Seit dem plötzlichen Rückzug von Verwaltungsratspräsident Urs Rüegsegger sucht das Theater St.Gallen nach einer Nachfolge. Bisher war der Posten nur ein Ehrenamt. Gestern Montag haben die Genossenschaftsmitglieder beschlossen, ihn neu zu entschädigen - in bescheidenem Umfang.
Eine Zweidrittelmehrheit ist notwendig. Am Ende haben 60 von 71 Stimmberechtigten in der Lokremise Ja gesagt: Der Person, die künftig dem Verwaltungsrat von Konzert und Theater St.Gallen als Präsidentin oder Präsident vorstehen wird, vergütet die Genossenschaft künftig etwas mehr als die Barauslagen für den Transport zu Sitzungen.
Entschädigt wird, was Genossenschaftsvizepräsidentin und St.Galler Kulturministerin Laura Bucher am Montagabend mit einem Pensum von 15 bis 20 Prozent beziffert. Seit 1968 als Ehrenamt ausgeführt, sei diese Regelung nicht mehr zeitgemäss, erklärt die Regierungsrätin im Namen des Verwaltungsrats.
Maximal 20'000 Franken pro Jahr
Dieser ist mit dem Entscheid der Generalversammlung ermächtigt, ein entsprechendes Entschädigungsreglement zu erlassen. Was darinstehen wird, präzisiert die Regierungsrätin gleich im Voraus. Was dazu beigetragen haben dürfte, dass der Entscheid den anwesenden Genossenschafterinnen und Genossenschaftern verhältnismässig leicht fällt: Die vorgesehene Vergütung des Verwaltungsratspräsidiums beläuft sich auf maximal 20'000 Franken pro Jahr. Damit werde die Steuerbefreiung der Genossenschaft als gemeinnützige Organisation gewahrt.
Von der Neuerung erhoffen sich die Verantwortlichen des Verwaltungsrats einen fairen Ausgleich des beträchtlichen Aufwands, der an der strategischen Spitze eines bedeutenden Kulturhauses entsteht. Doch nicht nur: «Wir möchten auch das Kandidatenfeld erweitern», sagt Laura Bucher, die auch Teil des Nominationsgremiums ist, das sich seit dem Rücktritt des langjährigen Präsidenten Urs Rüegsegger im November 2022 mit der Nachfolgesuche beschäftigt. Nebst ihr besteht die Findungsgruppe aus Theaterverwaltungsrätin und Olma-Direktorin Christine Bolt, dem St.Galler Stadtrat Markus Buschor sowie Felix Buschor, Mitglied des Verwaltungsratsausschusses.
Das eierlegende Wollmilchschwein
Womit die Regierungsrätin transparent macht, dass es nicht leicht ist, die geeignete Person für die Rolle zu finden. Gesucht wird wie immer das eierlegende Wollmilchschwein.
Es soll die neue Geschäftsleitung von Konzert und Theater unter der Leitung von Jan Henric Bogen bestmöglich unterstützen. Die Verwerfungen ausbügeln, welche die Coronapandemie im Kulturbetrieb hinterlassen hat. Die Wiedereröffnung des sanierten und erweiterten Paillard-Haupthauses am Stadtpark begleiten. Und die strategische Zukunft eines ambitionierten Dreispartenhauses sichern.
Nicht zuletzt soll die Person möglichst allen Anspruchsgruppen im Umfeld von Konzert und Theater gefallen, in der Region verankert sein und über betriebswirtschaftliche Qualifikationen verfügen. Manche, nicht zuletzt aus dem gestrigen Publikum, wünschen sich beispielsweise eine Künstlerin oder einen Künstler an der Spitze.
Auf drei Topbewerbungen reduziert
Viele Erwartungen also, die an 63 mögliche Kandidierende – 26 Frauen und 37 Männer – gerichtet waren, die mittlerweile auf drei Topbewerbungen reduziert wurden. Im September wird die Findungskommission mit diesen Zweitgespräche führen und sie der Geschäftsleitung des Theaters vorstellen: eine Doppelbewerbung Mann/Frau sowie eine Frau und ein Mann. Ziel sei es, so die Vizepräsidentin in ihren Ausführungen zum Stand der Dinge, Ende September mindestens einen Wahlvorschlag des Verwaltungsrats zuhanden der Generalversammlung zu präsentieren.
In der Diskussion zum Entschädigungsreglement meldet sich Peter Schmid zu Wort, der sich dezidiert gegen ein fixes Entgelt für das Präsidium äussert. Er sei als Theaterfan, Gönner und ehemaliger Pricewaterhouse-Coopers-Partner nicht einverstanden, dass das Geld Unzähliger, die es dem Theater zur Verfügung stellten, auf diese Weise ausgegeben werde. Es sei ein «Affront» gegen alle Geldgeberinnen und Geldgeber. Im Gegenzug stelle er sich selbst als Verwaltungsratspräsident zur Verfügung – gratis und franko.
Den Posten nicht nur Vermögenden zugänglich machen
Dem halten Verwaltungsrätin und Stadtparlamentarierin Alexandra Akeret, Musiker und Ex-Stadtparlamentarier Karl Schimke, Ex-Kantonsrätin Monika Lehmann sowie Regierungsrat Beat Tinner, letzterer namens der St.Galler Regierung, entgegen, dass es in der heutigen Zeit wenig Grund gebe, an einem alten Zopf wie der ehrenamtlichen Erfüllung der Aufgabe festzuhalten – womit das Erreichen der Position notabene nur vermögenden Personen offen stünde.
Die Anwesenden geben ihnen mit ihrem Votum Recht. Der Weg ist damit frei für eine zeitgemässe, professionelle Führung des Theaters. Nun muss sie nur noch gefunden werden. Peter Schmid wird es aller Voraussicht nicht sein, da es ja kein Ehrenamt mehr ist.
Würdigung von Urs Rüegsegger und Werner Signer
Eingangs des Abends hat Vizepräsidentin Laura Bucher dem ausgeschiedenen Verwaltungsratspräsidenten Urs Rüegsegger für sein langjähriges, grosses Engagement zu Gunsten der Genossenschaft Konzert und Theater St.Gallen gedankt. Rüegsegger war im vergangenen November nach einer stürmischen Generalversammlung zurückgetreten.
Als Grund für seinen vorzeitigen Rücktritt nannte das Theater in einer Mitteilung damals die «von den Genossenschaftern geäusserten Vorbehalte gegen eine weitere Delegation von Kompetenzen an den Verwaltungsrat». Vorausgegangen waren heftige Diskussionen um die Organisation der oberen Etagen der Theaterführung.
Ebenfalls hat die Regierungsrätin das Engagement des langjährigen Theaterdirektors Werner Signer gewürdigt, der am 31. Juli nach über 30 Jahren in den Ruhestand getreten ist. Hier die Würdigung von Laura Bucher im Wortlaut:
«Werner hat sein Leben dem Theater gewidmet und massgeblich dazu beigetragen, dass sich Konzert und Theater St.Gallen mit seinen Spielstätten und den St.Galler Festspielen zu einem kulturellen Leuchtturm nicht nur in der Schweiz, sondern auch weit darüber hinaus entwickelt hat. Die Erfüllung des Leistungsauftrags mit einer hohen Eigenwirtschaftlichkeitsvorgabe einerseits und seinem künstlerischen Anspruch andererseits war für Werner immer die Leitlinie seiner Tätigkeit. Es war ihm immer wichtig, stabile wirtschaftliche Grundlagen zu schaffen, damit die künstlerischen Direktor:innen kreative Höchstleistungen erbringen können. Diese Balance ist ihm immer hervorragend gelungen.
Werner Signer hat nicht nur neue Formate, Projekte und Spielorte lanciert, sondern er hat sich auch unermüdlich für seine Mitarbeitenden eingesetzt. Er hatte stets ein offenes Ohr für alle, die vor und hinter den Kulissen gearbeitet haben. Deshalb war ihm die Sanierung und Erweiterung des Theaters auch so wichtig, eben damit seine Mitarbeitenden endlich zeitgemässe Arbeitsbedingungen vorfinden.
[…]
Wir haben Werner an einem rauschenden Fest zeitgleich mit dem Umbau verabschiedet. Auch an dieser Stelle nochmals einen herzlichen Dank, lieber Werner, für alles, was du für Konzert und Theater St.Gallen geleistet hast. Du wirst uns fehlen, und wir wünschen dir alles Gute für den neuen Lebensabschnitt!»
(Bilder: Odilia Hiller)Odilia Hiller aus St.Gallen war von August 2023 bis Juli 2024 Co-Chefredaktorin von «Die Ostschweiz». Frühere berufliche Stationen: St.Galler Tagblatt, NZZ, Universität St.Gallen.
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