Das Geschäft mit der Schönheit boomt. Doch was heisst eigentlich «schön»? Lässt sich der Begriff wissenschaftlich zerlegen? Urs Wehrle, Inhaber des Fest- und Brautmodengeschäfts Liluca in St.Gallen bringt Licht ins Dunkel. Er sagt: «Schönheit ist weder Geschmackssache noch relativ.»
Urs Wehrle, Sie sehen gut aus heute …
Danke für das Kompliment. Mit meinen 62 Jahren setze ich mich jeden Morgen mit meinem Spiegelbild auseinander, und es wird nicht einfacher. Darum pflege ich mich, ziehe schöne Kleider an und halte mich fit. Damit gewinne ich positive Energie und strahle diese auch unbewusst aus.
Schön sein: Was heisst das für Sie persönlich?
Gepflegtes Haar, eine reine Haut, ein gut proportionierter Körper und ein strahlendes Lächeln. Hier ticke ich wie der Grossteil der Menschen. Schönheit ist nicht nur Zufall – sondern die Kombination von Mutter Natur und permanenten Bemühungen. Es ist weder Geschmackssache noch relativ.
Im Ernst?
Ja, es gibt wissenschaftliche Untersuchungen darüber, dass der subjektive Schönheitsbegriff eine belegbare Geschichte hat. Ein schöner Mensch wird auf der ganzen Welt als solcher erachtet – dabei geht es um Proportionen und Symmetrien. Säuglinge schauen länger in attraktivere als in unattraktivere Gesichter. Wenn jemand eine unattraktive Person schön findet, hat das in den meisten Fällen mit inneren Werten zu tun. Hier sprechen wir dann nicht mehr von der ästhetischen Schönheit, sondern der individuellen Anziehung.
Welche Rolle spielt die Kleidung?
Das Sprichwort «Kleider machen Leute» ist zeitlos und nach wie vor gültig. Bei einem Date beispielsweise nimmt man automatisch das vorteilhafteste Kleidungsstück aus dem Schrank – ansonsten hat das Treffen nicht die nötige Wichtigkeit. Wir bei Liluca machen nichts anderes: Wir beraten unsere Kundschaft mit dem Ziel, die individuelle Schönheit hervorzuheben.
Warum sind wir für Schönheit so empfänglich?
Wie gesagt: Die Anziehung fürs Schöne ist tief in unserer Veranlagung verwurzelt. Nicht nur in Bezug auf Menschen – sondern auch auf die Natur. Es herrscht ein grosser Konsens darüber, dass die Farbpracht des Herbstwaldes, der verschneite Säntis, die Piazza del Campo in Siena oder ein lachendes Kleinkind wunderschön sind und uns berühren.
Sprechen wir über das Berufsleben: Die Stadt Zürich verlangt künftig, dass bei der Beurteilung von Bewerbenden das Aussehen nicht erkennbar sein darf. Was ist Ihre Meinung hierzu?
Das ist völliger Humbug – der erste Eindruck soll und darf zählen. Natürlich ist es so, dass schlussendlich die Qualifikationen und inneren Werte zählen. Es ist aber auch das Recht eines Arbeitgebers, Leute zu wählen, die ihn optisch ansprechen. Gutaussehende Menschen gelten als leistungsfähig, kompetent, vertrauenswürdig und produktiv – und werden deshalb in der Arbeitswelt oft bevorzugt. Die körperliche Erscheinung spielt spezifisch dann eine Rolle, wenn Kundenkontakt gefragt ist. Das belegen unzählige Studien. Im Wissen darum darf man sich aus meiner Sicht auch beim Bewerbungsdossier den besten Auftritt gönnen.
Kommen wir zur Ostschweiz. Wie beurteilen Sie die Schönheit der St.Gallerinnen und St.Galler?
Gut! Es fällt speziell auf, wenn man andere Städte der Schweiz besucht. Klammern wir die internationale Metropole Zürich mal aus, sind die St.Galler beispielsweise überdurchschnittlich gut gekleidet. Natürlich ist das kein Zufall. St.Gallen, die Stadt mit einer langen Textiltradition, hat uns über Jahrhunderte geprägt – dies ist unbewusst tief in uns verankert.
Zum Schluss: Wie gehe ich morgen früh aus dem Haus, dass ich dem gängigen Schönheitsideal entspreche?
Pflegen Sie Ihr Äusseres, gehen Sie in die Konfrontation mit Ihrem Spiegelbild. Überlegen Sie sich, wen Sie tagsüber treffen. Bei der Kleiderwahl können Sie ruhig etwas wagen – man ist nie zu vornehm gekleidet. Achten Sie auf saubere Schuhe und Hände. Damit beweisen Sie allen Respekt, denen Sie begegnen.
Svenja Schraner ist Projektleiterin «Wilder Osten» und arbeitet bei Farner St.Gallen.
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