Medien sollen nicht so viel über Massnahmenkritiker berichten. Ausgewogenheit sei hier fehl am Platz. Diese Haltung begründet der Sozialwissenschaftler Marko Kovic mit haarsträubenden Vergleichen.
Bild: Marko Kovic bei StrickerTV.
Immer wieder vergleichen Gegner der Zertifikatspflicht und des damit zumindest indirekten Impfzwangs die heutige Situation mit historischen Ereignissen, beispielsweise dem Dritten Reich. Das wird regelmässig kritisiert. Nicht völlig zu Unrecht, weil sich Epochen wie die erwähnte grundsätzlich mit gar nichts vergleichen lassen, jedenfalls nicht im Massstab Eins zu Eins. Gleichzeitig sollte man auch nicht darüber hinwegsehen, dass auch unterschiedliche Entwicklungen ähnliche Wurzeln haben können. Die Ausgrenzung von Menschen aus Teilen des Alltags ist ohne Frage eine Parallele zur Vergangenheit.
Der Sozialwissenschaftler Marko Kovic, seit langem als Sprachrohr für Einschränkungen und Massnahmen, wie sie dem Bundesrat vorschweben, unterwegs, beklagt sich oft über die aus seiner Sicht unzulässigen Vergleiche. Das darf er. Etwas seltsam wird es, wenn er selbst absolut unzutreffende und nur der Diffamierung dienende Vergleiche anstellt.
In einem Gastbeitrag auf 20min.ch beklagt Kovic, «extremistische Massnahmenkritiker» würden zu viel Raum in den Medien erhalten und so ihre Botschaft multiplizieren. Über Demonstrationen solle man am besten gar nicht mehr berichten. Bezogen auf die Aufgabe der Medien, allen eine Stimme zu geben und ausgewogen zu berichten, erteilt er der Mission eine Abfuhr. In der Coronafrage darf es laut ihm nicht um Ausgewogenheit gehen.
Er schreibt dazu:
«Viele Medien sehen extremistische Corona-Gegner*innen und ihre Behauptungen als einfach eine von zwei Seiten. Der Ausgewogenheit halber müsse man sie darum auch zu Wort kommen lassen. Doch diese Vorstellung mündet in falscher Ausgewogenheit, die Medienschaffende bei anderen Themen ganz selbstverständlich nicht anstreben. Oder brauchen wir doch eine Debatte darüber, ob Sklaverei vielleicht doch ok ist? Ob Vergewaltigung eigentlich ganz in Ordnung ist? Ob die Erde doch eine Scheibe sein könnte?»
Man reibt sich die Augen, aber der Satz steht immer noch da und will einfach nicht weggehen. Für Marko Kovic sind Leute, die für die Einhaltung der Grundrechte oder ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit auf die Strasse gehen, dieselbe Kategorie wie Leute, die die Sklaverei wieder einführen wollen oder Vergewaltigung als ganz normales Hobby betrachten. Auch der «running gag» von der flachen Erde darf nicht fehlen, es wird ja gerne verbreitet, Massnahmenkritiker würden aus einem Sammelbecken von Anhängern von absurden Theorien rekrutiert.
Die Kritik an der Politik einer Landesregierung ist nicht dasselbe wie das Einstehen für die Sklaverei oder für straffreie Vergewaltigung. Der Vergleich ist um Längen schlechter als diejenigen, die Kovic so harsch kritisiert. Er stellt damit Menschen ins Abseits, die ihre demokratischen Rechte wahrnehmen und spricht ihnen ganz grundsätzlich ab, auch nur ansatzweise im Recht zu sein.
Würde der widerlichste Vergleich 2021 gekürt: Der Sieg wäre dem Mann sicher.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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