5'000 Besuchende pro Saison und 20'000 Gourmet-Teller – die Zahlen des Tingel-Tangel Varietés sprechen für sich. Gabi Federer ist von A bis Z mit dabei – und für unser Interview haben wir uns deshalb daran orientiert. Und Erstaunliches herausgefunden.
A wie Artisten
Die Artisten sind im Tingel-Tangel Varieté nicht einfach «bloss» Künstler. Sie arbeiten aktiv im Service mit. Das heisst, sie stehen im direkten Kontakt mit den Besucherinnen und Besuchern, bringen das Essen an den Tisch oder räumen die Teller wieder ab. Solche Künstler zu finden, die einerseits hochstehende Artistennummern beherrschen, sich aber auch nicht zu schade sind, Menschen zu bedienen, sei eine Herausforderung, sagt Gabi Federer. «Starallüren sind da natürlich fehl am Platz. Ob sie mit ihrer Art zu uns passen, entscheidet meist das Bauchgefühl.»
B wie Bühnenbild
Wer schon einmal das Tingel-Tangel Varieté besucht hat, der weiss, wie viel Liebe im Detail steckt. Das Menu wird entsprechend angepasst, ja sogar die WC-Anlagen werden zum Thema passend dekoriert. Das Wichtigste jedoch ist das Bühnenbild. Zum zweiten Mal findet in diesem Jahr die Veranstaltung im Spiegelzelt statt. Dieses bietet im Gegensatz zum Zoo-Restaurant deutlich mehr Platz. «Das heisst aber auch, dass wir nun auf ganz andere Sachen achten müssen», hält Gabi Federer fest. «Ein Requisit, welches vorher in den engeren Verhältnissen sehr gut gewirkt hat, verliert sich nun in der Grösse. Die Herausforderung dabei ist, dass wir trotz der grösseren Distanz nicht die Nähe zu den Leuten verlieren.»
C wie Comic
Was der eine lustig findet, lockt bei dem anderen eher ein Augenrollen hervor – Humor ist immer auch eine Geschmackssache. «Ich bin selber jemand, der nicht gleich über alles lacht», so Gabi Federer. Gute Komiker zu finden, sei deshalb eine hohe Kunst. Auch im Tingel-Tangel Varieté hatte man in manchen Jahren schon Künstler dabei, deren Witze nicht wirklich funktionierten. Man habe jedoch daran feilen können. «In diesem Jahr freuen wir uns über zwei sehr gute Komiker, welche die Zuschauer sicher in den Bann reissen werden», sagt Gabi Federer.
D wie Druck
So kurz vor der Premiere ist der Druck omnipräsent. Gerade habe sie eine schlaflose Nacht hinter sich, erzählt Gabi Federer. Zu viel müsse noch erledigt, Punkte auf der Liste abgehakt oder Telefone geführt werden. «Mit der deutlich grösseren Infrastruktur im Spiegelzelt hat der Aufwand natürlich noch einmal zugenommen. Und irgendwie möchte man sich ja auch von Jahr zu Jahr steigern – und nicht versagen.»
E wie Erinnerungen
Die Sprüche, die während des Varietés fallen, werden nicht so schnell vergessen – im Gegenteil. Manchmal ziehen sie sich richtiggehend durchs Leben. Als Gabi Federer im Zirkuszelt des Walter Zoos einmal die «kleine Hexe» spielte, wurde sie von der «Oberhexe» in der Rolle gelobt: «Gut gemacht, kleine Hexe». «Der Spruch kommt deshalb während der Spielzeit des Varietés immer wieder von den Mitarbeitern, wenn ich etwas gemacht habe», sagt Gabi Federer und lacht. Die Texte höre man schliesslich während der gut 50 Vorstellungen jeden Abend – da erstaune es nicht weiter, dass sie sich manchmal zu einem regelrechten «Ohrwurm» entwickeln.
F wie Freiwilligenarbeit
Dieser Punkt ist Gabi Federer besonders wichtig. Denn: Ohne Hilfe von aussen sei an ein Varieté nicht zu denken. Als Beispiel nennt sie ihre Schwester, die kurzerhand ihren Mann und den Camper eingepackt hat und einen Monat vor dem Spiegelzelt wohnt. «Freiwillige Helfer leisten viele Stunden, in welchen sie nähen, hämmern und feilen. Mittlerweile sind wir eine richtige Theaterfamilie geworden – und wir können ihnen nicht genügend dafür danken.»
G wie genussvoll
Pro Vorstellung verlassen an die 150 Teller die Küche des Varietés. Jeder von ihnen muss perfekt arrangiert sein, das Thema wird in Details wieder aufgegriffen. Ein Testessen wird vorgängig serviert. In der Zoo-Küche konnte man auf das entsprechende Inventar zurückgreifen. Im Spiegelzelt muss extra eine Kücheneinrichtung gemietet werden – was einen zusätzlichen Aufwand bedeutet. «Genau so wichtig wie die Darbietungen auf der Bühne ist das Essen – damit der Abend durch das Band genussvoll ist und bleibt.»
H wie Harmonie
Der Walter Zoo und auch das Tingel-Tangel Varieté sind ein Familienunternehmen. Doch wie gestaltet sich die Zusammenarbeit untereinander? «Unsere Familie ist sehr harmoniebedürftig. Wir sollten eher lernen, mehr in die Diskussion zu gehen. Kurz vor der Premiere geht es natürlich hektisch zu und her. Dennoch verlieren wir nie den Respekt voreinander.»
I wie Inspiration
Zusammen mit ihrer Tochter, der Jongleurin Jeannine, diskutiert Gabi Federer viel über mögliche Themen. Sie erinnert sich an frühere Zeiten, in welchen sie in den Fachgeschäften die DVD-Hüllen studierte, um sich Inspiration für weitere Geschichten zu holen. Oder daran, wie sie sich diverse CD’s kaufen musste, weil ihr «gerade zwei Minuten eines Musikstücks gefallen haben – und wir die für die Show nutzen konnten». Durch das Internet, Spotify oder Pinterest sei vieles einfacher geworden.
J wie Jonglieren
Gabi Federer freut sich sehr, dass in diesem Jahr auch ihre Tochter Jeannine nach der Babypause wieder voll ins Tingel-Tangel Varieté einsteigen kann. «Sie ist durch und durch eine Jongleurin – und das setzt natürlich ein hohes Trainingspensum voraus. Ich versuche deshalb, sie so gut es geht zu unterstützen. Es bedeutet mir viel, wenn sie wieder ihre Nummern auf der Bühne zeigen kann.»
K wie Katzen
Gabi Federer ohne ihre Katzen? Eine lange Zeit war das wohl für die meisten unvorstellbar. Und dennoch – die Tiernummern sind aus dem Tingel-Tangel-Varieté verschwunden. «Die Katzennummern waren meine Highlights – aber sie sind nicht mehr zeitgemäss. Und das gilt es, zu akzeptieren.» Privat lebt sie noch immer mit zwei Stubentigern zusammen, die nun aber das süsse Nichtstun geniessen können.
L wie Leihgabe
Einen Grossteil der Requisiten müssen die Verantwortlichen des Tingel-Tangel Varietés selber beschaffen, herstellen oder umbauen. In einigen Fällen gibt es aber auch Leihgaben – beispielsweise vom Stadttheater St.Gallen.
M wie Märchen
Zu Gabi Federers absoluten Lieblingsfilmen gehört «Hugo Cabret». Darin versteckt sich der zwölfjährige Waisenjunge Hugo im Gewölbe des Pariser Bahnhofs. Er zieht tagtäglich die riesigen Bahnhofsuhren auf. «Die Geschichte hat mich für unser Tingel-Tangel Varieté inspiriert», hält Gabi Federer fest. Auch die Romantik wird bei der diesjährigen Show «Zwischen Dampf und Träumen» nicht zu kurz kommen.
N wie Nervosität
Nervosität gehört für Gabi Federer zu ihrem Job dazu. Je näher die Premiere rückt, desto kürzer werde der Geduldsfaden – und das Gehirn «rattere und rattere». «Wenn ich nicht mehr nervös wäre, würde aber auch etwas fehlen. Es zeigt, wie wichtig die Vorstellungen sind.»
O wie Opfer
Seit September laufen die Aufbauarbeiten, der normale Zoobetrieb verlangt ebenfalls einiges ab. Woher nimmt Gabi Federer Jahr für Jahr ihren Ansporn? «Es ist von Kindheit an in mir drin», fasst sie es zusammen. Der Zoo sei immer das Wichtigste für die Familie – und das werde auch so bleiben. Natürlich müsse vieles untergeordnet werden oder komme zu kurz. «Dafür hat man die Freiheit, auch mal wieder ausserhalb der Spielzeit an einem Nachmittag etwas anderes zu machen.» Und sowohl der Zoo als auch das Varieté gebe einem sehr vieles zurück.
_Lesen Sie den zweiten Teil nach der Premiere am 11.11.2022. _
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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