Um der steigenden Zahl von Asylgesuchen Herr zu werden, testete der Bund zuerst ein 24-Stunden-Verfahren für Asylbewerber aus den Maghreb-Staaten – und führte das System anschliessend in allen Bundesasylzentren ein. Die Ergebnisse sind bisher durchzogen.
Etwas mehr als zehn Prozent aller Asylgesuche werden von Personen aus nordafrikanischen Staaten (Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen) gestellt. Die Asylgewährungsquote ist dabei sehr tief: Im Jahr 2023 erhielten nur 14 von 6153 Personen aus diesen Staaten ein Bleiberecht in der Schweiz (vorläufige Aufnahme oder Asylstatus).
Hingegen sind 64 Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle in den Bundesasylzentren auf Asylsuchende aus den Maghreb-Staaten zurückzuführen, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) schreibt. Auch ausserhalb der Asylzentren würden diese überproportional oft strafrechtlich in Erscheinung treten, schreibt das SEM weiter.
Aus diesen Gründen wurde ein sogenanntes «24-Stunden-Verfahren zur Entlastung des Asylsystems» eingeführt: Personen aus Staaten mit erwartungsgemäss tiefer Asylgewährungsquote sollen dieses durchlaufen. Asylgesuche sollen dabei nach Möglichkeit innerhalb von 24 Stunden abschliessend behandelt werden.
Ein erster Pilotversuch fand dazu von November 2023 bis Februar 2024 statt. Asylsuchende im Bundesasylzentrum Zürich unterlagen dem 24-Stunden-Verfahren, während in den anderen Bundesasylzentren das bisherige Verfahren zum Einsatz kam.
Das Resultat: scheinbar durchaus erfreulich. Gemäss dem SEM «konnte der Bestand an Personen aus den Maghreb-Staaten, welche sich im Bundesasylzentrum Zürich aufhalten, um mehr als 50 Prozent gesenkt werden», gleichzeitig «sank die Bestandeszahl in den anderen Bundesasylzentren nur ganz leicht.»
Ein voller Erfolg also? Da kommt es darauf an, was das Ziel der Übung war. Geht es nur darum, den Bestand an Personen in den Asylzentren zu senken, dann ist offensichtlich, dass dieser tiefer ist, wenn die Asylsuchenden aufgrund der Beschleunigung der Verfahren nur kurz in den Bundesasylzentren verweilen – selbst wenn sich die absolute Zahl der Asylsuchenden nicht verringert hat.
Möchte man hingegen prüfen, ob diese Massnahme auch abschreckend auf Asylbewerber wirkt, dann kommt es letztlich auf die Zahl der gestellten Asylgesuche an. Dabei ist zu berücksichtigen: Diese unterliegt saisonalen Schwankungen. Grafik 1 zeigt diese saisonalen Schwankungen deutlich:
Immer in der ersten Jahreshälfte bis April, Mai gehen die Asylgesuche von Personen aus den Maghreb-Staaten zurück, während sie in der zweiten Jahreshälfte wieder ansteigen. Ein Rückgang zwischen November und Februar ist somit keine Überraschung, sondern gemäss dem saisonalen Muster geradezu zu erwarten.
Diese Saisonalität ist im Übrigen auch bei den Asylsuchenden aus anderen Weltregionen zu beobachten. Die Linie aller Asylsuchenden verläuft beinahe parallel zu derjenigen der Asylsuchenden aus Nordafrika, wie Grafik 2 zeigt:
Anmerkung: Die Zahl der Asylbewerber aus Nordafrika wurde mit einem Faktor fünf multipliziert, um die beiden Kurven vergleichbar zu machen.
Grafik 3 zeigt die prozentuale Veränderung der Asylanträge von Personen aus den Maghreb-Staaten:
Klar ersichtlich ist eine Spitze im Frühsommer, danach bleiben die Asylgesuche mehr oder weniger konstant hoch, bis im Frühjahr wiederum ein ausgeprägter Rückgang einsetzt.
Ebenfalls zu beobachten ist: Es lässt sich im ersten Halbjahr 2024 kein rückläufiger Trend der Asylgesuche beobachten, sondern die Zahlen schwanken zyklisch wie in den Vorjahren.
Von einem wesentlichen dämpfenden Effekt der neu eingeführten «24-Stunden-Verfahren» auf die Zahl der Asylbewerber aus Nordafrika kann daher gemäss den bisher vorliegenden Daten nicht ausgegangen werden.
Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.
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