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Projekt «Hebung des Dampfschiffs Säntis»

Der Schiffsbauverein in Romanshorn möchte diesen Sommer noch das Wrack des historischen Raddampfers «Säntis» aus dem Bodensee bergen

Seit 90 Jahren liegt das Wrack des Dampfschiffs «Säntis» auf dem Grund des Bodensees. Trotz Widrigkeiten wie schlechtem Wetter, Unterwasserströmungen, Personalmangel, bürokratischen Genehmigungen und technischen Herausforderungen hat das Team des Schiffsbergevereins das Projekt zielstrebig verfolgt.

Dzana Muminovic am 21. Mai 2024

Der Raddampfer «Säntis» war ein historisches Schiff, das 1906 in Betrieb genommen wurde. Während seiner aktiven Dienstzeit beförderte das Schiff Passagiere und Frachtgut auf dem Bodensee. Ab 1920 war die «Säntis» das erste mit Öl betriebene Schiff auf dem Bodensee. Während ihrer 41-jährigen Betriebszeit wurde die «Säntis» mehrmals umgebaut, um den sich ändernden Anforderungen gerecht zu werden und ihre Leistung zu verbessern.

Nach vielen Jahren im Einsatz wurde die «Säntis» schliesslich ausser Betrieb genommen, als sich die technologischen und wirtschaftlichen Bedingungen änderten und modernere Schiffe ihren Platz einnahmen. Anstatt das Schiff zu verschrotten, wurde beschlossen, es am 02. Mai 1933 im Bodensee zu versenken. Diese Entscheidung war Teil eines damals verbreiteten Verfahrens zur Entsorgung nicht mehr benötigter Schiffe. Im Jahr 2013 wurde der Bodensee neu vermessen und dabei das Wrack entdeckt.

210 m in der Tiefe des Bodensees

Im Jahr 2022 wurde die «Säntis» 130 Jahre alt. Die lokale Presse der Region veröffentlichte einige Artikel darüber. Das weckte das Interesse vieler Menschen, die sich an Silvan Paganini wandten. Paganini, von Beruf Technischer Betriebsleiter Nautik/Werft bei der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrt AG, wurde angefragt, ob es nicht möglich sei, das Wrack zu bergen.

Da die «Säntis» in einer Wassertiefe von 210 Metern liegt, stellt die Bergung eine enorme Herausforderung dar. Nicht nur die Tiefe, sondern auch das Gewicht des Dampfers erschwert die Bergung. «Wir haben geschaut, was möglich ist», sagt Paganini. Er und sein Team sammelten verschiedene Dokumente, darunter Bilder eines Forschungsinstituts, das 2014 nach dem Schiff getaucht war. Ausserdem durchforsteten sie verschiedene Archive, um sich ein Bild vom Wrack machen zu können.

Anschliessend wollte die Gruppe das Schiff unter Wasser inspizieren. Bei einer Tiefe von 210 Metern war dies jedoch für Taucher zu gefährlich, so dass ein Roboter eingesetzt werden musste. Mit dem Tauchroboter konnte das Team das Wrack untersuchen und feststellen, ob es strukturelle Schäden aufweist oder ob Teile abgebrochen sind. «Die Herausforderung am Bodensee ist, dass es sich um ein Binnengewässer handelt und wir keine Bergungsschiffe haben, die für eine solche Hebung eingesetzt werden könnten», fügt er hinzu. Deshalb wurde eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, um verschiedene Bergungsmethoden zu untersuchen. Technisch und rechtlich ist die Bergung möglich, so Paganini.

Zwei Bergungstechniken erwiesen sich als möglich

Der Schiffsbergeverein Romanshorn wurde am 20. April 2023 gegründet. Am 21. April 2023 kaufte sich der Verein das Wrack des Dampfschiffes «Säntis» mit sämtlichen Rechten und Pflichten für einen symbolischen Franken von der SBS AG. Ab diesem Punkt ist der Verein an die Öffentlichkeit gegangen mit seinem Vorhaben. Der Präsident Silvan Paganini trat vor die Medien und verkündete eine «weltweit einzigartige Bergungsmission».

Zwei Techniken erwiesen sich als möglich. Welche Technik gewählt wird, hängt vom Ergebnis der Crowdfunding-Aktion ab: In der ersten Variante würde der für das Projekt gebaute Tauchroboter Seile unter dem Rumpf der «Säntis» durchführen, dann würde das Schiff über hydraulische Hebel angehoben, an der Motorfähre Euregia befestigt und in Ufernähe transportiert. Das würde etwa eine halbe Million Franken kosten. Deutlich billiger wäre eine Bergung mittels pressluftgefüllter Hebesäcke, was 200'000 Franken kosten würde, aber auch grössere Risiken bei der Hebung des Wracks mit sich bringen würde. Die Hoffnung ruhte auf der teureren Variante, um das über 120 Tonnen schwere Schiff kontrolliert ans Ufer zu bringen.

Am letzten Tag des Crowdfundings ist die Spendensumme über die Finanzierungsschwelle von 200'000 Franken gestiegen. Damit war klar, dass sie die zweite Bergungsvariante durchführen würden. Nachdem die Raiffeisenbank dem Verein die Spenden aus dem Crowdfunding überwiesen hatte, begann der Verein sofort damit, das benötigte Material zu bestellen. Ein wesentlicher Bestandteil sind die 12 Hebesäcke (acht mit einer Tragfähigkeit von 15 Tonnen und vier mit 20 Tonnen). Diese Hebesäcke wurden von einem Hersteller in China produziert.

Parallel dazu arbeitete das Team an der Planung, Berechnung und Prüfung des Einhaksystems, des Bergepontoons, der Spülvorrichtung und des Stahlbaus. «So sind wir gestartet. Es ist eine Reise ins Unbekannte. Wir wissen nicht, ob wir es schaffen, und es kann auch sein, dass es irgendwo am Wrack versteckte Schäden gibt, die man erst beim Anheben bemerkt», sagt Silvan Paganini.

Wetter, Technik und Personal

Trotz Widrigkeiten wie schlechtem Wetter, Unterwasserströmungen, Personalmangel, bürokratischen Genehmigungen und technischen Herausforderungen hat das Team unter der Leitung von Silvan Paganini das Projekt «Hebung des Dampfschiffs Säntis» zielstrebig verfolgt. Im April arbeitete das Team fleissig auf dem See, aber die Bergung verzögerte sich aufgrund von Zwischenfällen.

Der Präsident erklärt, dass drei Faktoren zusammenspielen müssen, damit der Bergungsverein Fortschritte machen kann: das Wetter, die Technik und das Personal. Die Technik, die das Team zur Verfügung hat, muss einwandfrei funktionieren und darf nicht versagen. Sie haben keine Redundanz, und wenn eine Turbine ausfällt, ist es sofort vorbei und man muss den Einsatz abbrechen. «Natürlich haben wir gute Handwerker, die vor Ort Kleinigkeiten reparieren können. Aber wenn Ersatzteile fehlen, kommt alles zum Stillstand. Beim Personal handelt es sich um sechs Leute, die unter der Woche neben ihrer Hauptarbeit ausrücken müssen. Das ist auch nicht einfach zu organisieren», so Paganini.

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Die Hilfsleinen unter dem Schiff waren bereits erfolgreich gezogen worden. Beim Einziehen einer Bergungsleine war jedoch ein Seil gerissen und die gesamte Führungsleine auf das Vordeck des Wracks gesunken. Ausserdem mussten technische Teile am Tauchroboter ausgetauscht werden. Danach wurden die Leinen in 210 Metern Wassertiefe mit dem Tauchroboter entwirrt, bevor die Bergung fortgesetzt werden konnte. Silvan Paganini: «Unser Mantra lautet immer: Zwei Schritte vor und einen zurück, denn es könnte etwas schief gehen.»

Die Vorarbeiten am Wrack sind fast abgeschlossen, doch Anfang Mai erlitt das Team einen erneuten Rückschlag, der ein neues Tauchteam notwendig machte. Am 8. Mai wurde die vierte und letzte Bergungsleine unter dem Wrack des Dampfschiffes «Säntis» eingeholt. Die Aktion musste jedoch 15 Meter vor dem Ziel abgebrochen werden, da sich das Kabel des Tauchroboters in einer Tiefe von 170 Metern verknotete.

In den folgenden Tagen arbeitete die Gruppe daran, den Knoten an die Oberfläche zu bringen, um ihn zu lösen. Am 11. Mai kam es beim Entwirren des Knotens in nur 1,5 m Tiefe beinahe zu einem Tauchunfall. Diese Ereignisse verdeutlichten die Notwendigkeit, das Taucherteam des Schiffsbergevereins auf erfahrene Taucher auszuweiten.

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Nach Abschluss der Vorbereitungsarbeiten wartet das Team nun auf ein windfreies Wetterfenster. Sobald dies der Fall ist und Material und Personal bereit stehen, wird die Bergungsplattform auf den See gezogen und die acht Führungsleinen zum Wrack hinabgelassen. Damit beginnt die Bergung aus einer Tiefe von 210 Metern auf 12 Meter. Die Entlastungsschächte, die um das Wrack herum in den Untergrund getrieben wurden, um den Bodeneffekt zu reduzieren, sind noch intakt und entgegen der Meinung einiger Experten nicht eingestürzt. Die Wirksamkeit dieser Entlastungsbohrungen und eventuelle verborgene Strukturschäden des Wracks werden sich während der Hebung zeigen, die ein entscheidender Moment für die gesamte Operation sein wird. Spätestens im Juni soll das Schiff an die Oberfläche gehoben werden.

Nach der Bergung ist eine fachgerechte Konservierung des historischen Dampfschiffes vorgesehen, eine Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit wird jedoch nicht angestrebt. Der Schiffsbergeverein möchte das Schiff nach der Konservierung der Öffentlichkeit zugänglich machen.

(Bilder: Schiffsbergverein)

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Autor/in
Dzana Muminovic

Dzana Muminovic (1999) aus der Au hat an der Universität Zürich Kommunikationswissenschaften und Medienforschung studiert. Zurzeit absolviert sie ein Trainee-Programm bei der Galledia AG und arbeitet als Redaktorin bei «Die Ostschweiz».

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