Regen im Tessin, ein Wolken-Sonne-Mix in der Ostschweiz: Trotz der dürftigen Wetteraussichten pilgern auch in diesem Jahr die Menschen in die vermeintliche «Sonnenstube» der Schweiz, um dichtgedrängt… Ja, was denn eigentlich?
Wir Schweizer müssen das Tessin lieben. Punkt. Tut man es nicht, und redet man auch noch öffentlich darüber, sind einem böse Blicke gewiss. Die freien Tage über Ostern werden dazu genutzt, dem Tessin einen Besuch abzustatten. Zusammen mit tausenden anderen Schweizern auch. Und Deutschen. Und Österreichern.
Ein Blick auf die Wetterprognosen in diesen Tagen verheisst nichts Gutes. «Am Donnerstag erreicht uns die nächste Störung, bevor sich auf Freitag wieder starker Südstau einstellt.» Das besagt die Meteo-Wetterprognose. Und nicht nur am Himmel stellt sich dieser «Stau» ein. Ähnliches widerspiegelt sich auch auf den Strassen. Mit Sicherheit.
Denn egal, wie schlecht das Wetter im Tessin sein wird: Die Menschen gehen trotzdem dahin. Um was zu tun? Haben die alle eine Ferienwohnung da? Verwandte? Bekannte? Was so prickelnd daran sein soll, sich stundenlang im Stau zu wissen, um anschliessend im Regen – ja, was denn nun?
«Die Sonnenstube der Schweiz» - heisst es. Die letzten Male, als ich dort war, hat es jedoch zuverlässig geregnet. Ok, vielleicht hatte ich einfach Pech. Schliesslich liegt auch die «Sonnenstube» immer noch in der Schweiz, und hier wird der Regen eben gerne gesehen. Möglich, dass es im Tessin wärmer regnet. Wie gesagt, ich habe offensichtlich keine grosse Ahnung von dieser «Tessin-Liebe».
Natürlich ist der Lago Maggiore schön anzusehen, die Berge im Hintergrund ebenso. Der Ausblick jedoch entschädigt mich nicht ausreichend für die mehrstündige Autofahrt. Und den Stau erst recht nicht. Einen wesentlichen Unterschied zum Bodensee kann ich jedenfalls nicht feststellen. Und zum Walensee erst recht nicht. Und ich trage meine Kontaktlinsen zuverlässig.
Kämen wir zu den Palmen, die zwar eine gewisse mediterrane Stimmung verbreiten. Die ist aber spätestens dann Geschichte, wenn es wieder mal regnet, man vom dichtgedrängten Sitznachbarn in den überfüllten Restaurants alles mitbekommt, weil schliesslich überall Schweizerdeutsch gesprochen wird. Und spätestens beim Blick auf die Speisekarte weiss man angesichts der Preise, dass man halt immer noch in der Schweiz ist.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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