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Die Achse St. Gallen – Vaduz

Wilde Geschäfte im Wilden Osten

Der Finanzplatz Zürich hat sich in den letzten Jahren nicht mit Ruhm und Ehre bekleckert. Aber in seinem Windschatten tut sich im Osten der Schweiz auch einiges.

«Die Ostschweiz» Archiv am 17. Juli 2020

Die unendliche Geschichte um Pierin Vincenz macht weiter Schlagzeilen. Dabei geht es um bald einmal verjährte Anschuldigungen, dass der gefallene Raiffeisen-Star zum Schaden seines Arbeitgebers in den eigenen Sack gewirtschaftet habe.

Peanuts, Kleinigkeiten, Pipifax. Im Vergleich zu dem, was Untreuhänder, Geldhäuser und obskure Multimillionäre im Ländle und in der Ostschweiz so alles anstellen.

Nur kleine Schlagzeilen macht der Fall einer weiteren Zierde der Treuhänderzunft in Liechtenstein, der neben seiner eigentlichen Tätigkeit noch Zeit für sein Hobby fand: eine vollständige Sammlung aller Rolls-Royce zusammenzutragen und auszustellen. Natürlich lässt er alle Zweifel als völlig haltlos zurückweisen, dass er das nicht nur mit eigenem Geld finanzierte.

Es brauchte schon eine veritable Artikelserie, um auch nur einigermassen den Überblick zu behalten. Zwischen St. Gallen und Vaduz tummeln sich eine ganze Menge von Geschäftsleuten, deren Gebaren nicht ganz stubenrein zu sein scheint.

Da wäre mal der Milliardär Martin Schlaff, einer der reichsten Männer Österreichs. Das wird man nicht, wenn man ein Ziel aus den Augen verliert: noch mehr! Dafür gründete Schlaff schon 1987 in St. Gallen die heute noch aktive Fidium Finanz AG. Die vergab in Deutschland Kredite, mit dem damals noch seriösen Anstrich eines Schweizer Geldhauses, aber leider ohne die entsprechenden Bewilligungen. 2003 zog ihr dann die deutsche Aufsicht BaFin den Stecker.

Also gründete Schlaff die Sigma Kreditbank im Ländle. Anderer Name, gleiches Zielpublikum: deutsche Kleinkreditnehmer. Die können sich ohne Bonitätsnachweis bis zu 7500 Euro leihen. «Einfach, schnell, diskret», so preist das Geldhaus sein Angebot an, natürlich vor der Bergkulisse der Ostschweiz. Es gibt nur drei Kredite: Über 3500, 5000 oder 7500 Euro. Zu happigen Zinsen von über 11 Prozent.

Offenbar strebt Schlaff aber nach Höherem. So kaufte die Sigma im März letzten Jahres die Volksbank in Schaan. Damit wäre er, über ein verschachteltes Konstrukt, Besitzer einer hübschen Privatbank mit Volllizenz. Denn Sigma darf nur Gelder verleihen, keine weiteren Dienstleistungen anbieten.

Die hat der Sherkati-Clan aus St. Gallen schon längst. Er hält sich die Liechtensteiner Privatbank Alpinum und lenkt von St. Gallen aus ein weitverzweigtes Imperium. Diskret aus einer St. Galler Villa wird ein Multimillionen-Firmengeflecht kontrolliert.

Unwirsch werden die Sherkatis, wenn man nicht nur die anhaltenden Probleme der Alpinum thematisiert, sondern auch dieses Imperium durchleuchtet. Auf einen entsprechenden Artikel im «Tagblatt» hin entsandten sie einen lokalen PR-Berater in die Redaktion, der solange Stunk machte, bis das «Tagblatt» den Artikel – ohne mich zu fragen, notabene – vom Netz nahm. Glücklicherweise zeigte dann «Die Ostschweiz», was journalistische Ehre ist. Denn faktisch gab es, ausser einer Verwechslung von Nach- und Vornamen, nichts zu meckern.

Aber die Alpinum kämpft inzwischen auch um ihre Banklizenz; sie hat möglicherweise gegen US-Sanktionen in Bezug auf den Iran verstossen. Auch Schlaff hat es nicht leicht im Ländle. Wie das «Vaterland» meldet, hat sich Sigma gerade fristlos von ihrem CEO und einem weiteren Geschäftsleitungsmitglied getrennt.

Es soll sich bei einer genaueren Überprüfung der angekauften Volksbank herausgestellt haben, dass es dort gröbere Probleme bei der Compliance gab. Das ist Bankerenglisch für: Offenbar wurden Kunden von der Volksbank angenommen, die man heutzutage nicht mal mehr mit der Beisszange anfassen sollte.

Auch bei der Liechtensteiner Union-Bank ist Feuer im Dach. Deren wechselvolles Schicksal wird ebenfalls im «Die Ostschweiz»-Dreiteiler über den dunklen Hinterhof der Finanzgeschäfte geschildert. Zurzeit geht es darum, ob die Liechtensteiner Aufsicht einen Krypto-Börsenbetreiber aus China als neuen Hauptaktionär akzeptieren wird.

Ein ganz anderes Kaliber ist die VP Bank in Liechtenstein. Sie ist nicht nur die Lieblingsschatulle für Treuhänder zur Aufbewahrung von Stiftungsvermögen. Mit einer Bilanzsumme von fast 14 Milliarden Franken, knapp 1000 Mitarbeitern und Filialen in der Schweiz, Luxemburg, den britischen Jungferninseln, Singapur und Hongkong gehört sie zu den Big Playern im Banking.

Sie betreut 47,6 Milliarden Franken Kundenvermögen, ist vernetzt und verbandelt, über den Ankauf der Centrum-Bank zum Beispiel mit dem Übertreuhänder Marxer. Oberhalb der VP steht nur noch die Fürstenbank LGT und der Fürst selbst. Und über dem steht bekanntlich nur noch Gott.

Aber auch die VP Bank hat so ihre Probleme. Sie schloss gerade ihre Repräsentanz in Moskau. Mit dem üblichen Geschwafel, Synergien, Konzentration, Optimierung, Blabla. Mit einem Prozess über eine Forderung von 25 Millionen Dollar und einem schon 2018 angestossenen Enforcement-Verfahren in Russland soll das überhaupt nichts zu tun haben.

Diskrete Milliardäre, Clans, Russland, China, Iran, Untreuhänder und Kleinkredite: Der wilde Osten gibt wirklich etwas her, was Finanzstorys betrifft. Der Journalist dankt.

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