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Journalisten auf Abwegen

Faktencheck: SRF und die Unwahrheiten

Die US-Wahlen werfen ihre Schatten voraus, auch in dieser Zeitung. Bei der Berichterstattung zeigt sich einmal mehr: Wird Journalismus anwaltschaftlich, gerät er schnell auf das falsche Gleis.

Thomas Baumann am 20. März 2024

Die Rede von Donald Trump nach seinem Sieg bei den Vorwahlen am «Super Tuesday» war eigentlich wie immer: Eine Aneinanderreihung von Lügen oder nicht überprüfbaren Phantasieerzählungen.

Mit billiger Rhetorik heizte er dem Publikum ein: So nannte er das Corona-Virus «China-Virus», das aus einem Labor in der chinesischen Stadt Wuhan stamme, und das Thema Migration gipfelt für ihn darin, dass Mörder in den USA «deponiert» bzw. abgesetzt würden.

Hätte hingegen er «den Laden geführt», dann wäre Russland nicht in die Ukraine einmarschiert, hätte die Hamas nicht Israel angegriffen und gäbe es keine Inflation. Der Iran hätte die Hamas schon deshalb nicht unterstützten können, weil er unter Trumps Präsidentschaft bankrott gewesen sei.

Diplomatie wie im Wilden Westen

Überhaupt der Islamismus: Den IS besiegte er angeblich in vier Wochen und die Taliban verglich er mit dem Banditen Jesse James. Wie ein Sheriff bedeutete er diesen, gemäss eigenem Bekunden «auf eher ungehobelte Art» («in a rather nasty fashion»), dass sie sich unterstehen sollten, auf Amerikaner zu schiessen. Worauf sie dann auch während 18 Monaten keinen einzigen amerikanischen Soldaten mehr getötet hätten.

Biden sei der schlechteste Präsident in der amerikanischen Geschichte und der Aktienmarkt derzeit nur deshalb so hoch, weil in den Aktienkursen bereits ein Wahlsieg von ihm, Donald J. Trump, eingespeist sei.

Die wohl einzige Aussage in der ganzen Rede, die nachweisbar nicht falsch ist, war die Behauptung, dass der Aktienmarkt zu Ende seiner Präsidentschaft höher stand als vor Beginn der Corona-Pandemie. Das trifft sowohl für den Dow Jones, den breiter gefassten S&P 500, den Technologieindex Nasdaq 100 und den Index der wichtigsten Nebenwerte, Russel 2000, zu.

Böse Zungen könnten natürlich wiederum behaupten, dass dies bloss deswegen der Fall gewesen sei, weil der Aktienmarkt bereits einen Wahlsieg Bidens eskomptiert hatte...

Was auch immer in den Aktienmärkten eingespeist ist oder nicht: Bei derart vielen Unwahrheiten juckt es einen Journalisten natürlich so richtig in den Fingern, ein paar davon richtigzustellen. So ging es auch einem Journalisten bei SRF.

«Faktencheck: Trump und die Unwahrheiten»

In einem ansonsten ziemlich neutral gehaltenen Bericht über die Ergebnisse bei den Vorwahlen am «Super Tuesday» liess sich noch ein kleines Plätzchen für den mittlerweile bereits üblichen «Faktencheck» zu Trump finden: «Faktencheck: Trump und die Unwahrheiten».

Darin liest man unter anderem: «Trump behauptete fälschlicherweise, seine Regierung habe eine 571-Meilen-Mauer gebaut». Soweit, so korrekt von Seiten SRF: Trump hatte in seiner Rede tatsächlich wieder einmal übertrieben. «Laut Grenzschutzbehörde sind es jedoch rund 372 Meilen», belehrt uns SRF weiter.

Gemäss der Zoll- und Grenzschutzbehörde der Vereinigten Staaten («U.S. Customs and Border Protection») waren es am 8. Januar 2021 jedoch rund 453 Meilen und am 19. Januar 2021, dem letzten Tag von Trumps Präsidentschaft, rund 458 Meilen mehr im Vergleich zum Januar 2017.

Falsch sei auch Trumps Aussage, dass die Vereinigten Staaten «energieunabhängig» seien, so SRF weiter. Das Argument von SRF: Die USA hätten nie aufgehört, ausländisches Öl zu importieren.

Fehlendes ökonomisches Verständnis

Wenn etwas, dann beweist diese «Beweisführung» bloss, dass SRF nichts von Wirtschaft versteht. So ist die Schweiz zum Beispiel unzweifelhaft «schokoladeunabhängig» vom Ausland: Im letzten Jahr (2023) setzten die schweizerischen Schokoladehersteller gemäss dem Branchenverband Chocosuisse insgesamt 207'807 Tonnen Schokolade ab. Fast drei Viertel davon, oder 150'516 Tonnen, flossen in den Export.

Währenddessen wurden im Inland «nur» rund 100'000 Tonnen verzehrt. Die einheimische Produktion hätte also ausgereicht, den inländischen Markt gleich doppelt zu versorgen. Dennoch wurden rund vierzig Prozent der hierzulande verzehrten Schokolade importiert.

Man sieht: Die Schweiz ist zweifelsohne ein Nettoexporteur von Schokolade — importiert aber nichtsdestotrotz selber Schokolade. So funktioniert eine global diversifizierte, arbeitsteilige Wirtschaft heutzutage.

Dasselbe gilt auch im Fall des Erdöls: Die USA sind zwar seit 2020 ein Nettoexporteur von Öl, importieren nach wie vor selber aber ebenfalls Öl oder Erdöl-Produkte. Wie andere grosse Erdölproduzenten übrigens auch, zum Beispiel Kanada oder Norwegen.

Ein Nettoexporteur von Erdöl(-Produkten) zu sein und dennoch Importe zu tätigen, schliessen sich somit in keiner Art und Weise aus.

Vielleicht sollte sich SRF ein altes Sprichwort zu Herzen nehmen: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Wer schon bei Anderen Faktenchecks betreiben will, sollte bei den Fakten selber ebenfalls sattelfest sein.

Eine Anfrage an die Medienstelle von SRF blieb auch nach 72 Stunden unbeantwortet.

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Autor/in
Thomas Baumann

Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.

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