logo

Drohnen für Analyse

«Es ist zu spät, erst nach dem Krieg über den Wiederaufbau zu diskutieren»

In einer Weiterbildung lernen Ukrainerinnen und Ukrainer, Projekte für den Wiederaufbau der Ukraine zu planen. Am CAS beteiligt sind Prof. Martin Beth, Professor am Institut für Bau und Umwelt der OST – Ostschweizer Fachhochschule.

Die Ostschweiz am 18. März 2024

Die Weiterbildung «Wiederaufbau Ukraine» wurde von der Berner Fachhochschule initiiert und wird seit letztem Oktober zum zweiten Mal mit fünf weiteren Schweizer Hochschulen durchgeführt. Eine davon ist die OST – Ostschweizer Fachhochschule. Mit fünf Kursen in den zwei Modulen Bauingenieurwesen und Technische Infrastruktur ist sie am CAS beteiligt. «Wir sind ein Teil der Weiterbildung, weil wir mit unserem Fachwissen einen nachhaltigen Beitrag zum Wiederaufbau der Ukraine leisten möchten», erklärt Martin Beth, Professor am Institut für Bau und Umwelt an der OST (im Bild).

Obwohl die Schweiz keine Erfahrung mit dem Wiederaufbau des eigenen Landes nach dem Krieg hat, ist laut Bauingenieur Martin Beth ein solcher Beitrag möglich: «Im CAS kombinieren wir das Schweizer Know-how im Bereich Ingenieurwesen mit den Erfahrungen und der Dokumentation des Wiederaufbaus anderer Länder, die im Krieg zerstört wurden.»

Digitalisierung für den Wiederaufbau nutzen

Bei den Teilnehmenden des CAS handelt es sich um geflüchtete Frauen aus der Ukraine mit dem Schutzstatus S, Ukrainerinnen und Ukrainer, die schon länger in der Schweiz leben und um Mitglieder von Hilfsorganisationen, die sich am Wiederaufbau beteiligen werden. Gemeinsam haben die Teilnehmenden den Bezug zum Bauwesen – sie sind zum Beispiel in der Architektur, Planung, Energieversorgung oder in der Siedlungsentwicklung tätig. Der CAS befähigt sie, Projekte für den Wiederaufbau der Ukraine zu evaluieren, mitzugestalten und zu leiten.

Im Unterricht von Martin Beth steht die Digitalisierung im Vordergrund. Die 30 Teilnehmenden lernen, wie sie digitale Systeme für den Wiederaufbau mit grösstmöglicher Wirkung einsetzen können. «Die Entscheidung, ob ein Gebäude abgerissen oder saniert werden soll, spielt beim Wiederaufbau eine zentrale Rolle. Mit Drohnen können Analysen durchgeführt werden, um diese Entscheidungen effizient zu treffen», erklärt Martin Beth. In seinem Kurs lernen die Teilnehmenden zum Beispiel, wie sie Geografische Informationssysteme (GIS) beim Wiederaufbau einsetzen können.

My Happy Home – ein sicheres Zuhause

Bis die Entscheidung gefallen ist, ob ein Gebäude besser komplett abgerissen oder wieder aufgebaut wird, dauert es eine Weile. «In dieser Zeit brauchen die Menschen in der Ukraine dringend ein sicheres Zuhause», sagt Franz Gähler. Der pensionierte Automobilmanager ist der Gründer des Projekts «My Happy Home», das er den Weiterbildungsteilnehmenden vorstellt. Seit seiner Pensionierung arbeitet er daran, der thailändischen Bevölkerung günstige und sichere Häuser als Selbstbausatz bereitzustellen. Das Kernelement des Happy Homes ist eine Stahlkonstruktion, die in zwei Tagen aufgebaut werden kann. Sie sichert die Stabilität des Hauses. Mit Zementfaser-Paneelen und vorgefertigten Elementen für Bad und Elektrik dauert es sechs Wochen, bis ein Happy Home fertig aufgebaut ist.

In Zusammenarbeit mit der OST wurde die Grundkonstruktion des Hauses weiterentwickelt und der Standard an die Wind- und Schneelasten, Temperaturen, Erdbebensicherheit und klimatischen Bedingungen der Ukraine angepasst. «Die Idee ist, dass wir die ersten Grundkonstruktionen von Thailand in die Ukraine liefern und dann schrittweise die Produktion und Fertigung der Happy Homes lokalisieren», zeigt Franz Gähler auf. «Bevor wir aber Material schicken können, müssen wir die Ukrainerinnen und Ukrainer noch im Bau der Happy Homes schulen.» Dafür steht Franz Gähler in Kontakt mit Menschen in der Ukraine und mit den Teilnehmenden des CAS.

Wiederaufbau mitten im Krieg

Die Kämpfe und Zerstörung in der Ukraine halten an. Es mag widersprüchlich erscheinen, bereits über den Wiederaufbau eines Landes zu diskutieren, das sich mitten im Krieg befindet. «Der Wiederaufbau muss zwingend jetzt geplant und umgesetzt werden, denn die Menschen, die durch den Krieg ihr Zuhause verloren haben, müssen irgendwo wohnen», erklärt Martin Beth. Franz Gähler stimmt dem entschieden zu: «Erst nach dem Krieg über den Wiederaufbau zu diskutieren, ist zu spät. Wenn man mit einer Strategie wartet, bis der Krieg vollkommen beendet ist, verliert man drei bis vier Jahre». Temporäre Unterkünfte wie Happy Homes sorgen für die nötige Flexibilität während des Krieges.

«Die Häuser würden etwas abseits der Kriegszonen aufgestellt. Verlagert sich der Krieg aber in diese Richtung, können die Häuser relativ schnell wieder abgebaut werden.» Die Happy Homes haben noch einen weiteren Vorteil: Ihr System funktioniert komplett autark. Wenn also die Infrastruktur wie zum Beispiel Ver- oder Entsorgungsleitungen rund um das Haus zerstört sind, funktioniert das Happy Home trotzdem.

Hoffnung für die Menschen in der Ukraine

«Während des Unterrichts über das Happy Home hatten die Teilnehmenden zum Teil feuchte Augen. Das hat viele Emotionen geweckt. Sicher haben viele dabei an ihr Zuhause in der Ukraine gedacht und an das, was noch auf sie zukommt», erzählt Franz Gähler. Für viele Menschen in der Ukraine ist es derzeit Realität, in ihren von Bomben zerstörten Häusern zu leben. «Wenn wir ihnen zeigen können, dass wir trotz aller Zerstörung sichere Unterkünfte bauen können, gibt ihnen das viel moralische Kraft. Wenn man jemandem Hoffnung geben kann, dann ist es ein grosser Antrieb für die Menschen, weiterzumachen.» Mit der Teilnahme an der Weiterbildung können die Ukrainerinnen und Ukrainer in der Schweiz ihren Fokus und ihre Energie auf die Zukunft der Ukraine richten.

Von Seiten der OST sind zudem Prof. Simone Stürwald und Prof. Dr. Ivan Marković vom Institut für Bau und Umwelt am CAS «Wiederaufbau Ukraine» beteiligt.

CAS Wiederaufbau Ukraine

Der CAS Wiederaufbau Ukraine ist eine praxisnahe Weiterbildung. Er richtet sich an geflüchtete Frauen aus der Ukraine (mit Schutzstatus S), an Ukrainerinnen und Ukrainer, die schon länger in der Schweiz leben und an Mitglieder von Hilfsorganisationen, die sich am Wiederaufbau beteiligen werden. Er befähigt die Teilnehmenden, Projekte zum Wiederaufbau der Ukraine zu evaluieren, mitzugestalten und zu leiten, z.B. den Wiederaufbau von Gebäuden und Infrastruktur.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Die Ostschweiz

«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund 300'000 Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG, ein Tochterunternehmen der Galledia Regionalmedien.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.