Ein «Rundum-Sorglos-Paket» nennen es die Verantwortlichen: In Lichtensteig werden Menschen gesucht, die das Landleben auf Zeit testen. Was sie da genau erwartet, sagt Projektassistent Jonas Harant im Interview.
Sie suchen 20 kreative Menschen, die ein Landleben auf Zeit testen wollen. Das tönt durchaus ansprechend. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Wir wollen Veränderungen auf dem Land anstossen, die einer gemeinwohlorientierten Zukunft dienen. In ländlichen Gegenden sehen wir viel Platz und Offenheit für neue Ideen und Innovationen. Es fehlt nur oft an Netzwerken und nötiger Infrastruktur vor Ort, welche es ermöglichen, dass kreative Pioniere in guter Atmosphäre zusammenkommen können und dort in der Lage sind, spannende Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Um genau solche Orte zu schaffen, organisieren wir den Sommer of Pioneers.
Sie locken mit einem Rundum-Sorglos-Paket. Was ist alles darin enthalten?
Die Pioniere profitieren von einem Rundum-Sorglos-Paket, das eine vergünstigte möblierte Wohnung inklusive Nebenkosten und Internet-Flat sowie kostenlosen Zugang zum Coworking Space «Macherzentrum» enthält. Darüber hinaus erwartet die Teilnehmenden mit Lichtensteig eine Gemeinschaft von Kreativen, die zum gleichen Zeitpunkt starten, sowie zahlreiche engagierte Akteure vor Ort - allen voran die Stiftung Zukunft Bahnhof, die den Summer of Pioneers möglich macht.
Gibt es andererseits auch gewisse Verpflichtungen, die damit eingehen?
Es gibt keine Verpflichtungen im engeren Sinne. Wir wünschen uns natürlich, dass sich die Teilnehmenden als Gegenleistung für das Entgegenkommen der Stadt mit ihrer Kreativität, ihren Ideen und ihren Netzwerken vor Ort einbringen. Das Ergebnis können kulturelle Veranstaltungen, Workshops mit Wissenstransfer oder Nachnutzungsideen sein. Ganz allgemein ist unser Anspruch, für Lichtensteig modellhaft eine gemeinwohlorientierte Zukunft auf den Weg zu bringen.
Die Interessierten können sich auch in andere Projekte miteinbringen, wie beispielsweise der Bahnhofsgestaltung. Welche Ziele verfolgt man da?
Mit der neuen Bahnhofsgestaltung wird ein Experimentier-Ort für eine nachhaltige, gemeinschaftliche Stadtgesellschaft geschaffen. Um dies zu verwirklichen, besteht ein Misch-Nutzungskonzept, das Wohnen, Kultur und Arbeit kreativ miteinander verbindet und Raum für soziale und technische Innovationen schafft. Der zukunft.bahnhof kann dabei von der Kreativität und Kenntnissen der vielfältigen Teilnehmenden des Sommer of Pioneers profitieren.
An welche Menschen richten Sie sich?
Kreative und Digitalarbeiter:innen, also Menschen, die ortsunabhängig arbeiten können, die das Landleben auf Zeit testen wollen und Lust haben, neue Möglichkeiten zur Zukunftsgestaltung zu entwickeln.
Welche Ziele verfolgt man mit dem Projekt?
Ziel ist es, neue Impulse in Lichtensteig einzubringen und die Stadt langfristig noch lebenswerter zu machen. Was nach sechs Monaten Summer of Pioneers bleiben soll, ist eine nachhaltige Aufbruchsstimmung. Diese ist in Lichtensteig spätestens seit der Verleihung des Wakkerpreises ohnehin zu spüren. Auf diesem Erfolg kann der Summer of Pioneers nun aufbauen und die positive Entwicklung unterstützen. Darüber hinaus können neue spannende Bewohner:innen für die Stadt gewonnen werden: In den vergangenen Sommer of Pioneer Projekten verlängerten einige Pioniere ihren Aufenthalt vor Ort oder verlegten ihren kompletten Wohnsitz. Ein Summer of Pioneers fand 2019/2020 beispielsweise im brandenburgischen Wittenberge statt. Nach Abschluss des Projekts blieb die Hälfte der Pioniere in Wittenberge. Sie setzen das Projekt nun als «elblandwerker*» fort, gründeten Agenturen, arbeiten als Selbstständige oder betreiben den selbst gegründeten Kultur- und Begegnungsort «Safari». Ähnliche positive Effekte erwarten sich die Stadt Lichtensteig, die Stiftung zukunft.bahnhof und wir von Neulandia. Was genau dann entsteht, liegt an der Kreativität und Neigungen der zwanzig Teilnehmenden in Zusammenarbeit mit den Menschen und Institutionen vor Ort.
20 Personen werden gesucht. Was denken Sie, wie viele Rückmeldungen es geben wird?
Ich rechne wie an anderen Standorten mit etwa 70 Bewerbungen.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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