Die Endresultate der Abstimmung vom 26.11. in Appenzell Ausserrhoden. (Grafik: ar.ch)
Nein zum Vorschlag der Ausserrhoder Regierung, Ja zur Eventualvorlage: Gemeindefusionen möchten die Ausserrhoder Stimmberechtigten nicht verordnet bekommen. Aber wer will, soll dürfen.
Dieser Text wurde zuletzt um 16.35 Uhr aktualisiert.
Mit 9889 Nein-Stimmen gegenüber 7024 Ja-Stimmen hat die Stimmbevölkerung des Kantons Appenzell Ausserrhoden einen Vorschlag der Kantonsregierung abgelehnt, im Kanton nur noch drei bis fünf statt 20 Gemeinden zu haben.
Angenommen wird hingegen eine Vorlage - die sogenannte Eventualvorlage - die es Gemeinden einfacher machen soll, Fusionen einzugehen - allerdings nur, wenn diese es auch möchten. Das Stimmvolk hat die Vorlage mit 10'849 Ja-Stimmen bei 5829 Nein-Stimmen angenommen. Damit werden Gemeindefusionen auf Initiative von Gemeinden möglich.
Die Stimmbeteiligung liegt bei 46,5 Prozent.
Die Endresultate der Abstimmung vom 26.11. in Appenzell Ausserrhoden. (Grafik: ar.ch)
Eine Minderheit der 20 Ausserrhoder Gemeinden sagt Ja zum Vorschlag der Regierung, die Gemeinden von 20 auf drei bis fünf zu reduzieren, um schlankere, zeitgemässe Organisationsformen zu ermöglichen. Diese Gemeinden haben demnach für neue Gemeindestrukturen gestimmt:
Herisau
Hundwil
Trogen
Rehetobel
Wald
Grub
Heiden
Alle anderen Gemeinden haben dagegen gestimmt. Eine krachende Niederlage hat die Vorlage der Regierung - genannt «Gegenvorschlag zur zurückgezogenen Volksinitiative 'Starke Ausserrhoder Gemeinden'» - in Teufen eingefahren. Hier stehen 508 Ja-Stimmen 1877 Nein-Stimmen gegenüber.
Der Eventualvorlage, die Gemeinden in der Kantonsverfassung offiziell die Möglichkeit gibt, die Gemeindestruktur eigenständig zu wählen, und wo selbstgewählte Fusionen vom Kanton unterstützt werden sollen, wurde einzig in Rehetobel knapp abgelehnt: mit 319 Nein- gegenüber 300 Ja-Stimmen. Die 19 anderen Gemeinden haben der Eventualvorlage samt und sonders zugestimmt.
Teilrevision der Kantonsverfassung: Resultate pro Gemeinde, Gegenvorschlag und Eventualvorlage zur zurückgezogenen Volksinitiative «Starke Ausserrhoder Gemeinden». (Bild: ar.ch)
Der Regierungsrat sei erfreut, dass das Stimmvolk mit seinem Ja zur Eventualvorlage einen ersten Schritt in Richtung Gemeindefusionen ermögliche, teilt der Kanton mit. Mit dem Entscheid liege die Verantwortung für Strukturreformen nun in erster Linie bei den Gemeinden.
Der Kanton werde seinen Teil dazu beitragen und die nötige Gesetzgebung an die Hand nehmen. Mit dem Ja zur Eventualvorlage erhält der Kanton den Auftrag, den Gemeinden administrative und finanzielle Unterstützung bei Fusionsvorhaben zu leisten.
Befürworter und Gegner: Respekt gezeigt
In den Augen des Regierungsrats zeige die gute Stimmbeteiligung von 46,5 Prozent die Bedeutung, die das Thema für Land und Leute hätten. Schon im Vorfeld der Abstimmung sei das Interesse der Bevölkerung gross gewesen; Gegenvorschlag und Eventualvorlage hätten starke Befürworter gehabt, die ihre Haltung öffentlich und mit Respekt voreinander kundgetan hätten. Der Regierungsrat erachte es als eine «besondere Qualität, dass die politischen Diskussionen in Appenzell Ausserrhoden zwischen den unterschiedlichen Lagern sehr engagiert geführt» worden seien.
In einem ersten Schritt werde der Kanton nun ein Gesetz erarbeiten, das Gemeindefusionen ermögliche. Damit würden die Grundlagen geschaffen, dass Gemeinden unter administrativer und finanzieller Mithilfe des Kantons fusionieren könnten.
Ob diese Möglichkeit dereinst genutzt werde, lasse sich heute nicht sagen. Die Initiative für Fusionen müsste von den Gemeinden ausgehen. Das Stimmvolk habe mit seinem heutigen Entscheid die Verantwortung für Strukturreformen in erster Linie in die Hände der Gemeinden gelegt. Der Regierungsrat sei überzeugt, dass sich die Gemeinden des Auftrags und der hohen Verantwortung, die sie heute erhalten haben, bewusst seien.
Schlussresultat in der Stichfrage. Diese kommt nicht zum Einsatz, weil die Eventualvorlage angenommen worden ist. (Bild: ar.ch)
Dies teilt die «IG Selbstbestimmte Gemeinden» nach der Abstimmung mit:
Nach einem langen Abstimmungskampf, der von der Regierung mit einem ungewöhnlich grossen Engagement geführt wurde, entschied sich eine deutliche Mehrheit der Stimmbevölkerung gegen den Vorschlag der Regierung mit 3 -5 Gemeinden in Appenzell Ausserrhoden. Die Mehrheit der Stimmenden ist damit der Überzeugung, dass die Ausserrhoder Gemeinden entgegen der Haltung der Regierung selbst über ihre Zukunft bestimmen sollen. Sie folgt damit der Zielsetzung des Initiativkomitees «Selbstbestimmte Gemeinden».
Die Regierung hat nun den Auftrag, ein Fusionsgesetz zu erarbeiten und die notwendigen administrativen und finanziellen Mittel bereit zu stellen, um freiwillige Gemeindefusionen möglich zu machen und zu unterstützen. Es ist zu hoffen, dass diese wichtigen Grundlagen nicht wieder Jahre auf sich warten lassen, sondern nun unmittelbar an die Hand genommen werden.
Das Initiativkomitee «Selbstbestimmte Gemeinden» dankt der Stimmbevölkerung für diesen weisen Entscheid sowie den Mitstreiterinnen und Mitstreiter für die grosse politische und finanzielle Unterstützung. Das Komitee erwartet von der Regierung, dass es für die Ausarbeitung der notwendigen Instrumente konsultiert und zur Mitarbeit eingeladen wird.
(Hauptbild: Appenzellerlinks.ch)
Odilia Hiller aus St.Gallen war von August 2023 bis Juli 2024 Co-Chefredaktorin von «Die Ostschweiz». Frühere berufliche Stationen: St.Galler Tagblatt, NZZ, Universität St.Gallen.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.