Die Posse um einen Parteipräsidenten, der ein Transparent in den St.Galler Kantonsrat schmuggelte, wurde noch gesteigert.
Niemand ist gestorben. Die Welt ging nicht zugrunde. Dass Max Lemmenmeier, St.Galler SP-Präsident und Kantonsrat, für einige Klimademonstranten ein Transparent in den Saal schmuggelte, das danach die Störung des Ratsbetriebs dekorierte, war keine Staatsaffäre. Es war eine kindische Respektlosigkeit, die man aber einfach aus der Welt hätte räumen können.
Das ist nicht gelungen. Denn als die Sache in der Aprilsession debattiert wurde, zeigte sich, dass bei Lemmenmeier - und nicht nur bei ihm - noch immer das Gefühl vorherrscht, er habe im Grunde etwas Richtiges getan, die anderen merken es nur nicht. Seine «Entschuldigung» garnierte er mit einer Beleidigung an die rechte Ratshälfte, die er voller Ironie als «Vorbilder» bezeichnete.
So weit, so schlecht. Der SP-Präsident wurde aber von seinem Ex-Fraktionspräsidenten Peter Hartmann sogar noch ausgestochen. Dieser nahm Lemmenmeier in Schutz und befand in seiner Stellungnahme, manchmal müsse man sich Reglementen widersetzen, um etwas zu erreichen.
Die Frage drängt sich auf: Wer genau ist die Jury, die entscheidet, wann dieses «manchmal» fällig ist? Und wir Naivlinge hatten geglaubt, in einer Demokratie mache die Mehrheit die Gesetze und Reglemente, und alle hätten sich daran zu halten. Offenbar nicht. Und zwar immer dann nicht, wenn die SP etwas erreichen will, was auf ordentlichem Weg nicht möglich ist.
Es ist eine erstaunliche Aussage aus dem Mund eines langjährigen erfahrenen Parlamentariers. Natürlich hat er recht - wenn er denn in einer Bananenrepublik oder einer Militärdiktatur leben würde. Im Kanton St.Gallen hat er aber alle Möglichkeiten, auf legalem Weg etwas zu erreichen.
Dieses Demokratieverständnis ist besorgniserregend. Und eigentlich wäre die Ratsrechte nun gefordert, den Tatbeweis zu verlangen. Sie sollte nun dringend ein Reglement des Ratsbetriebs für ihre Sache brechen und danach von der SP Verständnis einfordern.
Wenn also demnächst ein Toggenburger Chörli zur Verstärkung eines SVP-Vorstosses während der Debatte lauthals zu singen beginnt, ist das keineswegs eine Störung des Ratsbetriebs.
Es gab leider einfach keine andere Möglichkeit als musikalischen Widerstand.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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