Nach der Schliessung des Spitals in Wattwil bietet die Berit Klinik eine medizinische Versorgung der Toggenburger Bevölkerung an – inklusive eines Notfallzentrums. «Umso stossender ist es, dass der Rettungsdienst die Notfallstation in Wattwil systematisch umfährt», so der Toggenburger Ärzteverein.
Über die aktuell vorhandene Infrastruktur zeigt sich der Toggenburger Ärzteverein in einer am Montag, 4. Dezember, versendeten Medienmitteilung grundsätzlich erfreut. In der Berit-Klinik in der Liegenschaft des ehemaligen Spitals Wattwil stehe heute ein gut funktionierendes, auf die Bedürfnisse der Toggenburger Bevölkerung angepasstes Angebot von ambulanten und für Notfallpatienten stationären medizinischen und chirurgischen Leistungen sowie Diagnostik zur Verfügung. «Ein hochmotiviertes und sehr kompetentes Ärzte- und Pflegeteam bietet eine 24-Stunden-Versorgung an. Der Notfalldienst wird zusammen mit dem Toggenburger Ärzteverein abgedeckt. Die Zusammenarbeit mit der Berit Klinik wird von den niedergelassenen Ärzten als sehr kooperativ und verlässlich eingestuft», schreibt der Ärzteverein.
Versorgung der Bevölkerung sei gefährdet
Der Toggenburger Ärzteverein müsse nun aber feststellen, dass die kantonale Gesundheitspolitik erneut die lokale Versorgung der Toggenburger Bevölkerung gefährde, weil der Rettungsdienst 144 die Berit Klinik ganz bewusst links liegen lasse: «Eine aktuelle Statistik zeigt, dass nur noch acht Prozent der Notfalltransporte via Rettungsdienst in die Notfallstation in Wattwil gelangen, zu Zeiten des Spital Wattwil waren es noch rund 40 Prozent. Es kommt sogar vor, dass Patientinnen und Patienten gegen ihren ausdrücklichen Willen nicht in die Berit Klinik gefahren werden.»
«Mit voller Absicht»
Das sind happige Vorwürfe. Vor allem an die Seite der St.Galler Regierung. Und der Ärzteverein doppelt noch nach: Die Antwort der Regierung auf eine kürzliche Anfrage von SP-Kantonsrat Martin Sailer zeige auf, dass die Umgehung des Wattwiler Notfalls mit voller Absicht geschehe. «Das Gesundheitsdepartement vergütet der Berit Klinik ab November 2023 bei Notfallpatienten nur noch Behandlungen mit einer Aufenthaltsdauer von höchstens zwei Nächten. Daher soll nun das Rettungsdienstpersonal vor Ort beurteilen können, welcher Patient potenziell länger als zwei Nächte behandelt werden muss.» Für die Toggenburger Ärzteschaft sei dies aus medizinischen Überlegungen schlichtweg nicht möglich.
Ein «künstliches Aushungern»
Der Ärzteverein schreibt weiter: «Die Haltung der Regierung ist nicht nur für die Berit Klinik unbefriedigend, letztlich leidet darunter die Versorgungsqualität der ganzen Bevölkerung. Die aktuelle Diagnostik in der Berit Klinik mit einem 24-Stunden-Service inklusive der Möglichkeit von CT-Untersuchungen ist einzigartig und wird von Patienten und Ärzten sehr geschätzt.» Für eine weiterhin adäquate Versorgung der Region sei eine ausreichende Auslastung des Notfallzentrums eine unabdingbare Voraussetzung. Ein «künstliches Aushungern» des Notfalls in Wattwil könne dagegen einen Leistungsabbau provozieren.
Leistungsauftrag anpassen
Gemäss einer Kontrolle des Gesundheitsdepartments im November blieben rund 20 Prozent der Patientinnen und Patienten drei oder mehr Nächte in der Berit Klinik hospitalisiert. Für den Toggenburger Ärzteverein ist es nachvollziehbar, dass zur Behandlung einer Lungen- oder Darmentzündung gelegentlich zusätzliche Hospitalisationstage erforderlich sind. «Ein Sekundärtransport in eine weitere Klinik nach zwei Nächten ist in solchen Fällen weder patientenfreundlich noch gesundheitspolitisch sinnvoll.» Der Toggenburger Ärzteverein spricht sich deshalb dafür aus, das Leistungsspektrum der Berit Klinik nicht einzuschränken.
Konkrete Forderungen an die Regierung
Der Toggenburger Ärzteverein stellt daher folgende Forderungen an die Regierung:
Das Notfallzentrum der Berit Klinik muss durch die Rettung St.Gallen nach medizinischen Kriterien als nächstgelegener Notfall angefahren werden. Ausnahmen sind Fälle, die gezwungenermassen Leistungen eines Zentrumsspital benötigen.
Das Notfallzentrum der Berit Klinik ist seitens des Gesundheitsdepartements genauso zu unterstützen, wie alle anderen Notfälle im Kanton auch, damit es seine Aufgabe eines auf den regionalen Bedarf abgestimmten Notfallversorgungsangebots sicherstellen kann.
Was sagt die Regierung dazu?
Gildo Da Ros, Generalsekretär des Gesundheitsdepartments, verweist auf Anfrage von «Die Ostschweiz» auf eine schriftliche Antwort der Regierung vom 7. November auf die Einfach Anfrage von Kantonsrat Martin Sailer. Weitere Ausführungen zu einer kürzlich eingereichten Anfrage zur gleichen Thematik würden von der Regierung voraussichtlich am nächsten Dienstag, 12. Dezember, beantwortet werden.
In der Regierungsantwort vom 7. November ist unter anderem aufgeführt, dass sich die Berit Klinik AG in einem Leistungsvertrag mit dem Kanton verpflichtete, während 365 Tagen und 24 Stunden höchstens fünf akutstationäre Notfallbetten zu betreiben. Dazu die Regierung weiter: «Die stationäre Behandlung von Patientinnen und Patienten ist ausschliesslich auf Kurzaufenthalte von Patientinnen und Patienten aus der Notfallstation sowie auf Patientinnen und Patienten für den körperlichen Alkoholentzug im Vorfeld der Aufnahme auf die PSA beschränkt. Unter Kurzaufenthalte von Notfallpatientinnen und -patienten fallen gemäss Botschaft zur Weiterentwicklung der Strategie der St.Galler Spitalverbunde grundsätzlich Behandlungen mit einer Aufenthaltsdauer von höchstens 24 Stunden.»
Gildo Da Ros erwähnt gegenüber der «Ostschweiz» zudem, dass die Berit Klinik sehr wohl Unterstützung erhalte, nämlich jährlich 1.6 Millionen Franken für den Betrieb der Notfallaufnahme, der akutstationären Notfallbetten, der Radiologie und des Labors gemäss Leistungsumfang.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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