In Zeiten, in welchen gefühlt alles nach Fleischersatzprodukten schreit – darf man da guten Gewissens noch Wildfleisch konsumieren? Renato Mariana und Eliane Widin von der «Liebeswerkstatt» vertreten eine ganz klare Meinung, wie sie im Interview verraten.
Als Lebensmitteltechnologe haben Sie vieles gesehen, und auch die (Un-)Wahrheiten rund um Lebensmittel kennengelernt. Weshalb verhält es sich mit der Liebeswerkstatt anders?
Wir wollen in dieser kleinen, aber echten und herzlichen Welt das vorleben, was uns Freude bereitet. Wir arbeiten mit den ältesten und wertvollsten Rohstoffen, welche uns die Natur schenkt. Diesen wollen wir Sorge tragen, wertschätzen und klar von allem anderen unterscheiden, was auf dem Markt angeboten wird.
Von Fisch über Reh bis hin zu Geschenken bieten Sie eine grosse Auswahl. Was ist besonders beliebt?
Wir konzentrieren uns in der Anfangsphase vor allem aufs Wild, da ich selbst zur Jagd gehe. Aus diesem Bereich sind beispielsweise das «Hirschbrügeli», eine Art Mostbröckli vom Hirsch im praktischen Format zum selber schneiden, der Fleischkäse vom Wildschwein zum selber backen oder die luftgetrockneten Hirschsalsiz klare Leader. Besondere Freude bereiten uns aber auch Spezialitäten, wie beispielsweise Hirschmomos in Zusammenarbeit mit tibetischen Freunden.
Für viele gehört Wild in die Herbstzeit, bei Ihnen ist es das ganze Jahr über erhältlich. Mit wem arbeiten Sie zusammen?
Wild = Herbst – das ist ein alter, hängengebliebener Zopf – oder hätten Sie im Hochsommer Einwände gegen leichte, fettarme Schnitzel vom wildlebenden Reh mit einem Blattsalat? Die kantonal geregelten Jagdzeiten, welche teilweise bereits im Mai beginnen und die nicht negativ beeinflussende Tiefkühllagerung erlauben es das ganze Jahr, einheimisches Wild anzubieten. Wir arbeiten immer mit jenen Fachleuten zusammen, welche unserer Ansicht nach ihr Handwerk besonders gut verstehen. Jeder von ihnen ist in seiner Sparte Spezialist und gibt sich täglich besonders viel Mühe. Genau das suchen und lieben wir. Leute, die für ihr Produkt leben. Mit diesen arbeiten wir zusammen. Andere haben keinen Platz.
In der Corona-Zeit haben viele die regionalen Anbieter berücksichtigt. Hat Ihnen die Krise zu Aufschwung verholfen? Oder ist die Nachfrage ohnehin da?
Viele der Konsumenten schalten beim Einkauf ihr «oberes Stübli» nicht ein, obwohl sie es besitzen. Oder ist es verständlich, dass es Kunden gibt, die für einen Energiedrink, der künstlich hergestellt wird, sechs- bis zehnmal mehr bezahlen als für ein Liter Milch, der nach Bio-Richtlinien produziert wird? Die Pandemie hat vielen Zeit gegeben, das eine oder andere zu überdenken. Die Folge war, dass kleine Ladenformate mehr Erfolg hatten als andere. Das war auch eine Riesenchance für alle Hofläden und Direktvermarkter, was uns sehr freut. Diesen Effekt haben auch wir gespürt. Die Leute fanden Zeit, um zu Hause zu kochen.
Ihre Produkte sind auch im Gnuss-Päckli zu finden. Wie wichtig sind solche Projekte und Zusammenarbeiten für Sie?
Sehr, sehr wichtig. Wir sind sehr glücklich darüber, auf diesem Weg dem regionalen Wild einen Namen geben zu können. Und so dem Konsumenten zu garantieren, dass er ein regionales Qualitätsprodukt kauft. Was gibt’s Schöneres, wenn ich auf einer Packung Rehschnitzel erkennen kann, dass dieses Tier aus seinem natürlichen Lebensraum stammt und unmittelbar in der Nähe erlegt werden durfte?
In einer Zeit, in welcher vieles nach veganen oder vegetarischen Lebensmitteln schreit: Weshalb kann man sich mit gutem Gewissen für Wildfleisch entscheiden?
Denken Sie mal darüber nach, was alles getan werden muss, bis ein veganes Lebensmittel hergestellt ist. Welche Ressourcen und Transportwege dafür verwendet werden. Und dann stellen Sie sich dieselbe Frage zum Wildfleisch aus Ihrer Umgebung. Ich glaube, die Frage ist damit bereits beantwortet. Dazu kommt, dass Wild, hundert Prozent naturbelassen, sehr nährwertreich und fettarm ist.
Für all diejenigen, die sich mit Wild im Hinblick auf die Zubereitung (noch) schwer tun – welche Tipps haben Sie da?
Wildfleisch ist im Umgang viel einfacher zu händeln als industriell Hergestelltes. Wenn man es genau beobachtet, sagt es einem, was zu tun ist. Man sollte damit respektvoll, jedoch in der Zubereitung gleich wie mit Fleisch anderer Tiergattungen umgehen. Man kann keine groben Fehler machen – ansonsten merkt man es schnell. Ein Kochbuch oder ein Rezept sind natürlich immer hilfreich.
Welches Lieblingsrezept oder Wildgericht sagt Ihnen persönlich am meisten zu?
Wenn mein Gemspfeffer reif aus der Beize kommt, die Wintertage kurz werden und es draussen schneit, mir zeitgleich die Sauce gelingt und ich dazu einen guten Tropfen in geselliger Runde geniessen darf, dann wird mir warm ums Herz. Wenn ich an den Sommer denke, sind es die kurzgebratenen Stücke vom Maibock mit knackigen Salaten aus dem Garten, oder der leichte Fleischsalat vom Wildschwein.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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