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Aus für Landsgemeinde?

Die Dramatiker von der Kasernenstrasse

St.Galler Tagblatt und Appenzeller Zeitung schreiben das Ende der Landsgemeinde herbei. Das sagt mehr aus über sie selbst als über die grossartige Institution.

Stefan Millius am 01. Mai 2018

Wenn Roger Fuchs zuhause in Herisau einen abgerissenen Grashalm findet, geht er an seinen Computer und schreibt über das drohende Ende aller Wiesen. Nach diesem Schema funktioniert der Redaktionsleiter der «Appenzeller Zeitung». Jede Kleinigkeit wird zur Apokalypse, verbunden mit vor Drama triefenden Fragen oder Aufforderungen am Schluss des Textes. Weil sich grosse Worte besser verkaufen als bescheidene Erkenntnisse, ist er im Glauben, er müsse selbst beim harmlosesten Thema den grossen Skandal suchen. Weil dieser meist fehlt, ist der Grat zur Peinlichkeit schnell überschritten.

Besonders eingeschossen hat er sich auf Appenzell Innerrhoden. Obwohl Fuchs vom Sitz der Appenzeller Zeitung an der Herisauer Kasernenstrasse schon lange und viel über den Kanton schreibt, scheinen ihm Land und Leute dort immer noch ein Mysterium. Und was man nicht versteht, kann man nicht erklären - und nicht sachgerecht erzählen. Neuestes Beispiel ist der Kommentar zu den Nachwehen der diesjährigen Landsgemeinde. Dass die Rolle und das Vorgehen von Landammann Daniel Fässler kritisiert und hinterfragt wird: Kein Problem. Dieser Auseinandersetzung muss und wird er sich stellen. Aber in der «Appenzeller Zeitung» heisst ein solcher Vorgang natürlich sofort: Der Landsgemeinde droht das Ende!

Das gewählte Vorgehen ist immer dasselbe und nicht einmal subtil. Weil ein einmaliger Vorfall nicht reicht, um die Krise einer Institution herbeizuschreiben, muss etwas konstruiert werden. «Zum wiederholten Mal wird in diesem Jahr die Landsgemeindeführung kritisiert», heisst es im Kommentar der Zeitung. Wiederholt meint übersetzt: Dieses Jahr und im letzten Jahr. Also zwei Mal. Wahrlich eine Lawine von kritischen Situationen!

Auch schön sind suggerierte Entwicklungen, die es nur im Kopf des Kommentators gibt, die aber sonst nirgends stattfinden. Da heisst es: «Leidtragende ist dabei die Institution der Landsgemeinde. Diese dürfte dadurch vermehrt in Frage gestellt werden. Nein, sie könnte sogar arg ins Wanken geraten.» Dürfte in Frage gestellt werden? Das machen selbst die Kritiker von Landammann Fässler nicht. Ins Wanken geraten? Da haben wir wieder den Drama-Filter, der über alle Texte aus der Feder von Roger Fuchs gelegt wird. Man findet in Innerrhoden sicher den einen oder anderen, der nichts von der Landsgemeinde hält, aber erstens ist das eine verschwindend kleine Minderheit, und zweitens hat das nichts mit den jüngsten Vorkommnissen zu tun.

Wir können uns zurücklehnen: Die Innerrhoder Landsgemeinde wird noch lange Bestand haben. Selbstverständlich braucht es eine Aufarbeitung der jüngsten Austragung, bei der sich viele Innerrhoder am Verhalten des Landammanns gestört hatten. Aber damit die Landsgemeinde ins Wanken gerät, braucht es etwas mehr als einen übermotivierten Kommentatoren, der aus jeder Mücke den berühmten Elefanten machen möchte. Und übrigens: Was eine traditionsreiche Institution braucht, um zu überleben, ist eben gerade die aktive Auseinandersetzung damit. Und die führen wir nun.

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Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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