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Qualität vor Quantität

Hanspeter Gubser ist noch der einzige Berufsfischer auf dem Walensee – wie er dem sinkenden Fischbestand ein Schnippchen schlägt

Zu seinen Kunden gehören Starköche wie Andreas Caminada, und die Fische, die er morgens fängt, verkauft er noch am gleichen Tag: Hanspeter Gubser ist seit 20 Jahren Berufsfischer auf dem Walensee – der Einzige, der von seinen Berufskollegen geblieben ist.

Manuela Bruhin am 21. Juni 2024

Damals, als Hanspeter Gubser mit der Fischerei auf dem Walensee begann, fing er etwa 15 Tonnen Fische im Jahr. Letztes Jahr betrug sein jährlicher Fang noch 2.9 Tonnen. «Sie sehen, das Geschäft war zuletzt nicht wirklich lukrativ», sagt Hanspeter Gubser im Gespräch und lacht. Doch weshalb ist ihm angesichts solcher Zahlen überhaupt noch zum Lachen zumute? Schliesslich ist er als Berufsfischer auf einen guten Fang angewiesen.

Jedoch zeigt alleine die Tatsache, dass er mittlerweile der Einzige seiner Branche auf dem Walensee ist, dass er dennoch davon leben kann. Wie? Indem er seine Strategie änderte. «Dass es im Walensee immer weniger Fische hat, daran kann ich nichts ändern. Sehr wohl aber kann ich neue Geschäftsmodelle aufgleisen.»

Und die sind wohl aufgegangen. Während seine früheren Berufskollegen damit anfingen, Fische aus der Zucht dazuzukaufen, jedoch mit minderer Qualität, bot Gubser das so genannte «Fischabenteuer» an. Seine Kunden begleiten ihn frühmorgens auf den See, sie fischen zusammen, trinken später einen Kaffee und verarbeiten ihre Beute selber. Vor acht Jahren startete er sein Projekt – und mittlerweile ist das Angebot sehr gefragt. «So kann ich immerhin meine Auslagen, wie beispielsweise das Benzin, bereits decken», sagt Gubser. «Und die Leute sehen, wie viel Arbeit dahintersteckt.»

Fische sind Athleten

Doch weshalb gibt es im Walensee überhaupt immer weniger Fische? Das Wasser sei mittlerweile schlicht zu sauber für die Tiere. Mit dem Bau der Kläranlagen fehlen den Fischen ihre Nährstoffe. «Früher konnte ich bereits im Hafen Fische fangen, heute schwimmt an dieser Stelle kein einziger Fisch mehr», so Gubser.

Die Klimaveränderung habe lediglich zur Folge, dass das Wasser im Walensee eine Spur wärmer sei – aber immer noch etwa vier Grad kälter als in anderen Seen. Je wärmer das Wasser, desto weicher werde der Fisch, erklärt Gubser. «Weil es im Walensee zudem keine Flachwasserzonen gibt, müssen die Fische für ihre Nahrung arbeiten. Ich vergleiche es jeweils wie mit einem Spitzensportler.» Dadurch sei das Fleisch sehr muskulös und kräftig, beim Kochen zerfalle es nicht gleich. Beides zusammen führt dazu, dass die Fische aus dem Walensee so gefragt sind.

Frische Fische

Mit den Jahren ging die Fischquantität zwar zurück, an der Qualität hingegen hat sich nichts geändert. Und das hat sich mittlerweile herumgesprochen. Seine Warteliste ist lang, und die Fische, die ihm frühmorgens ins Netz gehen, werden am gleichen Tag wieder verkauft. «Zu Beginn habe ich zwei grosse Kühltruhen gekauft. Die waren aber eigentlich nie in Gebrauch, weil die Nachfrage viel höher ist», sagt Gubser.

Vier Spitzenköche, darunter Andreas Caminada und Silvio Germann, zählen zu seinen Stammkunden. Und auch sonst zeugt die grosse Nachfrage nach seinen Fischen von einer besonderen Qualität. In einer Zeit, in der alles schnell gehen muss, schlägt Gubser einen anderen Weg ein – nicht nur gewollt, schliesslich lassen sich die Fischfänge nicht planen, sondern er fängt, was die Natur eben hergibt. «Meine Kundschaft ist sich aber daran gewöhnt. Die meisten setzen sich direkt nach dem Kauf wieder auf die Warteliste.»

Keine Maschine

Sein Anspruch ist nämlich: Der Fisch vom Walensee bleibt auch in der Region. Trotz steigender Nachfrage müsse man sich bewusst sein: Es ist ein harter Job, von dem man nicht reich wird. Bis zu seiner Pension bleiben Gubser noch rund sieben Jahre – so lange möchte er noch Fische fangen. «Mein Geschäft an eines meiner Kinder zu übergeben, kommt aber nicht in Frage. Ich arbeite während sechs Tagen, und der Lohn reicht kaum aus, um die Lebenskosten zu decken.»

Sein Alltag ist streng: Frühmorgens, im Sommer um vier Uhr, holt er seine am Abend zuvor ausgelegten Netze ein, damit sich die Fische nur eine kurze Zeit in diesem befinden. «Es ist wichtig, dass die Fische noch leben. Durch die Totenstarre wären sie ansonsten zu weich.»

Anschliessend fährt Gubser zurück und macht sich an die Verarbeitung der Fische. Dies passiert alles durch Handarbeit, auf eine Maschine verzichtet er bewusst. «Jedes Filet sieht bei mir anders aus. Eine Maschine würde zu viel Abfall produzieren, das möchte ich vermeiden.»

Je nachdem, wie viele Fische Gubser ins Netz gegangen sind, ist er zwischen 13 und 14 Stunden mit der Verarbeitung beschäftigt. Auch im Winter geht ihm die Arbeit nicht aus. Dann fängt Gubser die Fische mit einem Bodennetz, im Sommer ist es ein Schwebenetz, welches zum Einsatz kommt.

Dem Wetter zum Trotz

Doch woher nimmt er seine Motivation für die aufwendige Arbeit, die sich – finanziell betrachtet – kaum lohnt? «Ich geniesse es immer noch, jeden Morgen ganz alleine auf dem See zu sein. Das gibt dir so viel zurück. Dabei spielt es für mich überhaupt keine Rolle, ob das Wetter schön ist, es regnet oder schneit.»

Und isst er privat auch noch Fisch, oder ist ihm das verleidet? Obwohl er ein gutes Stück Fleisch einem Fisch vorziehen würde, sagt Gubser lachend, komme Fisch immer noch regelmässig auf den Tisch. «Der Fisch kommt ohne Gewürz in die Pfanne, und wenn er langsam weiss wird, nimmt man die Pfanne vom Herd und gart ihn mit der Restwärme durch. So bleibt er wunderbar saftig – mit der richtigen Würze schmeckt er wunderbar. Ein echter Fisch aus dem Walensee eben!»

(Bild: pd)

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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