In St.Gallen geben die VBSG den Takt an. Der Kunde ist nicht König. Es gibt nur einen Ausweg: Man muss die VBSG boykottieren.
Als digitaler Arbeitsnomade reise ich oft. Im Zug lässt es sich hervorragend arbeiten, fürs Reisen die beste Wahl. Schlanke Verbindungen sind denn auch das A und O für Prosperität, Investitionen und Wohlstand einer Region. Doch die Innovationskraft im öffentlichen Verkehr von St.Gallen bleibt beschränkt. Denn St.Gallen ist eine Hochburg der städtischen Verkehrsbetriebe VBSG. Alles richtet sich danach. Distanzen von Ost nach West – egal wie weit – werden mit unzähligen, doppelt und dreifach frequentierten Buslinien überwunden. Selbst bei der OLMA werden die Besucher vom Breitfeld quer durch die Stadt in die Degustationshallen gekarrt. Vielen ist schon schlecht, bevor sie das erste Bier genossen haben.
Die Menschen selbst finden dieses einseitige öV-Angebot nicht so prickelnd. Darum hat man bei den VBSG in nur drei Jahren rund zwei Millionen Fahrgäste verloren. 2017 stagnierten die Fahrgastzahlen und verharren auf tieferem Niveau. Die Stagnation wird von der Politik derart positiv gewertet, um nun noch kräftiger in die Steuer-Schatulle zu greifen. Investiert wird kräftig in den Ausbau von Fahrleitungen. Denn die VBSG verlängern ihre Linien dank Batterie-Trolleys ins Umland. Künftig werden Bewohner der Agglo-Gemeinden vermehrt mit der VBSG ins Regionalzentrum gekarrt. So quasi als Strafe fürs Wegziehen aus der Steuerhölle. Die Lücke bei den Fahrgästen stopft man mit Auswärtigen. Dazu braucht es dann ein überdimensioniertes, neues Busdepot.
In St.Gallen geben die VBSG beim öV den Takt an. Getaktet wird an den Endstationen, nicht beim Hauptbahnhof. Dort fahren die Busse der VBSG bereits los, wenn die prallvollen Fernverkehrszüge erst eintreffen. Doch auch das S-Bahn-System von St.Gallen ist eine Fehlleistung sondergleichen. Der Fahrplan 2019 sieht vor, dass alle Stadtbahnhöfe ausserhalb der Stosszeiten weiter abgewertet werden. Schnelle Morgenverbindungen zum Flughafen Zürich und andere Schweizer Metropolen werden für mehrere Quartiere gekappt. Reisen am Abend enden dafür mit horrenden Warte- und Umsteigezeiten beim Hauptbahnhof. Investitionen in Infrastruktur und Haltestellen verpuffen wirkungslos.
Andere Regionen bieten dafür funktionierende S-Bahn-Netze, die mit dem Fernverkehr getaktet sind. Der Bus dient einzig zur Feinverteilung für die letzte Meile und gehorcht dem Takt der übergeordneten Netze. Ob in der Nordwestschweiz, ob in der Zentralschweiz, ob im Raum Bern: selbst im letzten Hinterpfupf steigt man aus dem IC oder der S-Bahn und findet Busse vor, die einen zügig zum Zielort bringen.
Es gibt deshalb nur einen Ausweg: Man muss die VBSG boykottieren. Damit die Fahrgastzahlen weiter sinken. Bis der Kunde endlich wieder König wird und die arrogante alte Dame einlenkt. Damit Verbindungen für die letzte Meile zwischen Fernverkehr, S-Bahn und Bus auch in St.Gallen harmonieren und koordiniert sind. Erst dann rechnen sich die massiven Investitionen in den öffentlichen Verkehr. Zum Vorteil des Standorts.
Remo Daguati (*1975) betreut als unabhängiger Berater Standortförderungen sowie Arealentwicklungen im In- wie Ausland. Daneben wirkt er als Geschäftsführer des HEV Kanton und Stadt St.Gallen. Er ist zudem Mitglied (FDP) des Stadtparlaments St.Gallen.
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