GLP-Stadtparlamentarierin Magdalena Fässler hat eine Interpellation eingereicht: Sie und 42 Mitunterzeichnende wollen vom St.Galler Stadtrat unter anderem wissen, ob er sich der prekären Lage der meist osteuropäischen Prostituierten bewusst ist.
Magdalena Fässler begründet ihre Interpellation so: Seit der Einführung der Personenfreizügigkeit und der EU-Osterweiterung im Jahr 1999 habe sich die Prostitution stark gewandelt. Diese Grenzöffnung bewirkte, dass heute bis zu 80 Prozent der Prostituierten aus osteuropäischen Staaten wie Rumänien, Bulgarien und Ungarn stammen. Dort, so Fässler weiter, würden die Frauen zum Teil schon als Mädchen in die Prostitution geführt, verfallen einem Loverboy oder haben aus ökonomischen Gründen schlicht keine andere Wahl, als sich ihren Lebensunterhalt mit der Prostitution zu verdienen. Die Frauen werden von den Fahrerorganisationen in reiche europäische Länder, wie die Schweiz oder Deutschland, gebracht. In den meisten Fällen werden sie von ihren Zuhältern kontrolliert, wobei ein Zuhälter auch der Ehemann, der Loverboy, ein Cousin oder ähnlich sein könne.
«Unser liberales Prostitutionsgesetz in der Schweiz ist ein Nährboden für Menschenhandel und Ausbeutung und spielt den Menschenhändlern, Zuhältern, Bordell- und Wohnungsbordellbesitzern sowie anderen Profiteuren in die Karten. Nicht von ungefähr haben wir uns den Ruf eingefangen, zusammen mit Deutschland, als Bordell Europas bezeichnet zu werden», schreibt die Interpellantin. Diese Entwicklung mache auch vor der Stadt St. Gallen nicht halt. Menschenhandel und Prostitution sei heutzutage untrennbar miteinander verbunden.
Sie beobachtet weiter, dass sich das Sexgewerbe in den letzten Jahren von der Öffentlichkeit in private Wohnungen verschoben habe. Die Prostituierten würden für eine bestimmte Zeit ein Zimmer in einem Wohnungsbordell zu überhöhten Untermietpreisen mieten. Diese Verschiebung in den privaten Raum habe das Leben von Prostituierten nicht sicherer gemacht. Neu hinzu komme ein Trend, bei dem Airbnb-Wohnungen für noch kürzere Zeit von Prostituierten gemietet würden.
Fässler schliesst: «Es liegt auf der Hand, dass durch diese undurchsichtige Praxis die Arbeit für Amts- und Beratungsstellen schwierig geworden ist. Diese wissen oftmals nicht, in welchen Wohnungen sich die, unter Umständen schutzbedürftigen Prostituierten, befinden. Diese Entwicklung trägt wiederum dazu bei, dass illegale Arbeitsstätten für die Prostituierten immer mehr zunehmen. Zuhälter und Menschenhändler befinden sich in einem vermeintlich rechtsfreien Raum.»
Die Stadtparlamentarierin hat einen weiteren Katalysator ausgemacht: St.Gallen habe einen im Vergleich zu anderen Städten hohen Leerwohnungsbestand mit billigem Wohnraum. Dies spreche sich im Rotlichtmilieu herum und ziehe zusätzliche Wohnungsbordellbesitzer in die Stadt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der Wohnungsbordelle in der Stadt St. Gallen stark angestiegen sei, findet sie. So soll sich die Hälfte aller Rotlichteinrichtungen des gesamten Kantons in der Kantonshauptstadt befinden. Damit ein Baugesuch für «Zweckänderung in Erotikbetrieben» umgangen werden könne, arbeiten oft nur eine oder zwei Prostituierte in den jeweiligen Wohnungsbordellen.
Im Nebeneffekt wirke sich diese Entwicklung negativ auf die Quartierentwicklungen aus und steht quer zur Liegenschafts- und Innenraumstrategie.
Sie ist überzeugt, dass die Bekämpfung von Menschenhandel nur in Zusammenarbeit mit den verschiedensten Playern in Angriff genommen werden könne. Zu diesen gehöre die Stadt als bewilligende Behörde, die Justiz, die Amts- und Beratungsstellen und nicht zuletzt die Bevölkerung, die Missstände meldet. Und: Die Stadt St. Gallen verfüge über Möglichkeiten, dieser zunehmend besorgniserregenden Entwicklung entgegenzuwirken.
So habe die Stadt Rorschach zum Beispiel eine Ergänzung zum Zonenplan erlassen. Damit wurden die Nutzungen im Stadtzentrum eingeschränkt. Mit dieser Nutzungsbeschränkung bezweckte der Stadtrat, dass das Zentrum von Rorschach vor Immissionen durch sexgewerbliche Nutzung geschützt ist.
Konkret fordert Fässler den Stadtrat auf, drei Fragen zu beantworten: Hat die Stadt einen Überblick darüber, wie viele Wohnungsbordelle sich auf Stadtgebiet angesiedelt haben? Sieht der Stadtrat einen Handlungsspielraum, dieser Entwicklung entgegenzuwirken? Und zum Schluss fragt sie, ob es sich der Stadtrat vorstellen könne, das Sexgewerbe nur noch in bestimmten Zonen zu bewilligen.
«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund 300'000 Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG, ein Tochterunternehmen der Galledia Regionalmedien.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.