisieren? Wo und wie erreicht man berufserfahrene Fachleute? Wem kann man einen Unternehmensstandort (wie Herisau) auf dem Arbeitsmarkt schmackhaft machen?

Strukturelle Änderungen gemeinsam angehen

Auch das stark industrielastige periphere Rheintal braucht Massnahmen gegen den Fachkräftemangel. Als Vorstandsmitglied des Arbeitgeberverbands Rheintal hatte Klaus Brammertz deshalb ein Praxisprojekt bei der Wissenstransferstelle WTT-FHS in Auftrag gegeben. Es untersucht nicht nur die Schwierigkeiten bei der Personalrekrutierung, sondern schlägt konkrete Lösungen spezifisch für das Rheintal vor. «Wir sind übersättigt von oberflächlichen Studien zum Fachkräftemangel», beklagt der Manager des bekannten Parkett-Unternehmens. Die Devise heisse: Zusammenarbeit in der Region. Sei es bei der Ausbildung vor Ort, gemeinsamen Lernzentren, Projektpools mit gesuchten Fachleuten oder gar dem Teilen solcher Mitarbeitenden über mehrere Firmen, fährt Brammertz fort.

Ausbilden und Werte leben

«Eigene Leute auszubilden bleibt in unserer Region enorm wichtig», weiss Christian Lienhard, Direktor des Hof Weissbad, der viele Lehrstellen anbietet. Das Appenzeller Hotel gewann 2018 zum vierten Mal den «Swiss Arbeitgeber Award». Und – das sei nichts Neues: «Werte muss man vorleben, um glaubwürdig zu sein.» So gelinge es auch, die Mitarbeitenden als Botschafter auf dem Arbeitsmarkt miteinzubinden, ergänzt Bruno Räss, Partner bei PwC St.Gallen. Grundlage hierfür sei eine offene Feedback-Kultur von unten. «Das bezahlt sich bereits bei der Personalsuche aus.»

Spannende Jobs und Blick ins Ausland

«Wir haben ständig um die 60 Vakanzen für hochspezialisierte Profile», erzählt Karin Stäbler, Personalchefin der Hexagon Geosystems Schweiz – zu der die Leica Geosystems in Heerbrugg gehört. Solch innovative Firmen mit zukunftsträchtigen Technologien schaffen es, international zu rekrutieren. «Wir beschäftigen in Heerbrugg Menschen aus fünfzig Nationen», sagt Stäbler. Damit könne man bei Bewerbenden punkten, die dieses internationale Flair suchten – etwa Entwicklungs-Ingenieure im Bereich künstliche Intelligenz oder Digital Reality. Mit spannenden Projekten versucht auch die Arbonia Gruppe in Arbon ihre Jobprofile anzureichern. Dazu die Personalchefin Maria Romero: «Beispielsweise die Einführung eines globalen IT-Systems ist verlockend.» Gleichzeitig sei es aber ebenso wichtig, gute Leute zu halten – mit fachlicher Personalentwicklung oder der Förderung zu Führungsaufgaben. Und auch für die Arbonia-Personalchefin gilt: «Deutsche und österreichische Arbeitskräfte mindern den Fachkräftemangel hierzulande.»

Attraktiv für junge Familien

«Die Ostschweiz ist besonders interessant für Arbeitskräfte, die eine Familie gründen wollen», sind sich Karin Stäbler und Maria Romero einig. Sicherheit, eine schöne Natur und Sportmöglichkeiten würden in dieser Lebensphase wichtiger als etwa das pulsierende Nachtleben und die Einkaufsmeilen einer Metropole. «Damit werben wir bei diesen Leuten ganz bewusst.» Dieselbe Erfahrung machen viele andere Unternehmen der anwesenden Beiräte – die Umgebung mit Bodensee und Bergen wird «mitverkauft».

Politik ist ebenso gefragt

Christine Bolt, stellvertretende Leiterin des St.Galler Tagblatts, weist auf die Wichtigkeit von Kindertagesstätten sowie attraktiven und bezahlbaren Wohnungen hin. «Dazu gehört ein gutes Nahverkehrsangebot der öffentlichen Verkehrsmittel.» Christoph Solenthaler, Inhaber der Solenthaler Recycling in Gossau, fordert schlussendlich von den anwesenden Beiräten auf: «Auch die bessere nationale Verkehrsanbindung der Ostschweiz ist ein Mittel gegen den Fachkräftemangel und muss aus der Wirtschaft weiterhin mit lauter Stimme eingefordert werden.»

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Autor/in
Pascal Tschamper

Pascal Tschamper (*1974) ist selbständiger Kommunikationsberater in St.Gallen (Tschamper Kommunikation). Zuvor arbeitete als Kommunikationschef im Bildungsbereich und in diversen Marketing-, PR- und Event-Agenturen in Zürich und St.Gallen.

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