Es ist endlich schön draussen – und wir sind drinnen, dafür wie: Im zukunftsträchtigen Rorschacher Industrieareal fanden die Aufnahmen für das Transformationsprojekt «Jazzfenster St.Gallen» statt. – Die Reportage von Peter Hummel.
Text: Peter Hummel / Bilder: Peter Hummel / gambrinus jazz plus
Diese erste eigene TV-Produktion bietet der Ostschweizer Jazz-Szene ein wahrlich noch nie dagewesenes Schau-Fenster.
Da war einmal eine Idee: Der Verein Gambrinus Jazz Plus (gjp) in St.Gallen will in der endlos scheinenden Corona-Pause den zur Untätigkeit verdammten Jazzmusikern zu einer stark beachteten Auftrittsmöglichkeit verhelfen. Einfach auch noch gestreamte Konzerte anzubieten, das kann es aber nicht sein. Das Projekt soll definitiv nachhaltiger sein – eine richtige TV-Produktion wird angedacht. Und weil der Kanton St.Gallen für die Initiative „jazzfenster.sg“ Musikgehör hat, als Covid-Transformationsprojekt gutheisst und zu einem grossen Teil die Kosten übernimmt, kommt diese Offensive zum Fliegen. Um die fehlende Finanzierung zu decken, wird auf Lokalhelden.ch noch ein Fundraising gestartet, welches das Ziel von 30‘000 Franken erfreulicherweise übertrifft, womit die Projektkosten von gut 120‘000 Franken gesichert sind. Damit kann relativ kurzfristig (Corona sei Dank…) eine hochprofessionelle Koproduktion von tvo (dem Ostschweizer Fernsehen), BBM (der führenden Schweizer Konzert-Broadcast-Firma) und Tonkultur (einer der erfahrensten Audio-Aufnahmefirmen) aufgegleist werden.
Braucht es nur noch eine geeignete Location. Eigentlich nennt sich gjp „der stadtweite Club“, mit dem Einstein als „Stammlokal“ und weiteren gelegentlichen Schauplätzen wie Kultbau oder Palace. Doch es wird rasch klar, dass sich in der Gallusstadt ad hoc nicht solch ein nötiges «Fernsehstudio» finden lässt und der Verein für einmal «extra muros» gehen muss. Fündig wird er in Rorschach, wo es dank des örtlichen Jazzclubs (leider selig) immerhin eine Jazztradition gibt. Und ungenutzte Industriebauten zur Genüge – etwa im Komplex Industriestrasse 36B, was sich prima (senza) vista zwar noch nicht wahnsinnig cool anhört.
Und es braucht auch ordentliches Vorstellungsvermögen, um sich auszumalen, wo denn hier zwischen Portugiesenladen, Albanisch-islamischem Verein, LKW-Garage und Fitnessclub ein «Fernsehstudio» sein soll. Aber hoppla, man wähnt sich gleich auf einem anderen Planeten, wie man diese Produktionsstätte von jazzfenster.sg betritt: Dekor stimmig, Licht wow, Maske perfekt, Backstage-Catering gediegen. Und vor allem: Die ganze Location strömt einen unnachahmlichen «Industrial Groove» aus, perfekt passend für eine Jazzproduktion. Gar «wie bestellt» fürs Jazzfenster wirkt das Interviewsetting im Obergeschoss direkt vor einer Fensterfront. Und draussen sorgen ein (einziger) VüCH- Mann, ein kleiner charmanter Empfang und der Risottowagen sogar für ein bisschen Festivalambiance.
Kunststück sagt Andreas Müller, GJP-Präsident und früherer Leiter mehrerer Festivals: «Ich fühle mich hier fast ein bisschen in die Anfänge des OpenAir St.Gallen zurückversetzt –alles sehr charmant, entspannt und persönlich. Und wir sind sehr glücklich, dass wir nach der langen Live-Pause der regionalen Jazz(plus)-Szene wahrhaftig zu einem optimalen Schau-Fenster und damit zu neuer Öffentlichkeit und neuem Publikum verhelfen können.» Und die Musiker wussten diesen Sondereffort auch sehr zu schätzen, wie stellvertretend das begeisterte Echo von Josquin Rosset belegt: «Die Stimmung, die Leute, die Professionalität, das Catering, die Freude, der Enthusiasmus, und und und – es war wirklich wunderbar. Ein richtiges Jazzfestival!»
Auch Hausherr und Immobilienentwickler Gottlieb Kündig strahlt über die rundum gelungene Auferstehung seines «Clubs» (der vor einem Jahrzehnt schon mal Treffpunkt der Rorschacher Jugend war) und tönt auch gleich an, dass es nach diesem gelungenen Probelauf in naher Zukunft mit einem Eventlokal weitergehen soll. Nach der Kleberei und später der Feldmühle-Umnutzung keimt in Rorschachs postindustrieller Downtown jedenfalls eine kreative Kultur-Szene auf.
Jazz-Frühschoppen im tvo
30 Personen waren im Einsatz, um die acht Formationen mit insgesamt 35 Musikerinnen und Musikern ins beste Licht und in den besten Klang zu rücken: Kameraleute von drei Equipen (Konzert- und Interviewaufnahmen und «Behind the Scenes»), Toningenieure und Stagehands, Fotografen sowie Catering- und Gästeservice. Die Auftritte von Urs C. Eigenmanns QuintOrchestra+, 4tetto Mani Nude, Peter Eigenmann Carlo Schöb Quartett, Rosset Meyer Geiger, Nicole Durrer Quartet, SchnozJennyCaflisch feat. Gabriela Krapf, Michael Neff Group und Joana Elena Latin Jazz Project werden zusammen mit Interviews der DRS3-Legende Jodok Kobelt zu acht 45-minütigen Sendungen geschnitten, die ab 22. August jeden Sonntagmorgen im Ostschweizer Fernsehen tvo gezeigt werden.
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