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Schulsozialarbeit 2.0

Ausbau der Schulsozialarbeit an der «flade» in St.Gallen bewährt sich

Zum ersten Mal wird in diesem Schuljahr im Notkerschulhaus der «flade» ein Sozialtraining angeboten. Zudem ist es so, dass in allen drei Schulhäusern der Katholischen Kantonssekundarschule «flade» einiges mehr für die schulische Sozialarbeit aufgewendet wird.

Roger Fuchs am 02. März 2024

Selbstverletzungen, Mobbing, Essstörungen, Prüfungsangst, Suchtverhalten, Konfliktdefizite, Ausschluss aus einer Gruppe – wenn die seit August 2023 am Notkerschulhaus tätige Schulsozialarbeiterin Claudia Ulmann über ihre Aufgabe spricht, streift sie geradezu alle Lebensthemen, mit denen junge Menschen konfrontiert sind. Schulpräsidentin Barbara Hächler ergänzt: «Mangelnde Erziehung oder Streitereien unter Jugendlichen sind längst nicht der einzige Treiber, weshalb es heute mehr Schulsozialarbeit braucht, als noch vor wenigen Jahren.»

Sie verweist unter anderem auf die vielen Unsicherheiten, mit denen Jugendliche aufgrund der weltpolitischen Lage konfrontiert sind. «Mit Fragen wie beispielsweise, ob bereits morgen eine Atombombe fallen könnte, mussten wir uns als Kinder nicht befassen», so Hächler, die mit Claudia Ulmann einig geht, dass die Nachrichten aus aller Welt das heutige Verhalten der Jugendlichen mitbeeinflussen.

Zu Beginn des laufenden Schuljahres 2023/24 wurde die Schulsozialarbeit für die drei Schulhäuser der «flade» (Klosterschulhaus, Gallusschulhaus und Notkerschulhaus) von 100 auf 220 Prozent aufgestockt. Die zuvor erwähnten vielseitigen Themenfelder sind ein Grund dafür. Ein weiterer ist die Anpassung des bisherigen Konzepts Schulsozialarbeit ans kantonale Dokument «Schulsozialarbeit an der Volksschule».

Und zu guter Letzt ist nicht zu verkennen, dass sich mit der vor fünf Jahren erfolgten Öffnung der «flade» für alle Oberstufenschülerinnen und -schüler das Feld an Menschen erweitert hat. «Seitdem wir nicht mehr nur Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe, sondern auch der Realstufe beschulen, haben wir mehr Jugendliche aus sozial schwierigen Umfeldern und mit Migrationshintergrund», bringt es Barbara Hächler auf den Punkt.

Wenn Jugendliche selbst anklopfen

Es ist die Herkulesaufgabe der Schulsozialarbeit, die Verhaltensauffälligkeiten und Herausforderungen der Jugendlichen aufzufangen und den Kindern, Lehrpersonen und Eltern Stütze zu sein. «Dazu führe ich jeden Tag viele Gespräche», sagt Claudia Ulmann. Dabei sei es überhaupt nicht so, dass nur Lehrpersonen oder Eltern die Kinder zu ihr schicken würden. Manchmal klopften die Jugendlichen auch selbst an – so geschehen exakt am Tag des Journalistenbesuchs.

«Drei Mädchen baten mich heute Vormittag wegen eines Streits um Hilfe», erzählt die Sozialarbeiterin. Sie habe jede der drei kurz angehört und mit ihnen für den Folgetag einen Termin vereinbart. Gemeinsam soll dann nach einer Lösung gesucht werden. Manchmal sei es bei Konflikten auch nötig, etwas zu akzeptieren und dennoch respektvoll miteinander umzugehen.

Neu initiiert hat Claudia Ulmann am Notkerschulhaus ein Sozialtraining. Hierbei handelt es sich um eine Art Lehrgang mit sechs Modulen zu je 1,5 Stunden. Inhaltlich geht es von Übungen in Selbstkontrolle über gewaltfreie Problemlösungen bis hin zum Umgang mit verschiedenen Meinungen.

Fünf Schüler hatten bei der ersten Durchführung teilgenommen, acht werden es bei der nächsten sein. Die Jugendlichen können im Fall des Falles zur Teilnahme verpflichten werden, sich aber auch freiwillig anmelden. Oberstes Ziel dieses Lehrgangs ist es gemäss Claudia Ulmann, die Jugendlichen sozial soweit zu stärken, damit sie schwierige Lebenssituationen erfolgreich meistern. Im Fachjargon ist hierbei oft von Resilienz die Rede.

Ausweitung auf die anderen Schulhäuser der «flade»

Angesichts des innovativen Ansatzes des Sozialtrainings und positiver Rückmeldungen denkt die Schulpräsidentin Barbara Hächler darüber nach, dieses Angebot auch auf die anderen Schulhäuser der «flade» auszuweiten. Claudia Ulmann würde dann mit dem Sozialtraining rotieren.

Und so findet in neuen Formen und grösserem Umfang eine Zukunft, was 1988 an der «flade» ganz klein mit dem Projekt «Schulsozialarbeit» gestartet wurde. Barbara Hächler spricht heute beim Gedanken an die Schulsozialarbeit von einem strategischen Leuchtturm der «flade» – dies auch vor dem Hintergrund, dass man bei allem Handeln das Kind ins Zentrum stellen will. Hächler: «Dazu gehört auch, dass wir so früh wie möglich Schwierigkeiten niederschwellig erfassen und zusammen mit den Schulsozialarbeitenden und Jugendlichen auf den Weg gehen.»

Anders als in Gemeinden, wo die Schulsozialarbeit den sozialen Diensten unterstellt ist, gehören die Schulsozialarbeitenden an der «flade» bewusst zum Schulhausteam und sind den Lehrpersonen gleichgestellt. «Wege und Entscheidungen können wir dadurch kurzhalten», sagt die Schulpräsidentin.

Wie geschätzt die Schulsozialarbeit wird, zeigt sich gemäss Claudia Ulmann in der hohen Kooperationsbereitschaft der Eltern. «Viele sind froh, wenn sie bei uns auch einmal ihre Sorgen abladen können und einen Tipp erhalten.» Nebst Claudia Ulmann im Notkerschulhaus wirken Kathleen Frischknecht im Gallusschulhaus und Matthias Traber im Klosterschulhaus als Schulsozialarbeitende.

(Bild: «flade»-Schulpräsidentin Barbara Hächler und Schulsozialarbeiterin Claudia Ulmann sprechen über den Wandel der Schulsozialarbeit und die Gründe für den Ausbau. Im Fokus steht die Entwicklung und Stärkung der Widerstandskraft der Jugendlichen, genannt Resilienz. Roger Fuchs)

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Autor/in
Roger Fuchs

Roger Fuchs ist Kommunikationsbeauftragter beim Katholischen Konfessionsteils des Kantons St.Gallen.

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